Aktion "Menschliches Schutzschild Österreich"

19.02.2003

Interview mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen

Heute (Mittwoch, 19.2.2003) reisen die ersten menschlicher Schutzschilde aus Österreich in den Irak.
Die kleine Gruppe setzt sich aus AktivistInnen zusammen, die aus sehr unterschiedlichen politischen und persönlichen Motiven dieser couragierten internationalen Initiative angeschlossen haben. Irmgard Hubauer hat mit Waltraud Schauer, einer 61 jährigen Pensionistin, Walter Ratley (22) einem Angestellten im Kulturbereich und Alexander Muth (57), einem langjährigen Aktivisten im antiimperialistischen Umfeld gesprochen.


Sie fahren am Mittwoch in den Irak um sich als lebendes Schutzschild gegen den drohenden Krieg zu stellen. Was waren Ihre Beweggründe, sich für eine derart drastische Aktion zur Verfügung zu stellen?

Waltraud Schauer:
Mein Motiv ist, mit allen Mitteln diesen Krieg zu verhindern. Ich war bisher noch nie in einer derartigen Form politisch aktiv. Aber seit Monaten schon frag ich mich, bin ich verrückt oder sind es die anderen. Als kleiner Nobody fühlt man sich so ohnmächtig, das hat mich so geärgert, dass ich mich zu diesem Schritt entschlossen habe. Meine Freunde meinen zwar, na ja, so kompromisslos müsse man auch wieder nicht vorgehen, aber irgendwas muss man ja tun. Auch wenn es nur eine kleine Geste ist, die wir hier setzen.

Walter Ratley:
Mir geht es vor allem um die Solidarität mit der irakischen Bevölkerung, die die ganze Last des Krieges und auch des Vernichtungsembargos, das schon 1,5 Millionen Menschen das Leben gekostet hat, zu tragen hat.


Was glauben Sie mit dieser Schutzschildmission erreichen zu können, und was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Funktion dieser Aktion?

Alexander Muth:
Das wichtige dieser Schutzschildmission ist, mit Mitteln der Öffentlichkeit gegen den Krieg, der die ganze Welt in Chaos zu stürzen droht, Stellung zu nehmen. Wir hatten bereits eine Vorsprache im Außenministerium, und wir haben in einer Petition gefordert, sich eindeutig und mit Nachdruck gegen militärische Überflüge und Durchfahrten, sowie gegen den Einsatz von Massenvernichtungswaffen, insbesondere von DU-Munition zu stellen. Denn es gibt Belege, dass die österreichische Regierung täglich Überflüge genehmigt, die nicht mit der Neutralität vereinbar sind. Darüber hinaus muss diese Aktion genutzt werden, unabhängige Informationen über das Kriegsgeschehen vor Ort und der tatsächliche Situation der irakischen Bevölkerung sammeln und über die Medien zu transportieren.

Walter Ratley:
Ich habe wenig Hoffnung, den Krieg verhindern zu können. Aber es ist wichtig, die Weltöffentlichkeit auf diesen Konflikt aufmerksam zu machen. Mit so einer Aktion wird die Tragödie dieses Kriegs für den Westen greifbar gemacht.
Dass wir jetzt so viel in den Medien herumgereicht werden, ist sehr wichtig für die Ziele der Schutzschildmission. Davon lebt die Sache. Deswegen mach ich auch mit, obwohl mir der Medienrummel eher unangenehm ist.

Es wird immer wieder argumentiert, dass solche Solidaritätsaktionen vor allem Saddam Hussein nützen? Haben Sie Angst, von seinem Regime für Propaganda missbraucht zu werden?

Walter Ratley:
Wir betonen ausdrücklich, dass es sich hier um eine Solidaritätsaktion mit der irakischen Bevölkerung und nicht mit dem Regime handelt. Ich sehe es auch als sehr wichtige Aufgabe unserer Aktion, Kritik am Regime mit hinein zu bringen. Doch das ändert nichts an der Ungerechtfertigkeit dieses Krieges.
Und es geht darum, die Mitverantwortung des Westens durch ihre jahrlange militärische und politische Unterstützung an Saddam Husseins Regime aufzuzeigen. Eine echte politische Befreiung kann nur von den IrakerInnen selbst getragen werden – und nicht von einem neuen Regime, das ihnen der Westen vor die Nase setzt.

Waltraud Schauer:
Das sind doch alles heuchlerische Motive. Es gibt genug Diktatoren auf der Welt, die von den USA massiv unterstützt werden.
Natürlich wäre es mir lieber wenn es Saddam Hussein nicht gäbe. So einen Kapazunder hatten wir schon einmal, und brauchen wir wirklich nirgendwo. Aber ich sehe nicht, was der Krieg in dieser Sache bewirken soll. Es gibt keine Argumente, die mich hier überzeugen würden. Man muss den IrakerInnen die Chance geben, von sich aus eine Demokratisierung zu schaffen.

Was müssten Ihrer Meinung nach für Schritte gesetzt werden, um diesem Konflikt beizukommen?

Waltraud Schauer:
Ich denke, letztendlich ist das eine Aufgabe, die nur von einer glaubhaften UNO gelöst werden kann.

Alexander Muth:
Notwendige erste Schritte sind für mich die absolute Beibehaltung der Souveränität Iraks und die sofortige Aufhebung des Embargos. Dann wird es wichtig sein, graduelle Veränderungen herbeizuführen, unter Einbeziehung, der irakischen nationalen Koalition als einzige derzeitige demokratische irakische Opposition. Jede erneuernde Kraft kann nur aus der irakischen Gesellschaft kommen.