Jahrestag des Nato-Krieges gegen Jugoslawien

Vorlage für die Ukraine?
Details
Date: 
Dienstag, 24. März 2015 - 18:00
City: 
Wien
Stephansplatz
Gedenkkundgebung Wien, 24. März 2015, 18 Uhr, Stephansplatz, Wien

1999 bombardierte die Nato über zwei Monate lang Serbien. Die damalige Begründung: angesichts des Völkermords an den Kosovoalbanern stünden die Menschenrechte höher als das Völkerrecht – „responsability to protect“ wird heute genannt, was militärische Interventionen auf der ganzen Welt rechtfertigen soll.

Die serbische Gemeinde und ein paar wenige österreichische Oppositionelle protestierten damals heftig. Unserer Meinung nach ging es dem Westen um etwas anderes: Ziel der Nato war die Zerschlagung eines Vielvölkerstaates, der Integration unabhängig und im Widerstand zum westlichen Zentrum unternommen hatte. Als Jugoslawien im Kontext des Niedergangs des sowjetischen Versuch der Überwindung des Kapitalismus und auch durch äußerer Anstachelung der inneren nationalen Konflikte zerfallen war, leistete nunmehr Serbien als letzter Staat Widerstand – auch gegen die sozioökonomische Politik des Neoliberalismus und der Globalisierung.

Heute ist Serbien so wie alle Staaten Südosteuropas wieder ein bitterarmer, abhängiger Peripheriestaat mit Arbeitslosigkeit, Immigration, Desinvestition, Korruption. Wohin die EU-Integration führt, die als Alternative zur Unabhängigkeit propagiert wurde, zeigt der Fall Griechenlands.

Und was ist mit den Verbrechen, die im jugoslawischen Bürgerkrieg begangen wurden? Trägt da nicht der serbische Nationalismus die Hauptverantwortung? Hätte man den etwa gewähren lassen sollen?

Tatsächlich war es zu nationalistischen Gräueltaten gekommen – jedoch auf allen Seiten. Die gerade von der EU forcierte Idee der nationalen Auftrennung, der territorial konzipierten Selbstbestimmung konnte gar nicht anderes als in einen nationalen Bürgerkrieg führen, in dem es darum ging möglichst viele Gebiete einzunehmen. Was heute niemand sehen will: die größte Zahl an Vertriebenen haben gerade die Serben zu beklagen.

Ganz abgesehen davon, dass es für den Westen immer gute und böse Nationalismen oder Identitäten gibt, je nach geopolitischen Interessen. Die Israelis sind prinzipiell gut, die dürfen den Palästinensern ihr Land wegnehmen. Global wurde nun der Islam zum zentralen Feindbild auserkoren, obwohl man die Jihadis vor einem Viertel Jahrhundert gegen die UdSSR unterstützt hatte. Die Serben sind böse (obwohl Christen), die Albaner gut (obwohl Moslems). Und wenn sich die Interessenslage einmal schnell ändern sollte, muss man die mediale Darstellung eben adaptieren: Kurden kennt man hierzulande für Jahrzehnte als Terroristen, obwohl ihr nationaler Befreiungskampf als größtes Volk ohne Staat als Musterbeispiel dienen könnte. Aber nun gibt es den islamischen Staat als absolut Böses. Und schon werden kurdischen Terroristen zu Freiheitskämpfern. Auch die Rückumwandlung kann schnell gehen. Der Vorwurf des Völkermordes ist also rein instrumentell, ein Vorwand für geopolitische Interessen.

Was hat die Ukraine mit Serbien zu tun?

Augenfällig ist die formale Ähnlichkeit der Abtrennung des Kosovo und der Krim. Eine Großmacht holt sich einen Teil eines anderen Staates unter Anwendung von Waffengewalt und bricht dabei das Völkerrecht.

Inhaltlich führt die westliche Politik, und insbesondere der USA, zu einer weiteren Stufe der Ostexpansion:

Der ukrainische Nationalismus ist kein neues Phänomen und hat eine lange Vorgeschichte zwischen Widerstand gegen großrussischen Chauvinismus und Kollaboration mit dem deutschen Kolonialismus und Nationalsozialismus.

Als das neue nationalistische Regime mit westlicher Unterstützung an die Macht gelangte, fühlten sich jene Gebiete, die entweder mehrheitlich russisch waren (wie die Krim), oder Produkt des sowjetischen Industrievielvölkerstaates (wie der Donbass), nicht mehr repräsentiert. Sie wollten nicht von Feinden beherrscht werden, die ihnen die Ausübung ihrer Identität verweigern. Ein urdemokratisches Anliegen.

Wie in Jugoslawien scherte sich der Westen nicht um Demokratie oder wie Selbstbestimmung organisiert werden könnte, so dass sie zur größtmöglichen Freiheit der unterschiedlichen Identitäten in der größtmöglichen Einheit führen würde. Sondern er unterstützte einfach die prowestlichen Kräfte, um seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss zu vergrößern. Schal und rausch sind die antifaschistische Phrasen, die gegen Serbien in Stellung gebracht wurden, denn der ukrainische Nationalismus hat eine Traditionslinie zum Nationalsozialismus. Das qualitativ Neue: das passiert an den unmittelbaren Grenzen Russlands, das global nach wie vor den wichtigsten Opponenten der US-Weltordnung darstellt.

Die Bevölkerung der Ukraine geht dabei nicht nur wirtschaftlich vor die Hunde, sondern der Bürgerkrieg droht zu einem globalen Konflikt mit Russland zu werden – ein neuer kalter Krieg zum Erhalt des in der Krise befindlichen westlichen Herrschaftssystems, der auch in einen echten Krieg umschlagen kann.

Der jugoslawisch-serbische Widerstand war also ein Fanal für den Kampf gegen eine ungerechte und asoziale Weltordnung, die umgestürzt werden muss. Wieder und wieder versuchen es die peripheren Völker: nach den Palästinensern und Serben, sowie den Irakern und Afghanen ist nun die Revolte des Donbass an der Reihe. Hoffentlich können ihnen die Griechen bald zur Hilfe eilen.

Ehemalige Jugoslawisch-Österreichische Solidaritätsbewegung (JÖSB), die die täglichen Demonstrationen gegen die Nato-Bombardements mit organisiert hatte.