Die Verdächtigung

08.02.2002

Ein Gedicht von Erich Fried

Als ich dich verteidigt hatte
Leila Khaled
im SPIEGEL und im GUARDIAN
gegen die Flüche und Lügen
von Zionisten und westlichen Demokraten
da kamen die Drohbriefe
und Telefonanrufe
mit Schimpfworten und
mit obszönen Verdächtigungen

und wahrscheinlich doppelt so viele
weil ich Jude bin
als Kind vom Hitlerfaschismus
aus meiner Heimat vertrieben
und deshalb nach Meinung der Schimpfer
ein Zionist sein müßte
statt heute Partei zu nehmen
für das vertriebene Kind
Leila Khaled

Unter denen am Telefon
mit geifernden Stimmen
war auch ein Zionist
der sagte der Fall sei ihm klar
ich müsse dich
Leila Khaled
offenbar lieben
und Tag und Nacht an dich denken
Da wurde ich zornig
und hieß ihn zum Teufel gehen
und legte den Hörer auf

Doch er hat recht gehabt
denn ich liebe dich wirklich
dich Leila Khaled
die ich nie gesehen habe
und wahrscheinlich nie sehen werde
und ich denke an dich
Denn dem Haß der Unterdrücker
gegen die die sich wehren
und dennoch weiterleben
und gegen sie zeugen
wirft sich die Liebe entgegen
der aufstehenden Unterdrückten
zu allen Unterdrückten in allen Ländern
die kämpfen mit vielerlei Waffen
den einen Kampf.