Honduras: Symptomatischer Kompromiss

04.11.2009

Vier Monate nach der Absetzung des Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, durch einen Putsch von Seiten der traditionellen Oligarchie und des Militärs, wurde nun ein Abkommen unterzeichnet, dass die „verfassungsmäßige Ordnung“ in dem mittelamerikanischen Land wieder herstellen soll.

Kurz zusammengefasst die Vorgeschichte: Der Sturz Zelayas am 28. Juni war die Antwort der wirtschaftlichen und politischen Elite (inklusive der Mehrheit seiner Liberalen Partei) auf die Annäherung des Präsidenten an das lateinamerikanische Linksbündnis ALBA (Bolivarianische Alternative für die Völker Amerikas) und ein geplantes Referendum über die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung.
Trotz der Nichtanerkennung der Putschregierung unter Roberto Micheletti durch die internationale Gemeinschaft und der massiven Proteste der Bevölkerung blieb das Regime über Monate unnachgiebig und verweigerte jeglichen Kompromiss, der zu einer Wiedereinsetzung des legitimen Präsidenten Zelaya geführt hätte. Die Putschisten ihrerseits wurden zweifellos von dem Durchhaltevermögen der Volksproteste überrascht. Unter dem Dach der „Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatstreich in Honduras“ konnten diese weder durch die Repression zum Schweigen gebracht werden, noch ließen sie sich durch die geringen Aussichten auf eine rasche Rückkehr des gestürzten Präsidenten entmutigen.
Nach zwei gescheiterten Rückkehrversuchen Zelayas, reiste er schließlich am 21. September heimlich in Honduras ein und fand Schutz in der brasilianischen Botschaft. Dieser Schritt erhöhte den internationalen Druck auf die Putschisten. Das Scheitern von Michelettis Strategie, über die Abhaltung von Wahlen am 29. November die Absetzung Zelayas zu legalisieren und die Proteste zu befrieden, stand vor dem Aus.
In der Nacht auf den 29. Oktober kam es vor diesem Hintergrund zu einer Übereinkunft zwischen Micheletti und Zelaya, die den Konflikt nun vorerst beendet. Vorherige Versuche in diese Richtung durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) waren gescheitert. Auch die Vermittlertätigkeit des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias (als US-amerikanischer Mittelsmann gegen den ausschließlichen Protagonismus von OAS-Präsident Insulza, der den Mittelinksregierungen des Kontinents nahe steht) war nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Gelungen war es über ein offensichtliches Machtwort direkt aus Washington durch den US-Unterstaatssekretär für Lateinamerika, Thomas Shannon.
Das Abkommen sieht vor, dass das honduranische Parlament über eine Wiedereinsetzung Zelayas entscheidet und so die verfassungsmäßige Situation vor dem 28. Juni wieder herstellt, während im Gegenzug die Ergebnisse der Wahlen vom 29. November von Zelaya und der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden.
Micheletti darf jubeln, aber eben nicht öffentlich. Sein Wahlmanöver am 29. November wird aller Voraussicht nach gelingen. Der Rechtspolitiker Porfirio Lobo von der Nationalen Partei gilt als aussichtsreichster Kandidat. Ein klares Indiz für diesen „Sieg ohne Triumphzug“ der Putschisten: aller Voraussicht nach wird das Parlament, das Zelaya am 28. Juni abgesetzt hatte, nun mehrheitlich für seine Wiedereinsetzung votieren, inklusive der Stimmen von Rechts. Ein Monat ist schließlich erträglich, wenn dann das Ende des Gespenstes sozialer Veränderungen und Unruhen im Land in Aussicht steht. Ein zweites Mal darf Zelaya nach geltender Verfassung nicht zum Präsidentenamt kandidieren, zumal er sich wohl kaum noch als Vertreter seiner Liberalen Partei sehen kann, die an seinem Sturz kräftig mitgearbeitet hat. Damit sind keinerlei Erfolgschancen für eine progressive Option bei den Wahlen vorhanden. Was mit dem Kompromiss aber in jedem Fall der Geschichte angehört, ist die Verfassungsgebende Versammlung. Diese war der Hauptgrund für den Sturz Zelayas und die wichtigste Fahne der Protestbewegung. So schreibt die „Widerstandsfront gegen den Staatstreich“ in ihrem Kommunique angesichts des Abkommens: „Wir bestehen darauf, dass der Wunsch nach einer verfassungsgebenden Versammlung ein nicht verhandelbares Recht der Bevölkerung Honduras´ ist, für das wir weiter kämpfen werden, bis die Neugründung der Gesellschaft erreicht worden ist, um ihr ein gerechtes, gleichberechtigtes und wirklich demokratisches Wesen zu geben.“ Für den wiederkehrenden Präsidenten Zelaya war dieses Recht ganz offensichtlich doch verhandelbar.
Es ist nun vorauszusehen, dass der politische Protagonismus wieder in die staatlichen Institutionen und die geordneten Kreise der Parlaments- und Wahlpolitik zurückkehrt. Möglicherweise wird es am 29. November auch eine unabhängige Linkskandidatur geben. Chancen auf einen Durchbruch sind jedoch nicht zu erwarten. Die Stimme des Volkes wird wieder von den internationalen Medien verschwinden und sich, wenn auch durch den langen Widerstand substantiell gestärkt, in die alternativen, außerparlamentarischen Sphären zurückziehen, um von unten die Kräfteakkumulation für die strategische Umgestaltung des Landes fortzusetzen.
Und die Rolle der USA? In unserer Einschätzung des Putsches vom 8. Juli (www.antiimperialista.org/content/view/6212/51/, spanisch) formulierten wir die Hypothese, dass das Interesse der USA eine Befriedung der Situation ist, indem ein politisch entwaffneter Zelaya rasch ins Land zurückkehrt, eine Eskalation des Volkswiderstandes verhindert, von seinem Reformprojekt „Verfassungsänderung“ abrückt und den wirtschaftlichen Status Quo für das internationale Kapital wieder herstellt. Wir haben uns möglicherweise in den Putschisten getäuscht, die eine beachtliche Kompromisslosigkeit an den Tag gelegt hatten. Vielleicht haben wir aber auch das taktische Geschick der USA unterschätzt. Eine Lösung, wie wir sie vorhergesehen haben, jedoch nur einen Monat vor einem Regierungswechsel über Wahlen, deren Ausgang nun sowohl der Volkswiderstand als auch Hugo Chavez wohl oder übel als legitim anerkennen müssen, ist eine Meisterleistung. Die internationalen Medien attestieren Obama auch schon fleißig seinen historischen Bruch mit der US-Tradition der Putschunterstützungen. Die honduranische Lösung ist symptomatisch für die neue Seite in der US-amerikanischer Außenpolitik nach Bush: sanften Durchsetzung und Erhaltung der imperialistisch-kapitalistischen Dominanz und Hegemonie. Nichts grundlegend Neues im Repertoire imperialistischer Diplomatie. Ihre Effektivität im Falle Honduras müssen wir Präsident Obama aber neidlos zugestehen.

Antiimperialistische Koordination, 1. November 2009