Angst vor dem Austritt

02.12.2013
Brauchen wir eine Alternative zu Euro und EU?
von Wilhelm Langthaler
Mit dieser Frage hatte ein Personenkomitee für den 30. November 2013 nach Düsseldorf geladen. Die Antwort fiel zwiespältig aus. Man war sich einig, dass Euro und EU ein Projekt der kapitalistischen Eliten und zudem in einer akuten Krise sei. Vor der logischen Schlussfolgerung allerdings, schrecken viele der organisierten Linken zurück – vermutlich anders als diejenigen, die ihre Arbeitskraft am HartzIV-Markt dank des deutschen Euro-Regimes wohlfeil verschleudern müssen.
Lucas Zeise (2. von links), Albert Reiterer, Sascha Stanicic, Winfried Wolf (r)

Als Hauptredner traten der renommierte Wirtschaftsjournalist Lucas Zeise, der auch für die DKP bei den kommenden Europawahlen antritt; Winfried Wolf, der bekannte Aktivist und Journalist, der auch für die Linke arbeitet, sowie Sascha Stanicic, von der SAV innerhalb der Linken auf. Sie stellten sich unerwartet entschieden gegen die Losung des Euro-Austritts. Für diesen traten indes vor allem Albert Reiterer, Sozialwissenschaftler, und der Autor selbst an.

Der unvermittelte Bruch in der Argumentation war frappierend. Vom Podium hörte man über weite Strecken eine scharfe Anklage gegen die EU und den Euro und die soziale Katastrophe, die das heraufbeschwört, was wir Euro-Regime nennen. Es schienen alle einig – auch darüber, dass die europäische kapitalistische Krise so akut wäre, dass eine Explosion unvermeidlich sei. Doch die Konsequenz daraus:

Kein Euro-Austritt! Warum? Ein unverständliches Begründungsloch, warum man diese sich aufdrängende logische Schlussfolgerung nicht als politische Losung aufstellen könne. Stanicic lieferte stattdessen Abstraktion: Man müsse die Systemfrage stellen. Zeise und Wolf blieben Antworten lieber schuldig, denn auf diese Ebene wollten sie sich denn doch nicht begeben.

Der Euro ist das Symbol sowohl des Hungerdiktats, das die kapitalistische Oligarchie über Europa verhängt, als auch der politischen Krise dieses Systems. Diejenigen, die das System verteidigen, verteidigen auch den Euro. Bei den Verlierern in den subalternen Klassen wächst indes die Stimmung gegen den Euro, ebenfalls als Symbol. Es bietet sich für antisystemische, antikapitalistische Kräfte eine große Chance einen Hebel zu entwickeln Massen anzusprechen, in einigen Ländern der Peripherie sogar Mehrheiten, um gegen die herrschende Elite vorzugehen.

Nur über den Euro kann die Systemfrage wirklich gestellt werden. In Griechenland beispielsweise ist das sogar die Formulierung der Machtfrage. Nur wenn man das Euro-Regime abschüttelt kann man eventuell auch die Herrschaft der kapitalistische Eliten stürzen, die das Land zugrunde gerichtet haben.

Warum stemmt sich also die organisierte Linke, ja ihr bester Teil, gegen die Austrittlosung? Die Linke als Partei zumindest strebt mit der Koalition Rot-Rot-Grün das an, was sie in einigen ostdeutschen Bundesländern bereit sein geraumer Zeit vorexerziert hat: das Euro-Regime zu vollstrecken.

Das ist doch die Forderung des Rechtspopulismus, das ist doch Nationalismus, wird bisweilen eingeworfen.

Dann ist im Umkehrschluss die Aushungerung des Südens, dass griechische Kinder Hungerhilfepakete brauchen, um in den verfallenden und ungeheizten Schulen überhaupt aufnahmefähig zu sein, Internationalismus; dann ist die Attacke der dominierten kapitalistischen Oligarchie auf die Masse der Europäer Solidarität der Völker!?

Zunächst eine Klarstellung: Die wirklichen Rechtspopulisten sind die Propagandisten des Euro von Union, SPD, Grünen etc., die den Unterklassen Europas erzählen wollen, dass man nur am deutschen Sozialabbaudiktat genesen könne.

Dass Leute wie die AfD, die genauso die unteren, arbeitenden Massen ausnehmen und politisch mundtot machen wollen, eine Dritten Million Stimmen von der Linken bekommen konnte, sollte tatsächlich Zeichen des Alarms sein. Nämlich nicht, dass man auf die Losung verzichtet, dem Kampf ausweicht, sich auf abstrakte Slogans gegen das System zurückzieht und damit das Feld dem Gegner überlässt, der den aufkeimenden Protest zurück ins System lenken will. Sondern, dass man die Euro-Austrittsforderung offensiv benutzt, um das Euro-Regime der kapitalistischen Oligarchie zu Fall zu bringen.

Der von uns eingebrachte Vorschlag ist und bleibt: eine breite Plattform gegen den Euro im Interesse der subalternen Klassen Europas!

In Düsseldorf wurde ein Anfang gemacht.

Verweise