demokratisch | sozial | souverän | neutral: Treffen zur Aktion gegen die neoliberale Regierung

Details
Date: 
Samstag, 4. November 2017 - 10:00
City: 
Wien
Amerlinghaus Stiftg 8
4. November 2017, 10 Uhr, Wien

Am 30. September 2017 fand in Wien ein Symposium statt, bei dem die Möglichkeiten der Entwicklung eines Pols des Bruchs mit dem neoliberalen Regime ausgelotet wurden. Ergebnis ist ein Entwurf für einen Plattformtext, der am 4. November verabschiedet werden soll. Angesichts des Wahlausgangs erscheint das nun als doppelt notwendig und dringend. Im Anschluss wollen wir eine Kampagne für eine möglichst breite Beteiligung am und Unterstützung für das zu gründende Personenkomitee führen. Die nächsten politischen und organisatorischen Schritte sollen besprochen werden.

Entwurf eines Aufrufs zu Aktionen gegen die neue Eliten-Regierung/i>

Für ein demokratisches, soziales, souveränes und neutrales Österreich

(evtl. Ankündigung einer öffentlichen Aktion / Manifestation)

Die österreichische Gesellschaft und insbesondere das politische System entwickelt sich weiter zugunsten der Eliten. 23 Jahre nach dem EU-Beitritt bleiben nicht nur die demokratischen und sozialen Versprechen uneingelöst, auch die Erzählung von Weltoffenheit und internationaler Solidarität ist nur noch in Spurenelementen erkennbar. Ausdruck dessen, was oft unter Rechtsentwicklung gefasst wird, ist nicht nur der Stimmenzuwachs für die FPÖ. Auch der Durchmarsch eines neuen Führers der ÖVP unter offener Übernahme einer klassisch rechten Feinderzählung charakterisiert dies nur unzureichend. Es ist der gesamte gesellschaftliche Verhandlungsrahmen, der sich mit der Unterordnung unter das EU-Konkurrenzregime gegen die Mehrheit verschoben hat. Wenn sozialdemokratische Gewerkschafter im Blaumann über die antisoziale Austeritätspolitik in der EU monieren, im Nationalratssakko aber den EU-Fiskalpakt absegnen, dann ist das ganz im Sinne der global Herrschenden, die sich einen immer größeren Anteil am gesellschaftlichen Reichtum aneignen wollen.

Wenn ein Verteidigungsminister und ein Außenminister in Tallinn die volle Teilnahme am militärischen Kerneuropa ohne Befassung des Parlaments zusichern, dann ist das imperiale Politik im Sinne jener Oligarchie.

Wenn auch die Grünen, deren Wurzeln in die Friedensbewegung zurückreichen, dies im Wahlkampf nicht thematisieren, so ist auch das Ausdruck einer Unterordnung unter die Eliten mit ihren immer weniger gebremsten Machtansprüchen. Vor wenigen Monaten zeigten sich viele erleichtert, dass mit Van der Bellen nunmehr die Republik vor einer rechten Präsidentschaft gesichert sei. Wir werden in wenigen Wochen oder Monaten das absurde Schauspiel erleben, dass eben diese Figuren, vor denen uns der Präsident schützen sollte, von ihm angelobt werden. Den geforderten Eid auf die EU haben sie bereits im Vorfeld geleistet.

Das Programm der voraussichtlich kommenden Regierung stammt über weite Strecken aus der Feder der Industriellenvereinigung und ihrem Umfeld. Diese Kräfte sehen die Chance, ein neues Machtzentrum aufzubauen, das den neoliberalen Umbau radikalisiert und diesen Umbau durch chauvinistische Rhetorik und Politik absichert. Sie wissen, dass sie schnell handeln müssen, denn viele von weiter unten haben sie aus verirrter Hoffnung auf die Verbesserung ihrer sozialen Lage gewählt. Angriffsziele werden Interessensorganisationen, Verhandlungs- und Entscheidungsstrukturen sein, die sich einem radikalisierten neoliberalen Umbau der Gesellschaft entgegenstellen. Doch noch wirkungsvoller könnte es sein, wenn sie die äußere Hülle der sozialpartnerschaftlichen Institutionen erhalten, deren SP-Spitzen in bewährter Manier in die Konterreform einbinden und so oppositionelle Mobilisierung erschweren. Das eine schließt das andere nicht gänzlich aus. Jedenfalls ist diese politische Stoßrichtung der kommenden Regierung deckungsgleich mit jener der supranationalen EU-Bürokratie. Jeglicher Protest gegen die kommende Regierung wird sich deshalb der Lächerlichkeit preisgeben, wenn er dafür die EU zu Hilfe ruft.

Um der Rechtsentwicklung insgesamt entgegentreten zu können, bedarf es der grundlegenden Infragestellung der neoliberalen Wende. Die Beseitigung jeglicher Handelshemmnisse führt zu Lohnverlusten, Entdemokratisierung und Sozialabbau. Die Schere zwischen arm und reich geht weiter auseinander und die Konzentration von Vermögen in den Händen weniger erreicht Werte von vor 1914. Die Ungleichgewichte in den internationalen Austauschbeziehungen werden größer. Deregulierte Finanzmärkte können diese Ungleichgewichte nicht ausgleichen, sondern werden selbst zu Brandsätzen für die nächste Krise. Exportschlachten gefährden die internationalen Beziehungen und destabilisieren Gesellschaften an der Peripherie soweit, dass sie teilweise in offenen kriegerischen Auseinandersetzungen münden.

Die EU-Integration ist der Treibriemen für den neoliberalen Umbau in Österreich. Ernsthafter Protest gegen die rechte Politik einer Regierung kann daher den Protest gegen die rechte Politik der EU nicht länger ausklammern. Es ist geradezu ein Konstruktionsprinzip der EU, dass keine Alternative zu ihrer marktradikalen, antidemokratischen, militaristischen und im Ergebnis chauvinistischen Politik in ihren Strukturen durchsetzbar sein darf. Es gilt deshalb über Alternativen zur Mitgliedschaft in der EU nachzudenken.

Wir wollen eine demokratische Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der alle, die mit ihr ihre Lebensinteressen verbinden, an der gemeinsamen Willensbildung teilhaben können. Das erfordert den Bruch mit der Unterordnung unter Einrichtungen, die den neoliberalen Umbau vorantreiben, insbesondere die EU-Bürokratie. Das erfordert aber auch den Bruch mit einem politischen Establishment, das die Enttäuschten gegen Feindbilder laufen lässt und damit im Kreise führt, während es Politik im Interesse der Machteliten durchsetzt.

Wir wollen eine soziale Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die die kollektiven Rechte der Arbeitenden respektiert und schützt. Eine Gesellschaft, die die Möglichkeiten der demokratischen Steuerung wirtschaftlicher Vorgänge ermöglicht und dabei die Interessen aller beachtet. Wir wollen eine Politik, die die Produktivitätsgewinne nicht in Exportschlachten und Akkumulation parasitären Reichtums verbrennt, sondern für den Ausbau öffentlicher Leistungen im Bereich, Gesundheit, Pflege, Bildung und einer ökologischen Wende nutzt. Wir wollen eine Politik, die nicht Arme gegen Arme ausspielt, sondern die Existenzrechte aller schützt.

Wir wollen ein souveränes Österreich. Unsere Ziele können nur wirkmächtig werden, wenn wir sie auf einen konkreten politischen Raum beziehen. Nur in diesem politischen Rahmen können Demokratie und Sozialstaat realisiert werden. Der Vorwurf des Rückfalls in den Nationalismus führt in die Irre. Der Nationalstaat ist nicht überwunden, sondern nach wie vor der Rahmen, in dem das Zusammenleben der Menschen politisch organisiert wird. Die Aufforderung, ihn nicht zu nutzen, weil dies nationalistisch sei, käme einer Selbstaufgabe gegenüber den Eliten gleich, die ihn sehr wohl nutzen, und zwar als Werkzeug der Globalisierung, des Klassenkampfs von oben.

Wir wollen ein neutrales Österreich. Es repräsentiert das Erbe des Siegs über den deutschen Faschismus und seine imperiale Expansion. Souveränität bedeutet für uns nicht Isolation und Abgrenzung. Wir wollen weltoffen anderen Gesellschaften auf gleicher Augenhöhe gegenübertreten. Das erfordert das Ende des Mitmarschierens bei Großmächten und Militärblöcken wie EU und Nato, die eine auf Ungleichheit und Gewalt aufgebaute Weltordnung absichern. In der Neutralität erkennen wir die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen neutralen und nach Souveränität strebenden Staaten, zum Frieden und zu gerechteren internationalen Beziehungen beizutragen.

Wir stehen vor heftigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Wie auch immer die Regierung konkret aussehen wird, die Konturen ihrer politischen Vorhaben sind schon jetzt absehbar:

x Einschnitte bei den Sozialleistungen für die Ärmsten, insbesondere MigrantInnen
x Angriffe auf die Selbstverwaltungskörper in Kammern und Sozialversicherungen
x Angriffe auf Kollektivverträge und Gewerkschaften
x eine massive Kürzungspolitik bei den Budgets, die die Leistungsfähigkeit öffentlicher Einrichtungen weiter beschädigt und die Spaltung in Zweiklassensystemen vorantreibt
x weitere Steuergeschenke für Konzerne und Reiche
x Verschärfung der Wohnungsnot in den Ballungszentren
x Ausbau des Überwachungsstaates, Ausbau des Repressionsapparates
x weiterer Stillstand in der Klimapolitik
x weitere Deregulierung und Liberalisierung im Bereich des Verkehrs, anstatt hier eine ökologische Wende einzuleiten
x Intensivierung der Kampagne gegen Flüchtlinge, MigrantInnen und Muslime als Feindbilder; Segregation statt Integration
x Aushöhlung der Neutralität durch Teilnahme am militärischen Kerneuropa

Wir werden alle Menschen, alle politischen Kräfte und Institutionen, die bereit sind, sich diesen Angriffen zu widersetzen, nach Kräften unterstützen und mit ihnen zusammenarbeiten. Wir stellen dafür keine Bedingungen, verlangen aber den Respekt vor den politischen und sozialen Rechten aller Menschen, die in Österreich ihren Lebensmittelpunkt haben. Wir sind überzeugt, von der Notwendigkeit eines Bruchs mit dem neoliberalen Regime. Wir wollen diese Überzeugung niemandem aufzwingen, sondern zeigen, dass sie in den konkreten Auseinandersetzungen der kommenden Zeit hilfreich und nützlich ist.

Unsere Haltung muss sicht-, hör- und fühlbar werden. Deshalb schließen wir uns zusammen, um gemeinsam zu handeln – politisch, medial und bei Aktionen.

Personenkomitee Demokratisch – Sozial – Souverän – Neutral