Kurzmeldungen aus Palästina und dem Irak

11.12.2003

Alltag in Nahost

Israelische Jazzmusiker für demokratischen Staat

Der israelische Jazzmusiker und Schriftsteller Gilad Atzmon hat desillusioniert Israel verlassen und lebt in London. Seine kürzlich präsentierte CD "Exile" ist Programm: Wut und Verzweiflung brechen durch, wenn der Saxofonist ein jüdisches Heldenlied aus dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 orientalisiert und in langen Solopassagen zerhackstückelt. Sarkasmus, wenn zwischen den Stücken plötzlich der Wehrmachtsschlager Lili Marleen erklingt. Trauer und Melancholie werden hörbar, wenn in einer Ballade die Opfer der Zerstörung von Jenin beklagt werden; das Stück ist von einem alten jüdischen Lied inspiriert, das an ein Pogrom in Osteuropa erinnert.

Orient House Ensemble ist der Name von Atzmons Bandprojekt, der auf den Sitz des von Israel geräumten PLO-Hauptquartiers in Ost-Jerusalem anspielt. Bei Konzerten macht der Musiker aus seinen politischen Standpunkten keinen Hehl: "Liebes Publikum, wir sind hier, um für den Weltfrieden zu spielen ... allerdings gehören wir nicht zur BBS, wir sind nicht Teil der Bush-Blair-Sharon-Partei. Leider hatte unser Projekt bis jetzt wenig Erfolg."

Der vehemente Kritiker israelischer Politik sieht eine Lösung des Nahost-Konfliktes nur in einem gemeinsamen Staat von Juden und Palästinensern: "Jeder Palästinenser muss die gleichen Rechte erhalten und vollständig mit den israelischen Juden gleichgestellt werden. Wenn das nicht akzeptiert wird, ist das Apartheid."

Quelle: www.freitag.de
31. Oktober 2003
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US-Besatzer zensurieren irakische Schulbücher

Laut Christian Science Monitor vom 4. November 2003 wird die irakische Zeitgeschichte gerade aus den irakischen Schulbüchern entfernt. "Alles, was als kontrovers angesehen wird, etwa Hinweise auf den Iran-Irak-Krieg, den Golfkrieg 1991, Israel, die USA oder die Kurden wird ebenso zensuriert, wie die UN-Sanktionen gegen den Irak", so Fuad Hussein. Der Exiliraker steht der amerikanischen Expertenkommission vor, die gemeinsam mit dem Unterrichtsministerium der von den USA eingesetzten "Übergangsregierung" an einer Neuausgabe der Schulbücher arbeitet.
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US-Besatzung greift zu Kollektivstrafen gegen irakische Bevölkerung

US-Soldaten haben am 8. November 2003 in der irakischen Stadt Tikrit zwei leerstehende Häuser und ein Lagerhaus zerstört, in dem sie Aufständische vermuteten. Die Aktion stand in Zusammenhang mit dem Absturz eines Hubschraubers am Freitag, der vermutlich durch Granatenbeschuss ausgelöst worden war. Dabei waren sechs Soldaten getötet worden.
Die Aktion "soll der Stadt zeigen, dass wir Zähne und Klauen haben und dass wir sie benutzen", sagte Oberstleutnant Steven Russell. Man habe ein Zeichen der Stärke setzen wollen. Zuvor hatten Kampfflugzeuge die Stadt überflogen. In der Nähe der Absturzstelle des Hubschraubers wurden drei 500-Pfund-Bomben abgeworfen.

Quelle: http://www.netzeitung.de/
8. November 2003
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Verdacht auf Verwendung von Uranmunition durch US-Armee im Irak

Wie ein Korrespondent des Christian Science Monitor berichtet, sei in stark unter Beschuss genommenen Gebieten Bagdads die mit dem Geigerzähler feststellbare radioaktive Strahlung um das 1000- bis 1900-Fache höher als in anderen Wohngebieten. Der Befund könnte auf abgereichtes Uran (Depleted Uranium -DU), auch als Uran 238 bezeichnet, zurückzuführen sein. Geschosse mit einem Kern aus dem Abfallprodukt aus der Urananreicherung sind nicht nur besonders hart und durchschlagsfähig, das Uran ist auch brennbar. Es pulverisiert bei der Verbrennung, verbreitet sich so über weite Flächen, wirkt in höchstem Maße toxisch und radioaktiv und ist wiederholt in den Verdacht geraten, das Risiko von Krebserkrankungen zu erhöhen.
Erstmals eingesetzt wurde DU-Munition im Golfkrieg 1991, später dann auch in Bosnien und im Kosovo und mit ziemlicher Sicherheit auch im Krieg gegen Afghanistan. Beobachter gehen davon aus, dass die USA im Irak 1991 mehr als 300 Tonnen Uran-gehärtete Munition verschossen haben, im Kosovo und übrigen Serbien 1999 etwa 100 Tonnen. Keine genauen Angaben gibt es für den jüngsten Golfkrieg. Experten schätzen, dass wenigstens 200 Tonnen zum Einsatz kamen.
Untersuchungsergebnisse über die Folgen gehen weit auseinander. Einige Studien blieben ergebnislos, andere hingegen erkannten ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen, Missbildungen und andere irreparable Schädigungen. Erst kürzlich haben zwei irakische Ärzte die Verzehnfachung der Krebsfälle in der südlichen Region um Basra seit 1988 bestätigt.

Quelle: http://www.jungewelt.de

18. September 2003
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Sexueller Missbrauch an palästinensischen Gefangenen im Ansteigen

Einer Untersuchung des Palestinian Prisoner´s Club zufolge ist sexueller Missbrauch an palästinensischen Gefangenen, vor allem an Minderjährigen, im Steigen begriffen. Die Studie berichtet, dass Fälle von tatsächlicher Vergewaltigung neben den bereits zur Routine gewordenen Androhungen seit Beginn der zweiten Intifada häufiger würden. Dies seien Methoden um bei Verhören Geständnisse zu erpressen. Oft würden die Gefangenen auch mit Drohungen unter Druck gesetzt, dass ihre Ehefrauen oder Schwestern festgenommen und vergewaltigt werden würden, falls sie nicht geständig wären. Zahlreiche Gefangene, vor allem Kinder, gaben an, dass sie aufgrund solcher Misshandlungen nicht begangene Straftaten gestanden hätten. Der Klub führte eine Reihe von Missbrauchsfällen an, etwa jenen des zwölfjährigen Rakan Nusseirat, der sexuell missbraucht und mit Vergewaltigung bedroht worden war und in Folge dessen zweimal versucht hatte sich das Leben zu nehmen.

Quelle: http://www.palestine-info.co.uk

21. Oktober 2003
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Israel investiert weiterhin in Siedlungsbau

Ende Oktober 2003 hat die israelische Regierung acht jüdische Außenposten auf palästinensischem Land anerkannt, von denen einige bis kurz davor auf einer offiziellen Räumungsliste standen. Die Verteidigungsbehörde, zuständig für alle Belange in der Westbank und Gaza, gab den acht Außenposten jetzt den Status "permanenter Ansiedlungen". Dieser verschafft ihnen das Recht auf einen Stromanschluss, besondere Finanzhilfen und militärischen Schutz. Nach Bedarf sollen die Siedlerposten auch von Schulbussen angefahren werden. Nach offizieller Auslegung bedeutet dies noch keine Legalisierung, doch Fakt ist, dass sich solche illegalen Vorposten - ihre aktuelle Zahl beziffert die israelische Friedensbewegung Peace Now auf 102 - als Keimzellen für Siedlungsneugründungen erwiesen.

Nach Recherchen israelischer Journalisten fördert die israelische Regierung die jüdischen Siedlungen in den palästinensischen Gebieten mit mindestens 500 Millionen Euro jährlich. Für die Infrastruktur der Stromversorgung in den Siedlungen investiert der israelische Staat jährlich 20 Millionen Euro, für die der Wasserversorgung 10 Millionen. 20 Millionen gehen in die Ausbildung, 5 Millionen an die Industrie, 15 Millionen in das Gesundheitssystem. Zudem gibt es jährlich über einen sogenannten Oslo-Fond 7 Millionen an Sonderzuwendungen sowie noch einmal dieselbe Summe über einen sogenannten Intifada-Fond. In den letzten Jahren habe der Staat an die lokalen Behörden der Siedlungsgebiete durchschnittlich 140 Millionen Euro gezahlt, für den Häuserbau gab es 80 bis 100 Millionen oder für den Straßenbau 80 Millionen. Jährlich erhält jeder Siedler 2.000 Euro mehr als ein normaler Israeli.

Quellen: Haaretz, Telepolis, Frankfurter Rundschau
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Intifada in Zahlen

2.680 getötete Palästinenser (November 2003)
496 unter 18 Jahren
822 getötete Israelis
350 palästinensische Kinder in israelischen Gefängnissen

67% Arbeitslosigkeit in Gaza
48% Arbeitslosigkeit im Westjordanland

934446 entwurzelte Bäume
3877 zerstörte Häuser
1425277 von der Armee getötete Hühner
382626 Meter zerstörte Kanalisation
1617 neue Check-Points (seit 1.10.2001)

Israelische Wirtschaft:

6% Budgetdefizit des israelischen BNP
2.1% Fall der Konsumrate der Haushalte

11.2% Zunahme der Arbeitslosenrate

250.000 Arbeitsmigranten in Israel
50.000 des Landes verwiesen

1.17 (=1/5) Million Israelis leben unter der Armutsgrenze
22% der israelischen Familien sind von "Ernährungsunsicherheit" bedroht

67 Millionen Euro: Nettogewinn der Bank Hapoalim
(+ 59%)
23 Millionen Euro: Nettogewinn der Bank Discount
(+36.5%)

Quellen:
Health, Development, Information, and Policy Institute (HDIP)
Haaretz, Tel Aviv, 28/08/03
Haaretz, Yediot Aharonot, Maariv (Aout 2003)
Le Monde Diplomatique, Octobre 2003 (Joseph Algazy, S. 20)
International Presse Centre (IPC) 7Juillet 2003