Alle gewinnen im Baskenland und haben doch verloren

28.05.2003

…© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 26.05.2003

Im Baskenland fanden die Wahlen am Sonntag in einem unerklärten Ausnahmezustand statt. Die linke Unabhängigkeitsbewegung kann trotz ihres Ausschlusses als eigentlicher Wahlsieger in den Provinzen der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) und Navarra, das historisch zum Baskenland gehört, betrachtet werden.

Über 160.000 Menschen (mehr als 10 %) haben trotz Annullierung von 224 kommunalen Listen und der Plattform für das Selbstbestimmungsrecht (AuB) auf Provinzebene ihre Wahloption umgesetzt. Die Verbote, Beschlagnahme der Wahlzettel, etliche Verhaftung von Kandidaten, gewalttätige Auflösung von Wahlveranstaltungen und verprügelte Kandidaten konnten dies nicht verhindern. Eine "Garantiekommission" aus 3500 Gewerkschaftlern, Künstlern, Mitglieder sozialer Organisationen und Wahlbeobachtern aus der ganzen Welt haben dafür gesorgt, dass die annullierten Stimmen für diese Listen extra ausgezählt und nicht ungültig gewertet wurden. Im Hinblick auf die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen den Ausschluss ist dies wichtig. So war es verständlich, dass der ehemalige Batasuna Chef mit einem breiten Grinsen vor die Wähler trat und den doppelten Schock verkündete. Das die linke Unabhängigkeitsbewegung stärke bewiesen hat und die Fußballmannschaft von Donostia San - Sebastian (Real Sociedad) mit ihrem Auswärtssieg gestern ihren Vorsprung in der spanischen Liga zementiert hat. Es sieht danach aus, als würden die baskischen Kicker den bestbezahlten Real Madrid Spielern die Meisterschaft abnehmen. Vielleicht lässt Ermittlungsrichter Baltasar Garzà³n aber noch ein paar Spieler verhaften, weil sie ihre Sympathie für die Annullierten Listen bezeugt haben.

Wegen des Ausschlusses von fast 20 Prozent der Wähler, bezweifelten die Beobachter linker Parteien (Irland, Schottland, Italien, Südafrika ....) ob man hier im Baskenland von demokratischen Wahlen sprechen kann. Besonders weitin seiner Kritik ging der Sprecher der Kommunistischen Partei Südafrikas, Teil des ANC. Mazibuko Jara fühlte sich an die Zeit unter dem Apartheidregime erinnert. Mit Blick auf die Ausschlüsse und die Verhaftungen von Mitgliedern der Unabhängigkeitsbewegung vor den Wahlen sagte er, "dass vor 39 Jahren auch Präsident Nelson Mandela und Tausende Südafrikaner als Terroristen angeschuldigt im Gefängnis saßen". Schließlich wurde auch Batasuna vorgeworfen sie seien Terroristen
und landeten jetzt sogar auf der USA-Terror Liste, obwohl ein Nachweis, dass eine Verbindung zur ETA besteht nie erbracht wurde.

In Städten wie Hernani, Pasaia, Oiartzun.... war die jeweils annullierte Liste die meistgewählte. In kleinen Gemeinden, wie Aizarnazabar wurde sie zum Teil von mehr als 65 Prozent der Bevölkerung gewählt. Da in Städten wie Irun oder Hondarribia, wo sogar Listen der linken Unabhängigkeitsbewegung zugelassen waren, ist die Einschätzung noch schwieriger. Im letzteren Fall erreichte sie 16 Prozent. In 30 Gemeinden muss im Herbst neu gewählt werden, weil nach der Annullierung niemand "autorisiert" zur Wahl stand. Die moderaten Nationalisten erkennen an, dass sie in vielen Gemeinden mit Vertretern von annullierten Listen verhandeln müssen. Die Moderaten haben zwar gegenüber den Wahlen vor vier Jahren Gewinne erzielt, doch zu den baskischen Parlamentswahlen vor zwei Jahren fielen sie zurück. Das in einer Stadt oder einer Gemeinde ein Bürgermeister gewählt wird, dessen Partei nur 20 bis 25 Prozent der Stimmen bekommen hat, scheint ihnen auch etwas merkwürdig.

Da die Sozialisten (PSOE), aber besonders die Volkspartei (PP) im Baskenland stark verloren haben, konnten die moderaten Nationalisten ihre Position aber trotzdem ausbauen. Das Ziel der PP und der PSOE, die in der CAV als Block angetreten sind, haben sie erneut total verfehlt. Unter Ausschluss von fast 20 Prozent der Bevölkerung hatten sie gehofft, die Mehrheiten in den mächtigen Provinzräten und in Bilbao übernehmen zu können. Anscheinend müssen die beiden schon alle nationalistischen Parteien verbieten, um hier eine Mehrheit zu bekommen. Anteil an einer Abwehr des spanischen Nationalismus hat auch die Vereinte Linke (IU) gehabt, die zum Teil große Gewinne verzeichnen konnte. Die kommunistisch dominierte Koalition strebt nun, wie im baskischen Regionalparlament Bündnisse mit den moderaten Nationalisten an.

In der Provinz Navarra hat die Schwesterpartei der PP, die Volksunion Navarras (UPN) auch unter Ausschluss der Linksnationalisten ihr Ziel verfehlt eine eigene Mehrheit zu erreichen und ist auf einen Partner angewiesen. Theoretisch könnten eine Koalition aus fünf Parteien sie ablösen, was unwahrscheinlich ist. Hier hat die Liste Aralar, eine Abspaltung von Batasuna, mit fast sieben Prozent einen Erfolg erzielt. Die anderen Parteien haben zwar alle prozentual zugelegt, aber das ist der Gewinn davon, dass etwa 8 Prozent der Stimmen in Navarra als "annulliert" gelten.