"Ich habe ihnen in der Mitte des Lagers ein Stadion gemacht""

20.09.2002

Es spricht der Baggerfahrer von Jenin

Mosche Nissim, mit Spitznamen "Dovi Kurdi", der D-9 Fahrer, der zum Terror der Bewohner des Flüchtlingslagers Dschenin wurde, spricht ohne Einschränkungen über seine ruhmreiche Zeit.

Ich kam nach Dschenin, getrieben vom Wahnsinn, von Verzweiflung, ich wusste, dass ich nichts zu verlieren hatte. Selbst wenn es mich erwischt, keine große Sache. Ich sagte meiner Frau: "Wenn mir etwas zustößt, dann bist du wenigstens versorgt."
Ich begann meinen Reservedienst in einer schlimmen Situation. Wahrscheinlich war mir deshalb alles völlig egal – Sprengladungen und Kugelhagel.
Seit eineinhalb Jahren war mein Leben völlig in der Scheiße. Seit fast einem halben Jahr war ich von meinem Dienst als Oberinspektor der Jerusalemer Stadtbehörde suspendiert. Sie sagten, dass ich Schmiergelder genommen hätte. Seitdem bin ich suspendiert. Meine Frau wurde ebenfalls rausgeworfen und ich muss vier Kinder erhalten.
Dies war nicht der erste Schlag. Ein paar Monate vorher war ich schlimm am Rücken verletzt worden, meine Frau wurde entlassen und mein Sohn war überfahren worden und musste operiert werden um sein Bein zu retten.
Ich hatte 16 Jahre in der Reserve gedient und war ein Nichtsnutz gewesen, hatte nur Probleme gemacht. Während meines Grundwehrdienstes wurde ich immer wieder mit Arrest bestraft, weil ich mich weigerte Fahrzeugelektriker zu sein. Auch in meiner Einheit, bei den Bulldozern, sollte ich Elektriker sein, aber tatsächlich machte ich nichts, trieb nur Blödsinn.

Die Prüfung

Das Lustige daran ist, dass ich überhaupt keine Ahnung hatte, wie man den D-9 bedient. Ich war nie Fahrer gewesen. Aber ich bat sie, mir eine Chance zu geben, es zu lernen. Bevor wir in Sichem (Nablus) einrückten, bat ich ein paar von den Kollegen es mir zu zeigen. Sie saßen mit mir zwei Stunden zusammen. Sie zeigten mir, wie man vorwärts fährt und wie man eine Fläche platt macht. Ich setzte mich mit einem Freund, mit einem Jemeniten, in den D-9. Ich ließ ihn eine Stunde lang arbeiten und dann sagte ich: "OK, ich hab´s kapiert."

Die Fahne

Als wir ins Lager kamen, waren die D-9 schon dort. Sie waren aus Sichem (Nablus) gebracht worden. Ich bekam den großen D-9-L, ich und der Jemenite, mein Partner. Als Allererstes befestigte ich die Fahne der Betar-Mannschaft. Ich hatte sie schon vorbereitet. Ich wollte, dass die Familie mich erkennen konnte. Ich sagte der Familie und den Kindern: "Ihr werdet meinen Bulldozer im Fernsehen sehen. Wenn ihr die Betar-Fahne seht – das bin ich." Und so war es auch.
Jetzt verstehen Sie, warum die Betar-Fahne auf dem Bulldozer in Dschenin war. Jemand sagte mir, der Kommandeur wollte, dass ich die Fahne wegnehme. Sicher nicht. Wenn ich etwas zu sagen gehabt hätte, wäre eine Betar-Fahne auf der Moschee im Lager gewesen. Ich versuchte den Golani-Offizier zu überreden, dass er mich dorthin lässt um sie aufzuhängen, aber er lehnte es ab. Er sagte, ich würde erschossen, wenn ich es tun würde. Schade.

Hinein

In dem Moment, als ich mit dem Bulldozer ins Lager fuhr, passierte in meinem Kopf etwas. Ich wurde wahnsinnig. Die ganze Verzweiflung über meine persönliche Situation verschwand sofort.
Bei meinem ersten Auftrag – eine Schneise in das Lager zu schlagen – verstand ich, was das für eine Hölle war.
Mein erster Auftrag war freiwillig, den Soldaten Essen zu bringen. Sie sagten mir: "Die einzige Möglichkeit, Essen hineinzubringen, ist mit dem D-9." Sie hatten zwei Tage nichts gegessen. Man konnte seine Nase nicht hinausstrecken. Ich füllte den Bulldozer bis zum Rand und fuhr bis zum Eingang ihres Postens, damit sie keinen Schritt aus dem Unterstand machen mussten. Ein Schritt war genug um einen Arm oder ein Bein zu verlieren.
Man konnten nicht sagen, wo die Sprengladungen waren. Sie hatten Löcher gegraben und Ladungen verlegt. Man fuhr los und stieß auf ein 10-cm-Rohr, an beiden Enden zugeschweißt. Wenn man es berührt, fliegt es in die Luft. Überall waren solche Fallen, sogar die Wände der Häuser. Wenn man sie berührte, flogen sie in die Luft.
Mir, im D-9, war das egal. Ich kümmerte mich nicht darum. Man hörte nur die Explosionen. Selbst 80 kg Sprengstoff rüttelten nur an der Schaufel des Bulldozers. Er wiegt dreieinhalb Tonnen. Er ist ein Monster. Ein Panzer kann von unten getroffen werden. Die Unterseite ist empfindlich. Mit dem D-9 muss man nur auf die RPGs (Panzerfaust/Raketenwerfer) oder 50 kg Sprengstoff auf dem Dach aufpassen. Aber daran dachte ich nicht. Das einzige, was zählte, war dass die Soldaten sich nicht für Essen und Trinken in Gefahr bringen.
Ich liebte diese Kinder und war bereit mit meinem Bulldozer alles zu tun, wonach sie verlangten.
Wissen Sie, wie ich 75 Stunden lang ausgehalten habe? Ich bin nicht aus dem Bulldozer gestiegen. Ich wurde nicht müde, weil ich die ganze Zeit Whisky trank. Ich hatte stets eine Flasche im Bulldozer. Alle anderen nahmen Kleidung mit, aber ich wusste, was mich erwartete und so nahm ich Whisky und etwas zu Essen mit.

Die Reinheit der Waffen

"Einen Zugang herstellen" – was bedeutet das? Man zerstört Gebäude, auf beiden Seiten. Anders geht es nicht, denn der Bulldozer war viel breiter als ihre Gassen. Aber ich suche nicht nach Rechtfertigungen oder so. Man muss sie wegrasieren. Ihre Häuser zu zerstören war mir völlig egal, denn das rettete unseren Soldaten das Leben. Ich arbeitete dort, wo unsere Soldaten abgeschlachtet wurden. Deshalb war es mir scheißegal alle diese Häuser zu zerstören – und ich zerstörte eine Menge. Schließlich baute ich ihnen das Teddy-Stadion dort.
Schwierig? Keineswegs. Sie scherzen wohl. Ich wollte alles zerstören. Ich bat die Offiziere über Funk, alles niederreißen zu dürfen, von oben bis unten. Alles platt machen. Nicht dass ich töten wollte. Nur die Häuser. Wir taten denen nichts, die mit weißen Fahnen aus den Häusern kamen, die wir zu zerstören begannen kamen. Wir gingen nur gegen die, die kämpfen wollten.
Niemand verweigerte einen Befehl, ein Haus zu zerstören. Das gab es nicht. Wenn man mich anwies, ein Haus zu zerstören, dann nutzte ich die Gelegenheit noch mehr Häuser zu zerstören; nicht weil ich es wollte – aber wenn man ein Haus zerstören muss, stehen normalerweise andere im Weg, es geht nicht anders. Ich hätte es tun müssen, auch wenn ich nicht gewollt hätte. Sie standen einfach im Weg. Wenn ich ein Haus zerstören musste, hätte ich es getan, egal was passiert wäre. Und glauben Sie mir, wir haben zu wenig zerstört. Im ganzen Lager waren Sprengladungen. Wir haben den Palästinensern sogar das Leben gerettet, denn wenn sie in ihre Häuser zurückgekehrt wären, wären sie in die Luft gegangen.
Drei Tage lang zerstörte und zerstörte ich. Das ganze Gebiet. Jedes Haus, aus dem geschossen wurde, wurde niedergerissen. Und um es niederzureißen, zerstörte ich noch ein paar andere. Sie wurden über Lautsprecher gewarnt aus den Häusern zu kommen bevor ich kam, aber ich gab niemandem eine Chance. Ich wartete nicht. Ich stieß nicht erst einmal an und wartete dann, bis sie herauskamen. Ich rammte einfach die Häuser mit voller Kraft, um es so schnell wie möglich zum Einsturz zu bringen. Ich wollte noch die anderen Häuser drankriegen. So viele wie möglich. Andere haben sich vielleicht zurückgehalten, oder behaupten das zumindest. Wen wollen sie auf den Arm nehmen? Jeder der dort war, sah unsere Soldaten in den Häusern, sah, dass sie in tödlichen Fallen saßen. Ich dachte daran, sie zu retten. Die Palästinenser waren mir scheißegal, aber ich zerstörte nicht ohne Grund. Es war alles auf Befehl.
Viele Leute waren in den Häusern, die wir niederrissen. Sie kamen aus den Häusern, an denen wir arbeiteten. Ich sah mit meinen eigenen Augen keine Leute unter der Schaufel des D-9 sterben, und ich sah nicht, dass Menschen lebendig unter den Häusern begraben wurden – aber es wäre mir egal gewesen, wenn da welche gewesen wären. Ich bin sicher, dass Leute in diesen Häusern gestorben sind, aber ich konnte überhaupt wenig sehen, denn überall waren Staubwolken, und wir arbeiteten viel auch in der Nacht. Ich empfand Freude bei jedem Haus, das einstürzte, denn ich wusste, dass es ihnen nichts ausmacht zu sterben, sie sorgten sich um ihre Häuser. Wenn man ein Haus zerstört, begräbt man 40–50 Leute, Generationen. Wenn mir etwas leid tut, dann dass ich nicht das ganze Lager niedergerissen habe.

Befriedigung

Ich hielt keinen Moment an. Selbst wenn wir zwei Stunden Pause hatten, bestand ich darauf, weiter zu machen.
Es war eine große Befriedigung. Es machte richtig Spaß. Ich erinnere mich, wie ich die Wand eines vierstöckigen Gebäudes einriss. Sie fiel krachend auf meinen D-9. Mein Partner schrie mich an, ich sollte zurücksetzen, aber ich ließ die Wand auf uns herunterfallen. Dann nahmen wir uns die Seiten des Gebäudes vor und rammten sie. Wenn es zu schwer war, baten wir um eine Panzergranate.
Ich konnte nicht aufhören. Am Sonntag, als der Kampf vorbei war, bekamen wir den Befehl, die D-9 aus dem Gebiet abzuziehen und die Arbeit an unserem "Fußballstadion" einzustellen, denn die Armee wollte nicht, dass uns das Fernsehen und die Presse bei der Arbeit sah. Ich war wirklich wütend, denn ich wollte noch das große Schild am Eingang zu Dschenin einreißen – drei Pfosten mit einem Bild von Arafat. Aber am Sonntag zogen sie uns ab, bevor ich dazu kam.
Ich jammerte, sie sollten mir mehr zu tun geben. Ich sagte über Funk: "Warum lasst ihr mich Pause machen? Ich will mehr Arbeit!" Die ganze Zeit war ich wirklich krank. Ich hatte Fieber. Ich kam völlig fertig aus Dschenin zurück. In Stücke zerrissen. Am nächsten Tag kam ich wieder. Einer der Kameraden war krank und ich wollte ihn freiwillig vertreten.
Ich hatte kein Mitleid mit all den Palästinensern, die da obdachlos wurden. Nur die Kinder taten mir leid, die keine Schuld hatten. Da war ein verletztes Kind, das von Arabern angeschossen wurde. Ein Golani-Sanitäter kam und wechselte den Verband, bis es weggebracht wurde. Wir kümmerten uns um die Kinder. Die Soldaten gaben ihnen Süßigkeiten. Aber ich hatte kein Mitleid mit den Eltern dieser Kinder.
Ich erinnerte mich an die Aufnahmen im Fernsehen, die Mutter, die sagte, sie würde Kinder zur Welt bringen, damit sie sich in Tel-Aviv in die Luft sprengen. Ich fragte die palästinensischen Frauen, die ich dort sah: "Schämt ihr euch nicht?"

Politik

Ich weiß, dass viele Leute denken werden, dass meine Haltung von meiner Mitgliedschaft bei Betar und Likud kommt. Das stimmt. Ich bin ziemlich rechts. Aber das hat nichts damit zu tun, was ich in Dschenin tat. Ich habe viele arabische Freunde. Und ich sage, wenn jemand nichts getan hat – rührt ihn nicht an; wenn jemand etwas getan hat – hängt ihn, wenn es nach mir geht; sogar eine schwangere Frau – erschießt sie ohne Gnade, wenn ein Terrorist hinter ihr steht. So dachte ich auch in Dschenin. Ich reagierte auf niemanden. Es war mir scheißegal. Das Wichtigste war, unseren Soldaten zu helfen. Wenn ich drei Wochen gehabt hätte, hätte ich noch mehr Spaß gehabt, dann hätte ich das ganze Lager niedergerissen. Ich kenne kein Erbarmen.
All die Menschenrechtsorganisationen und die UNO, die mit Dschenin hausieren gehen und so ein Theater darum veranstalten, was wir dort getan haben, reden einfach Scheiße, sie lügen. Viele Mauern explodierten ganz von allein, oder bei der geringsten Berührung. Es ist wohl wahr, dass wir in den letzten Tagen das Lager zertrümmerten. Und jawohl, mit Recht. Sie hatten unsere Soldaten niedergemäht. Sie hatten ihre Chance gehabt, sich zu ergeben.
Niemand hatte irgendwelche Vorbehalte angemeldet. Nicht nur ich nicht. Wer hätte es gewagt, etwas zu sagen? Wenn irgendjemand auch nur den Mund aufgemacht hätte, hätte ich ihn unter dem D-9 begraben. Deshalb ist es für mich in Ordnung, wenn ich die hundert mal hundert Meter sehe, die wir platt gemacht haben. Was mich betrifft, ich habe ihnen ein Fußballstadion hinterlassen, damit sie spielen können. Das war unser Geschenk für das Lager. Besser als sie umzubringen. Sie werden Ruhe geben. Dschenin wird nicht mehr das sein, was es einmal war.

Dieses Interview von Zadok Jecheskeli erschien am 31. Mai 2002 in Jedioth Acharonoth, der größten israelischen Tageszeitung.

Anmerkungen:
Reservedienst – Israelische Männer werden mit 18 Jahren für drei Jahre zum Grundwehrdienst eingezogen, danach dienen sie als Reservisten.
D-9 – Der D-9-Bulldozer wiegt ohne Panzerung 48,7 Tonnen, mit Panzerung fast 60 Tonnen. Im Armee-Slang wird er "Dov" (Bär) genannt.
Betar – Abkürzung für Brith Josef Trumpeldor (Josef-Trumpeldor-Bund); rechtsradikale Jugendorganisation der "Revisionisten", die einen jüdischen Staat westlich und östlich des Jordans forderten
Golani – eine Infanterie-Brigade der israelischen Armee
Teddy – Teddy-Kollek-Stadion in Jerusalem