Antiimperialismus und Antifaschismus sind untrennbar

01.07.2003

Warum wir Ibrahim Alloush als Revisionisten verurteilen, als
Opfer der Repression gegen die Unterstützer des irakischen Widerstands aber verteidigt
haben *

Vor rund zweieinhalb Wochen ist auf dieser Internetseite ein Artikel zur Verteidigung Dr. Ibrahim Alloushs erschienen, der wegen seines Engagements gegen den US-Krieg seines Lehrauftrags an der jordanischen Privatuniversität Petra verlustig gegangen war. Unmittelbar darauf wurden wir darauf hingewiesen, dass wir hier einen Holocaustleugner verteidigen.

Nach erfolgter Nachprüfung stellte sich heraus, dass Alloush tatsächlich mit aus dem Arsenal der europäischen Revisionisten entlehnten Argumenten das Ausmaß der Vernichtung der Juden durch die Nazis wesentlich zu verkleinern versucht. Diese Verharmlosung des Genozids an den Juden lehnen wir grundsätzlich und entschieden ab. Die Beweggründe Alloushs und sein Ziel sind jedoch vollkommen andere als jene der europäischen Revisionisten. Er nimmt einfach das zionistische Argument, der Holocaust würde ihnen das Recht auf Palästina geben, ernst und begegnet ihm nicht durch die Aufzeigung der falschen Verknüpfung, sondern durch das Leugnen des Faktums der Judenvernichtung selbst.

Daraufhin entfernte die Redaktion den Artikel mit einer Erklärung, dass wir keine revisionistischen Positionen dulden, so legitim der Kampf gegen die US-Herrschaft im arabischen Raum auch ist.

Mit Recht meinten in der Folge Stimmen von arabischer und antiimperialistischer Seite, dass es eurozentristisch wäre, die Dinge so einfach gleichzusetzen, und es bei diesen getroffenen Maßnahmen zu belassen. Nicht die Araber seien für den Holocaust verantwortlich. Denn selbst wenn es auch im arabischen Raum teilweise Feindschaft gegenüber Juden gebe, die zu bekämpfen sei, so sei diese doch keinesfalls mit dem europäischen Antisemitismus zu vergleichen (siehe unten). Andererseits gebe es eine konkrete und reale Verfolgung und Vernichtung des palästinensischen Volkes durch Israel und mit der Unterstützung der alles beherrschenden Weltmacht USA.

Nach eingehender Debatte haben wir uns zu folgender Stellungnahme entschlossen, die uns für die gesamte Friedens-, Antiglobalisierungs- und antiimperialistische Bewegung für wichtig erscheint:

1) Auf absehbare Zeit besteht keine Gefahr des Wiederaufstiegs des Nationalsozialismus und des mit ihm verbundenen Antisemitismus. Die Hauptgefahr für die Völker der Welt und insbesondere die nach Milliarden zählenden armen Massen besteht in der Weltherrschaft der USA und ihrer europäischen Verbündeten, die Ausbeutung, Unterdrückung und Verweigerung der Selbstbestimmung bedeutet. Unterscheidet sich der Nationalsozialismus in vielerlei Hinsicht vom gegenwärtig herrschenden liberalistischen Amerikanismus (die heutigen rassistischen Kolonialisten operieren unter Berufung auf Individualismus und Demokratie, nicht mit einer dem nationalsozialistischen Rassenwahn vergleichbaren Vernichtungsideologie), so ähneln sie sich in ihrem unbedingten Anspruch auf die Weltherrschaft und dem Versuch der militärischen Unterwerfung der Welt. Die dabei hinterlassene Blutspur reicht von Hiroshima über Lateinamerika zum Völkermord in Vietnam und im arabischen Raum.

2) So wie es damals einer antifaschistischen Front bedurfte, müssen wir auch heute all jene, die gegen den Imperialismus kämpfen, unterstützen und zusammenfassen. Dabei ist entscheidend, dass die ausgebeuteten Klassen der Welt sich in Bewegung setzen, denn sie sind die einzigen, die dem Imperialismus etwas entgegensetzen können.

3) Dabei dürfen wir nicht verlangen, dass die antiimperialistischen Bewegungen überall den Schemata der europäischen Aufklärung folgen, deren reifstes Produkt der Kommunismus ist. Lange Zeit erschien die kommunistische Bewegung als Ehrenrettung des Westens, quasi als dessen gute Seite gegenüber jener imperialistischen. Doch nun ist vom Westen, trotz vermeintlich aufklärerischen humanistischen Phrasen, nur mehr der Imperialismus übrig. Es scheint, als würde der Westen die Aufklärung verteidigen, während die antiimperialistischen Kräfte antiaufklärerisch diesen bekämpfen würden. Doch unter der Oberfläche sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Die Armen, die heute mit antiaufklärerischen Parolen und Methoden gegen die Reichen, die sich mit den Lorbeeren der Aufklärung schmücken, vorgehen, sind historisch die einzigen, die konsequente Aufklärung gegen ihre westlichen Zerstörer durchsetzen können.

Daher müssen wir alle Kräfte unterstützen, die real gegen den Imperialismus kämpfen, so fern sie uns in ihren Ideen auch stehen mögen. Das gilt für die islamistischen Volksbewegungen genauso wie für Linke wie Ibrahim Alloush, die in ihrer Verzweiflung der zionistischen Aggression mit reaktionären und falschen Argumenten begegnen wollen. Mag sein, dass für einen guten Teil der gewendeten deutschsprachigen Linken der Holocaust noch immer Dreh- und Angelpunkt jeglicher Politik ist.. Diese "Linke" hat es auch betrieben, dass das Phänomen des Nationalsozialismus von Kapitalismus und Imperialismus abgekoppelt und mythologisiert wird. Sie hat es zulassen, dass der späte geheuchelte Antifaschismus der Bourgeoisie, die die Verantwortung für den Faschismus trägt, akzeptiert und so zur Herrschaftsideologie erhoben werden konnte. Somit ist es nichts als proimperialistischer Eurozentrismus, die arabische Befreiungsbewegung unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Man muss falsche Positionen kritisieren und auch verurteilen, aber das kann kein Vorwand dafür sein, die notwendige Solidarität zu verweigern.

5) Es ist viel von der arabischen Bewegung verlangt, die allerdings notwendige Unterscheidung zwischen Juden und Zionisten zu erkennen und zu treffen, von einer arabischen Bewegung, die sich mit einer derart einheitlichen Unterstützung Israels durch die USA, die EU und leider auch einen guten Teil der jüdischen Institutionen in aller Welt konfrontiert sieht. Es ist besonders viel verlangt, eine Unterscheidung zu treffen, die Israel selbst zudem mit allen Mittel zu verhindern sucht. Trommelt nicht der Zionismus seit einem Jahrhundert, dass Juden und Zionisten ident seien? Darin ist der Hauptgrund für die gelegentliche Übernahme europäischer antisemitischer Ideologeme zu suchen. Denn unter solchen Voraussetzungen kann es nicht verwundern, wenn auf der Ebene der breiten Massen und auch in der arabischen Intelligenz die israelischen kolonialen Verbrechen mitunter "den Juden" unterstellt werden. Doch um so größer ist das Verdienst der arabischen Widerstandsbewegung, in ihrer Mehrheit diese Unterscheidung auch getroffen zu haben, und um so wichtiger sind die mutigen jüdischen Stimmen, die sich auf die Seite der Palästinenser stellen und dafür von den Zionisten als Antisemiten verleumdet werden.

Der Zionismus sucht sich durch die Vereinnahmung des Judentums den Anschein von Legitimität zu geben. Indem er vorgibt, den Alleinvertretungsanspruch zu besitzen und im Namen aller Juden zu handeln, versucht er seine Gegner und Kritiker zum Schweigen zu veruteilen. Aus einer Position der tatsächlichen Schwäche der Widerstandskräfte scheinen sich dann europäische antisemitische Stereotype anzubieten. Aber obwohl es feststellbare Übernahmen gibt, so findet sich noch lange kein Grund, von etwas wie einem "arabischen Antisemitismus" zu sprechen. Bei der arabischen Befreiungsbewegung handelt es sich um eine antikoloniale Bewegung in einer tiefen politischen, ideologischen und kulturellen Krise, die sich nichtsdestotrotz mutig einem übermächtigen Feind entgegenwirft. Nur wenn sie von demokratischen Kräften im Westen unterstützt wird, können im Übrigen auch sozialistische Ideen in ihr wieder vermehrt Fuß fassen
Es sollte eigentlich nicht erwähnt werden müssen, dass die Antiimperialisten und Kommunisten die eigentlichen Antifaschisten sind, denn sie waren diejenigen, gegen die der Nationalsozialismus vom Kapital an die Macht gelassen wurde und die auch als einzige wirklich gegen ihn kämpften. Die Losungen "Niemals vergessen" und "Wehret den Anfängen" richteten sich gegen den Kapitalismus, dem niemals mehr ein solches Blutbad gestattet werden sollte. In ihrer einzig möglichen universalistischen Interpretation bedeuten sie, dass jeder Antifaschist heute auf der Seite der Araber gegen Israel und die USA stehen muss. Jede andere Deutung ist eine Beleidigung der Opfer des und vor allem der Kämpfer gegen den Faschismus.

In diesem Sinn verteidigen wir alle antiimperialistischen Kräfte, einschließlich Ibrahim Alloushs, während wir reaktionäre Einflüsse in der antiimperialistischen Bewegung, wie beispielsweise die Verkleinerung oder Leugnung der Vernichtung der Juden durch den Nationalsozialismus, als Erben ihrer Opfer verurteilen und bekämpfen.

Antiimperialistische Koordination
18. Juni 2003

* Der Untertitel des Artikels wurde am 25.5.2008 von der
Redaktion geringfügig abgeändert. Das schien angesichts der mit rationalen
Argumenten nicht beizukommenden Verleumdungskampagne, die in manipulativer
Absicht ein Teilargument unerschütterlich als das Ganze darstellt und unsere ausdrückliche
und dezidierte inhaltliche Distanzierung von Alloushs Position zum Holocaust
par tout nicht hören will, notwendig.