"Politische Gefangene sind Freiheitskämpfer"

05.05.2008

Interview mit Abla Saadat, aus Intifada Nr. 25
Abla Saadat ist die Ehefrau von Ahmed Saadat, dem Generalsekretär der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Er wurde vor fünf Jahren verhaftet und vor zwei Jahren von der israelischen Armee aus dem Gefängnis in Jericho entführt, obwohl ihm von den britischen Militärs, die für die Überwachung des Gefängnisses zuständig waren, Schutz zugesichert worden war.

Intifada: Was wird Ahmed Saadat vorgeworfen?

Abla Saadat: Ahmad Saadat wurde verhaftet, weil ihn der israelische Geheimdienst für die Ermordung des
israelischen Tourismusministers Zeevi im Oktober 2001 verantwortlich machte. Doch diese Anklage wurde
fallen gelassen, als er in der Haft war, da die Mitangeklagten bezeugten, dass er nichts mit der Ermordung von Zeevi zu tun hatte. Daraufhin erfand der israelische Geheimdienst andere Anklagen. Eine davon ist, dass Ahmed Saadat als Generalsekretär der PFLP für alle militärischen Aktionen des militärischen Flügels der PFLP verantwortlich sei. Ahmed wird eindeutig für sein politisches Engagement im Widerstandskampf
angeklagt. Unser Kampf gegen die Besatzung ist jedoch legitim. Es ist unser Recht diesen Kampf zu führen, wie es auch im Völkerrecht verankert ist: Die besetzten Völker haben das Recht gegen eine Besatzung Widerstand zu leisten, solange sie besteht.

Intifada: Wo befindet sich Ahmed Saadat zurzeit und wie wird er im Gefängnis behandelt?

Saadat: Seit Ahmed in israelischer Haft ist, wurde er von einem Gefängnis zum anderen transferiert. Dabei
geht es einerseits darum, die Haft für Ahmed so beschwerlich wie möglich zu machen, andererseits geht es darum, zu verhindern, dass es zwischen ihm und anderen Häftlingen zu Solidarisierungen kommt. Zunächst kam er nach Jalboo, später wurde er nach Askalan und Hadareem überstellt. Jetzt befindet er sich im Nafha-Gefängnis in der Wüste Negev. Es gilt als eines der schlimmsten Gefängnisse. Er befindet sich in Isolationshaft. Er darf nicht mit anderen Häftlingen sprechen. Das Besuchsrecht für uns, seine Familie, ist stark eingeschränkt. Seine Kinder konnten ihn seit zwei Jahren nicht mehr besuchen, angeblich aus Sicherheitsgründen. Ich selbst habe ihn auch vor zwei Monaten das letzte Mal gesehen. Die israelischen Behörden haben mir mitgeteilt, dass ich eine spezielle Erlaubnis brauche, um ihn zu besuchen, obwohl ich einen Jerusalemer Personalausweis habe und damit grundsätzlich nach Israel einreisen darf. Ich brauche also im Grunde keine Erlaubnis um ihn zu besuchen. Ich habe ihn früher alle zwei Wochen besucht. Diese Drangsalierung zielt darauf ab, ihn und uns zu bestrafen.

Intifada: Wie kann die Solidaritätsarbeit mit den palästinensischen Gefangenen von außen unterstützt werden und welche Bedeutung hat diese Unterstützung für die palästinensische nationale Befreiungsbewegung?

Saadat: Ich denke, dass die Solidaritätsorganisationen eine wichtige Rolle in der Unterstützung des palästinensischen Volkes spielen, insbesondere für die Gefangenen. Die Solidaritätsgruppen können Druck auf die israelische Regierung ausüben, indem sie das Thema der Gefangenen in die Medien bringen oder Briefe an die israelische Regierung schreiben und nicht zuletzt, dadurch, dass sie auf ihre eigenen
Regierungen Druck ausüben und sie auffordern, Israel aufgrund seiner schweren Verstöße gegen das Völkerrecht mit Sanktionen zu belegen. All dies kann dazu beitragen, die Palästinenser aus den israelischen
Gefängnissen zu befreien. Dadurch würde die PLO gestärkt, denn viele Führungspersönlichkeiten der PLO
befinden sich derzeit in israelischen Gefängnissen. Die Stärkung der PLO würde wiederum die Bedingungen für Verhandlungen mit Israel verändern und die Grundforderungen der palästinensischen nationalen Befreiungsbewegung wieder ins Spiel bringen.

Intifada: Was ist Ihre Botschaft an Europa?

Sadaat: Meine Botschaft an die europäischen Parlamente und Regierungen ist, dass sie sich mit der Frage der palästinensischen Gefangenen auseinandersetzen müssen. Derzeit befinden sich rund 11.000 Palästinenser in israelischen Gefängnissen. 110 von ihnen sind Frauen, 380 Kinder, es gibt ältere
Menschen unter ihnen und einige leiden an chronischen Krankheiten. Wir alle müssen uns für die Freiheit
der palästinensischen politischen Gefangenen einsetzen. Sie sind Freiheitskämpfer.

Interview: Margarethe Berger