Lasst Gaza nicht sterben!

11.06.2004

Editorial

Die jüngste Offensive der israelischen Armee im Gazastreifen wird von unabhängigen Beobachtern mit jener im Flüchtlingslager Jenin vor zwei Jahren verglichen. Sie war die verheerendste für den Gazastreifen seit Beginn der Intifada im Herbst 2000. Unterschiedlichen Angaben zufolge wurden an die sechzig Menschen getötet, die meisten davon Zivilisten. Dutzende Häuser wurden zerstört, oftmals ohne die Bewohner vorzuwarnen. Bei den Obdachlosenzahlen sprechen manche Quellen von mehr als tausendfünfhundert.
Ende Mai verlautbarten offizielle israelische Quellen, dass die Operation eingestellt würde. Der militärische Nutzen sei zu klein, der politische Schaden für das Ansehen Israels zu groß. Allerdings würde man die Operation jederzeit wieder aufnehmen, sollte das für notwendig erachtet werden.
Die jüngste israelische Offensive im Gazastreifen lehrt zweierlei: Erstens, dass alles Gerede der Sharon-Regierung von einem Abzug der Besatzungstruppen aus Gaza nichts als medienwirksame Lügen waren. Zweitens, dass keine wie auch immer geartete Form der Teilsouveränität für die Palästinenser einen gerechten und dauerhaften Frieden sichern wird können. Sharons Pläne vor und nach der Offensive zielten darauf ab, den Gazastreifen unter dem Vorwand der Selbstverwaltung von der Außenwelt abzukoppeln. Ziel war es nicht, ihn in die Souveränität zu entlassen, sondern ihn, noch mehr als er es bereits ist, zu einem Gefängnis zu machen. Seine Einwohner und vor allem der palästinensische Widerstand sollten in diesem Gefangenenlager von wenigen Quadratkilometern langsam verrecken. Und nach einem Scheinabzug der israelischen Armee würde die Weltöffentlichkeit davon auch keine Notiz mehr nehmen.
Damit dies nicht geschieht, ist es nicht nur notwendig die palästinensischen Forderungen nach voller Selbstbestimmung zu unterstützen, sondern auch die Legitimität des Widerstandes gegen die Besatzung. Vor allem aber ist es notwendig, darauf hinzuweisen, dass nur ein demokratischer Staat mit gleichen Rechten für alle Bewohner eine dauerhafte Lösung sein kann.