Für das Recht auf Widerstand!

09.01.2004

von Initiativ e.V., Duisburg

"Im Fall von Irak haben wir es mit einem neokolonialen Krieg zu tun, mit dem sich die US - Aggressoren des Öls bemächtigen wollen, dessen rechtmäßiger Besitzer allein das irakische Volk ist. Parallelen dazu gibt es auf dem amerikanischen Kontinent: Auch hier versucht Washington mit seinen Militärplänen und Freihandelsabkommen die Kontrolle über die Reichtümer zu erlangen und die Bevölkerung noch mehr als bisher auszubeuten. Auch in Lateinamerika stehen die Ölreserven im Visier des nordamerikanischen Imperiums, mehr aber noch das Gas , die Kohle und die biologischen Ressourcen der Region. In Anbetracht dieser offensichtlichen Interessen wäre die Gegenwehr der Menschen in allen betroffenen Ländern ebenso wichtig, wie eine internationale Koordination dieses Widerstandes." (1)

Der gerechte Widerstand eines Landes gegen einen Angriffskrieg bzw. die anschließende Besatzung bezieht seine politische Legitimation aus der Tatsache, dass er die unmittelbaren Interessen auf nationale und damit soziale und politische Unabhängigkeit verteidigt. Nur im Rahmen einer nationalen Souveränität -frei von Ausbeutung und Unterdrückung durch eine kolonialistische bzw. imperialistische Macht - kann die Bevölkerung eines Landes frei über die politischen Geschicke entscheiden. Auf dieses Recht haben sich viele Millionen Menschen bezogen in ihren Kämpfen in Korea, Kuba, Algerien, Namibia, Vietnam, um nur einige zu nennen. Sie haben es zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Mitteln und Wegen umgesetzt. Und auch die Verluste, gemessen an der Zahl der Toten, der Verstümmelten, der Verletzten und der Grausamkeiten, die gegen sie angewandt wurden haben sie nicht davon abhalten können ihren Kampf gegen imperialistischen Krieg und Besatzung zu führen. Sie sahen sich zu Recht in der sozialen, kulturellen, nationalen oder gar kontinentalen Tradition ihrer Vorfahren, welche gegen die kolonialistische Ausbeutung und Unterdrückung gekämpft hatten. Es war und ist der Kampf der Weltbevölkerung gegen die imperialistische - eine auf sozialer und politischer Ungleichheit basierende - Weltordnung. Während dieser Prozess bis Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erfolgreich verlief, fand er spätestens mit dem Untergang der bipolaren Weltordnung sein Ende. Dieses Ende wurde 1991 eingeläutet, mit dem Krieg aller westlichen imperialistischen Staaten unter der Führung der USA gegen die Republik Irak. Und es dauerte kein Jahrzehnt bis zum nächsten imperialistischen Angriffskrieg in gleicher Konstellation, dem Krieg gegen die Republik Jugoslawien 1999. In immer kürzeren Abständen wurden zuerst Afghanistan 2001 und dann der Irak bombardiert und besetzt. Während sich der Widerstand jeweils unterschiedlich entwickelt, gewinnt er aber erst in Irak relevanten Charakter und fügt den Angreifern und Besatzertruppen schmerzhafte Niederlagen zu - so, dass die wichtigste kriegsführende Macht ernsthaft über eine Internationalisierung und Irakisierung der Besatzungstruppen nachdenken muss. Der Widerstand, welcher sich wie ein Fisch im Wasser bewegen kann, entfaltet seine Aktivität gegen jene bewaffneten Truppen und Handlanger des westlichen Imperiums, die jede Ablehnung einer Unterordnung als Gegnerschaft interpretieren und je nach Ort und Zeit mit Unterdrückung oder Tod beantworten. Wer Widerstand dagegen ablehnt, der oder die landet auf der Seite von Menschenrechtskriegern wie Josef Fischer oder Zivilisationsverteidigern a la Berlusconi, und rechtfertigt damit Chauvinismus und Rassismus.

Die verschiedenen Formen des Widerstands

Selbstverständlich ist es die Entscheidung der sich im Widerstand gegen Krieg und Besatzung befindlichen Personen, Gruppen und Parteien, welche Form des Widerstandes sie wählen. Sie können am besten einschätzen, was unter den gegebenen Verhältnissen, die für sie beste und auch sinnvollste Art des Widerstands ist. Und natürlich ist es unser Recht und unsere Pflicht dies zu kritisieren. Aber unser Recht ist es nicht, dem Widerstand vorzuschreiben, was er zu tun und vor allem zu unterlassen hat. Dies wird im Moment am vehementesten von den sich auf den Pazifismus a la Gandhi beziehenden Teilen der deutschen Friedensbewegung getan. Sie nehmen nicht nur in Anspruch als die Friedensbewegung zu sprechen, sondern gebaren sich in chauvinistischer Manier gegenüber dem irakischen Widerstand, wie der Westen gegenüber dem Islam als solchen. Wer ihrem ideologischen Diktat nicht folgt, dem wird gleich jeder Humanismus(2) abgesprochen, und landet quasi sofort an der Seite der Kriegstreiber. D.h. nichts anderes als Faschismus und Antifaschismus, Kolonialismus und Antikolonialismus gleichzusetzen und ist nichts anderes, als eine neue Totalitarismustheorie im Dienste der Verteidiger der Neuen Weltordnung, die eine imperialistische Weltordnung ist. Dass sich jene Pazifisten dann auch öffentlich an der Seite der Besatzer wiederfinden offenbart sich dann ,wenn der Bundessprecher des DFG - VK im Interview(3) mit der jw vom 24.12.03 äußert: " Da die USA vorgeben, nunmehr den Übergang zu einer vom irakischen Volk gewählten Regierung leisten zu wollen, sehe ich das Recht auf militärische Selbstverteidigung als nicht gegeben an." Weil also die Besatzer versprechen, unter der Besatzung "freie" Wahlen abzuhalten, gebe es kein Recht auf militärischen Widerstand. Alle antikolonialen Kämpfe hätten nach dieser Logik nicht stattfinden müssen, hätten es die Widerstandsbewegungen nur verstanden, "freie" Wahlen unter der Besatzung abzuhalten. Das ist offensichtliche Propaganda im Dienste der Angriffskrieger!

Dagegen hat schon J.P. Sartre 1965 zu Recht in seiner Rede vor dem Weltfriedenskongress geäußert:

"Es gibt keinen Menschen, der nicht der Sache der Vietnamesen dienen müßte wie seiner eigenen und wie der Sache des Friedens. Es wäre unsinnig zu behaupten, wie manche Zeitungen es taten, daß auch wir - indem wir den Vietnamesen mit allen Mitteln helfen, die Amerikaner aus Vietnam zu verjagen - uns für die eine der kriegsführenden Seiten gegen die andere entschieden und folglich Krieg führten. In Wahrheit ist heute die einzige Ursache des Krieges der Imperialismus und solange ein Land durch Gewalt einem anderen Land unterworfen ist, bleibt die Drohung eines weltweiten Konfliktes bestehen. Wir entscheiden uns für niemanden, aber als Menschen des Friedens befinden wir uns auf natürliche Weise an der Seite derer, die dafür kämpfen eines Tages mit Stolz arbeiten zu können und eine Familie grünen zu wollen, ohne Furcht, daß die Kinder, die sie in die Welt setzen, einem blutigen Tod oder dem Elend geweiht sind. Diese Unabhängigkeitskriege, die die unterdrückten Völker auf ihrem Boden führen - weil sie dazu gezwungen werden-, ohne jeden Eroberungsgeist, allein aus dem Willen, den Eindringling zu verjagen, diese Widerstandskriege - 1940 nannte man bei uns die Partisanen Widerstandskämpfer, und dieses schöne Wort zeigt hinreichend, daß die Gewalt zunächst nicht von ihnen ausging -, diese Kriege wenn man sie gewinnt, beseitigen eine Quelle von Konflikten..." (4)

Die Militarisierung der irakischen Gesellschaft hat mit dem Krieg einen extraordinären Schub bekommen, welcher bekannterweise mit der Bombardierung durch die USA und ihrer Koalition der Willigen begann. Auch schon vor Kriegsbeginn war der Irak Zielscheibe imperialistischer Aggression. Erinnert sei an die permanenten illegalen Angriffe und das tödliche Embargo, welches mehr als einer Millionen Menschen das Leben gekostet hat.

Die Brutalisierung der Auseinandersetzung wird durch das ständige Anwachsen des Widerstandes insgesamt zunehmen, gleichgültig in welcher Form er sich äußert. Wer allerdings guten und bösen, friedlichen und militärischen Widerstand auseinanderdividiert, der wird letztlich nur die Spaltung desselben erreichen. Zur möglichst schnellen Beendigung der Besatzung ist es aber dringend von Nöten, sowohl alle Formen des Widerstands, als auch alle verschiedenen Teile der irakischen Gesellschaft zu vereinen. In diesem Sinne kann eine Distanzierung von allen nicht - friedlichen Mittel des Widerstandes, und die Diskreditierung des militärischen Widerstandes als Terrorismus(5) nur als Angriff auf den Widerstand interpretiert werden. Wir jedenfalls werden dieses Recht auf Widerstand, egal wie auch immer es sich äußert, ob friedlich oder militant, verteidigen. Es ist nicht nur völkerrechtlich gedeckt, auch wenn Leute wie Grässlin wider besseres Wissen das Gegenteil behaupten, sondern es ist und bleibt das Recht einer und eines jeden, sich gegen Besatzung zur Wehr zu setzen.

Die Kampagne

Indem wir den Kampf für einen unabhängigen Irak unterstützen, schaffen wir erst die Voraussetzungen für eine demokratische Entwicklung, die es der irakischen Bevölkerung ermöglichen soll, den Reichtum des Landes gerecht zu verteilen. In diesem Sinne führt der irakische Widerstand einen gerechten Kampf, der die Unterstützung derjenigen braucht, die am 15.2.2003 auf die Straße gegangen sind, um gegen den Krieg zu demonstrieren.

Indem wir jene Kräfte unterstützen, welche sich vor mehr als 10 Jahren in der Irakischen Patriotischen Allianz zusammengeschlossen haben, legen wir den Grundstein, um eine demokratisch - antiimperialistische Perspektive zu ermöglichen.

Dabei ist es vor allem wichtig, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie die Besatzerarmeen und ihre Helfershelfer den Widerstand zu zerstören versuchen. Auf welche Weise die Besatzer und die sie unterstützenden Kräfte die Medien benutzen, um der internationalen Öffentlichkeit ein Bild zu vermitteln, dass die Besatzer als Befreier darstellen soll. Auf oft verschlungenen Wegen gelangen Informationen wider die gezielte Desinformation zu uns, sie sind wichtige Instrumente, um den wahren Charakter und Ziele des Krieges offen zu legen.

Indem wir uns gegen die Diskreditierung des Widerstandes wehren, verteidigen wir nicht nur die Widerstandskämpfer, sondern auch das Völkerrecht. Gelingt es den Besatzern, ihren Medienapparaten und ihren Unterstützern im Westen selbst, den Widerstand zu diskreditieren, so schafft dies aktuell die Vorraussetzungen, um das Völkerrecht endgültig zu zerstören, wie es vor kurzem vom amtierenden Ratspräsidenten Berlusconi(6) vorgeschlagen wurde. Die erfolgreiche Verteidigung des Völkerrechts bedarf einer weltweiten Kampagne zur Unterstützung des Widerstands. Zur vollen Geltung bringen kann dies allerdings nur der Widerstand im Irak mit der Vertreibung der Besatzer und der Wiederherstellung der nationalen Souveränität.

Die internationale Dimension

"Das übergreifende Ziel der Nationalen Sicherheitsstrategie (NSS) der USA ist nicht der Kampf gegen terroristische Gruppen oder Staaten, sondern der Erhalt und Ausbau der Ungleichheit zwischen Amerika und dem Rest der Welt und die Vollendung der weltweiten Durchsetzung des amerikanisch dominierten Modells," schreibt Rainer Rilling in seinem Artikel "American Empire" als Wille und Vorstellung.(7) Dieses in der Tat anspruchsvolle Programm setzt die derzeitige US - Administration u.a. mit militärischer Präsenz auf den Phillipinen, Kolumbien, im Kaukasus, in Afghanistan und schließlich vor allem in Irak um. Die weltweite Militärpräsenz der USA auf allen Kontinenten, um jederzeit an jedem Ort auch wirklich interventionsfähig zu sein, zwingt jede bedeutende Kraft sich auf eine möglichen kriegerischen Konflikt entsprechend vorzubereiten. " Aufgrund der globalen Natur unserer Interessen und Verpflichtungen, müssen die USA ihre militärische Präsenz in Übersee sowie die Fähigkeit, schnell weltweit Macht ausüben zu können, erhalten, um eine Dominanz auf allen Gebieten zu erlangen." (8)

Diese klar definierten Ziele sind nicht nur Ausdruck der Bush - Regierung, sondern in wesentlichen Teilen auch schon unter der Präsidentschaft von Clinton erarbeitet worden. Das bedeutet im Falle eines Wechsels in der politischen Administration in keinem Fall einen Wechsel der Strategie der USA. Neben dem Kampf gegen die sogenannten "Schurkenstaaten" hat der "Krieg gegen den Terror" oberste Priorität. In über 60 Länder müsste dieser Krieg geführt werden. (9) Das ist eine klare programmatische Aussage. Und erst in diesem Zusammenhang wird die Bedeutung des irakischen Widerstandes im Allgemeinen, wie im Konkreten klar. So wie es zum einen gelingt die bedeutendste Streitmacht der Welt zu absorbieren, schafft es Freiräume für viele Bewegungen und Staaten, insbesondere in der sogenannten 3.Welt. Ist heute der Überlebenskampf schon schwierig genug, ist der Abwehrkampf gegen den Zwang neoliberale Reformen im Sinne von IWF und Weltbank durchzuführen, kaum mehr durchführbar. So werden alle, die aus diesem Kreislauf ausscheren bzw. diesem nicht folgen wollen, bedroht: Sperrung von Krediten, Aussetzung des Handels, politische Isolierung und schließlich Krieg. Zumindest dem letzteren ist die USA heute nicht in der Lage. Alle anderen imperialistischen Mächte werden erst einmal angehalten, sich an der Besatzung im Irak zu beteiligen, um den Sieg der USA zu sichern. In diesem Sinne steht der irakische Widerstand heute de facto Seite an Seite mit den Kämpfen in Asien, Afrika und Lateinamerika um Selbstbestimmung und gegen imperialistische Ausbeutung und Unterdrückung. Sollte es dem irakischen Widerstand gelingen, über mehrere Jahre diese sich zunehmend internationalisierende Streitmacht zu binden, so würde dies dem Westen unter seiner Führungsmacht USA weitgehend verunmöglichen, weitere Länder anzugreifen bzw. in vorhandene Konflikte militärisch einzugreifen. Hierfür ist nicht nur die internationale Solidarität mit dem Widerstand im Irak von Nöten, sondern vor allem die Entwicklung des Bewusstseins für diesen. Sollte es darüber hinaus in einem nicht absehbaren Zeitraum gelingen, die Besatzer aus dem Irak zu vertreiben, so ist dies sicher der Anfang vom Ende der Neuen Weltordnung unter der unumschränkten Vorherrschaft der USA. "Die unsichtbare Hand des Marktes wird nie ohne die versteckte Faust funktionieren - McDonalds kann nicht ohne McDonell Douglas, den Produzenten der F-15, gedeihen. Und die versteckte Faust, welche die Welt für Silicon Valleys Technologien schützt, heißt US Army, Air Force, Navy und Marine Corps." (10)

Wer also ernsthaft an eine Alternative zur kapitalistischen Weltordnung denkt, der kommt nicht um die Frage umhin, wie die politische Gleichheit der Staaten und der Völker aussehen soll im Kampf für eine andere Weltordnung. Ausgehend von den konkreten Bedingungen der neoliberalen Globalisierung und ihren verheerenden Konsequenzen für die übergroße Mehrheit der Menschen auf diesem Erdball kann und muss der Weg über die Verteidigung bestehender internationaler Rechte geführt werden. Wer von Antikapitalismus redet, der kommt nicht umhin die Ungleichheit in den internationalen Beziehungen nicht nur in Form des internationalen ungleichen Tausches zu kritisieren, sondern gleichermaßen den imperialistischen Charakter der Kriege anzugreifen: "Der Krieg ist gewissermaßen das multilaterale Investitionsabkommen der letzten Instanz,... Er zerstört physisch, was durch Deregulierung, Privatisierung und Erzwingung von `Marktreformen` noch nicht zerstört wurde"(11)

Die Verteidigung des Rechtes auf Widerstand, wie auch das Recht auf nationale Selbstbestimmung und Souveränität ist heute - mehr denn je - ein entscheidender Beitrag im Kampf gegen Krieg und für eine andere Weltordnung.

Wer von Imperialismus nicht reden will, soll vom Frieden schweigen!

Thomas Zmrzly

Initiativ - Demokratie und Kultur von unten e.V.

www.antifakomitee.de

(1) Marquez Ivan, Mitglied des Sekretariats der Revolutionären Streitkräfte
Kolumbiens - Armee des Volkes (FARC-EP), jW Nr.249, 25./26.10.03, Interview
S.4
(2) Grässlin Jürgen,
http://www.dfg-vk.de/home/php/anzeigen.php?index=129&bereich=Presse
(3) Grässlin Jürgen, Widerstand gegen den Irak: Gewaltlos wie damals in
Indien?, jW Nr. 298, 24.12.03, S. 3
(4) Sartre Jean - Paul, Was sich für uns in Vietnam entscheidet?, S.86,
Reinbek bei Hamburg 1995
(5) Grässlin Jürgen,
http://www.dfg-vk.de/home/php/anzeigen.php?index=129&bereich=Presse
(6) Berlusconi Silvio,
(7) Rilling Rainer, "American Empire" als Wille und Vorstellung, RLS
Standpunkte, 9/02
(8) Joint Vision 2020, The White House, 1996/2000
(9) Rupp Rainer, Bush warb für neue Angriffe,
www.jungewelt.de/2002/06-04/004.php
(10) Friedman Thomas, New York Times, 28.3.99
(11) Chossudovsky Michel, Global brutal, S.34