Überfluggenehmigungen Österreichs für NATO-Angriffe auf Jugoslawien

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19.01.2019
Von Dr. Peter Steyrer

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1) Die gesetzlichen Normen

 

Im Zusammenhang mit den Überflügen von NATO-Kampfjets nach Jugoslawien sind für die österreichische Rechtslage zwei Gesetzesmaterien bedeutsam:

a) Das Neutralitätsgesetz: Dabei unterliegt eine Waffendurchfuhr, die geeignet ist, einen Krieg zu unterstützen, zusätzlich noch dem Straftatbestand der Neutralitätsgefährdung (§ 320 StGB).

b) Das Kriegsmaterialgesetz (KMG) über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, das die Durchfuhr von Kriegsmaterial normiert. Kriegsluftfahrzeuge sind dabei vom KMG eindeutig erfaßt.

 

2) Der Sachverhalt

 

A) Eine Vorgeschichte

 

Im Zusammenhang mit der Kosovo-Krise wurde ein erster Antrag auf Überflug einer deutschen Tornado-Bomberstaffel für den 21. Jänner 1999 genehmigt. Der Antrag Deutschlands hat sich auf eine Mission unter OSZE-Auftrag bezogen. Daher wurde dieser Überflug nicht nach dem KMG, sondern ausschließlich nach der Grenzüberflugsverordnung (GÜV) von 1987 genehmigt. Aufgrund dieser Verordnung erlaubte die vom Verkehrsministerium ausgegliederte "Austrocontrol" auf Empfehlung des Außen- und des Verteidigungsministeriums den Überflug der Tornados. Tatsächlich wurden die Tornados zum Luftwaffenstützpunkt Aviano (Italien) verlegt, von wo sie zunächst an Manövern in Albanien und Mazedonien teilnahmen (Drohmanöver der NATO, die bereits kurz nach Beginn der Verhandlungen von Rambouillet starteten), um letztlich auch Luftangriffe auf Jugoslawien zu fliegen.

 

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Abg. Doris Pollet-Kammerlander, wollte im Februar in einer parlamentarischen Anfrage wissen, warum die NATO-Überflüge nicht nach dem Kriegsmaterialgesetz geprüft wurden? Verteidigungsminister Fasslabend erklärte darauf, daß für die OSZE eine Genehmigung nach der GÜV reiche. Die Grünen stellten daraufhin erneut eine Anfrage:

"Das Beispiel eines Überfluges einer Staffel deutscher Tornado-Bomber am 21. Jänner 1999 zeigt, welche Manipulationen in Zusammenhang mit Überfluggenehmigungen inzwischen getrieben werden. Dieser Überflug stand eindeutig im Zusammenhang mit den Manövern der NATO in Albanien und Mazedonien. Die acht Tornados waren von Deutschland als NATO-Verband zum Luftwaffenstützpunkt in Aviano verlegt worden. Der Antrag auf eine Überfluggenehmigung durch die deutsche Regierung spiegelte vor, daß es sich bei den Tornados um Flugzeuge unter OSZE-Auftrag handle. Aus der Anfragebeantwortung (5565/AB vom 26.04.1999) geht hervor, daß ‘aufgrund der Zustimmung durch die zuständigen Bundesministerien für Landesverteidigung und Auswärtige Angelegenheiten’ eine Genehmigung nach Grenzüberflugsverordnung (§ 2 GÜV, BGBL Nr. 249/1987 idgF) erteilt wurde. Nun sind Tornados jedoch nicht nur als Militärluftfahrzeuge, sondern auch im engeren Sinn als "Kriegsluftfahrzeuge", wie sie im Kriegsmaterialgesetz angeführt sind, zu bewerten. Es handelt sich bei Tornados eindeutig um ein ‘Luftfahrzeug’, dessen "Ausrüstung oder sonstige Vorrichtungen für den unmittelbaren Kampfeinsatz besonders gebaut oder ausgerüstet sind" (Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial v. 22.11.1977). Der Einsatz von Tornados im Rahmen der NATO-Angriffe auf Jugoslawien ist augenscheinlicher Beweis für diese Funktion."

 

Das ständige Insistieren der Grünen auf die Einhaltung des Kriegsmaterialgesetzes machte es der Bundesregierung schwer, sich gegenüber NATO-Luftbewegungen über österreichischem Hoheitsgebiet entsprechend den internationalen Erwartungen zu verhalten. Im Widerspruch zwischen Kriegsmaterialgesetz, Unterstützung der Angriffe beim EU-Rat in Berlin und innenpolitischen Zwängen - bevorstehende Wahl zum EU-Parlament, in der das Neutralitätsthema eine entscheidende Rolle spielte - versuchte man ein Doppelspiel:

 

Zum einen signalisierte man nach Brüssel, daß Anträge auf Überflüge abgelehnt werden würden.

 

Zum anderen bemühte sich der Ballhausplatz, einen Weg zu finden, der den NATO-Interessen stärker entgegenkommt.

 

Da die NATO und ihre europäischen Partner auf die Aussage aus Wien, daß Überflüge nach dem KMG abgelehnt werden würden, empört reagierten, signalisierte man aus Wien, daß auch nach Beginn der völkerrechtswidrigen Luftangriffe der NATO auf Jugoslawien - wie bereits im Jänner geschehen - Überflüge mit OSZE-Mandat und der Angabe, daß es sich um humanitäre Transporte handle, genehmigt würden. Mangels anderer Alternativen griff die NATO auf diese Variante zurück. Dennoch kritisierte die Führung der Militärallianz Wien scharf.

Was waren das nun für OSZE-Überflüge mit humanitären Transporten?

 

B) Eine Beobachtung

 

Nach Beginn der NATO-Angriffe auf Jugoslawien trafen im Büro der Grünen immer wieder Anrufe ein, die eindeutige Wahrnehmungen berichteten. Beobachtungen oder der Lärm von in Österreich unbekannten Militärmaschinen wurden berichtet. Ein Universitätsprofessor erstellte von seinen Beobachtungen schließlich auch ein Gedächtnisprotokoll:

 

"Beobachtete Überflüge von B52- und B1-Bombern:

 

B52- und B1-Bomber sind Langstreckenbomber. Sie starten von der RAF (Royal Air Force) Basis Lakenheath, in Norfolk, England (nach Information von BBC-Radio 4). Schon am 24. März in der Nacht waren sie über unser Haus fliegend zu hören. Samstag, 27. und Sonntag, 28. März habe ich die B1 zwischen 11.30 und 12.30 Uhr auf meinem morgendlichen Spaziergang beobachtet, zur Kontrolle auch durch ein Feldglas. Die typischen zweistrahligen B1-Maschinen fliegen sehr schnell, ca.1000 - 1500 km/h, und sind mit einem Feldglas schwierig zu verfolgen. Montag, 29. März: wieder am hellichten Tage zwischen 11.30 und 12.30 Uhr B1 beobachtet, und zwar auf dem Hinflug und ‘Rückkehrer’, 2 bis 5 km weiter westlich parallel fliegend. Am Abend des 29. März, Montag, Beobachtung dann bis zum Sonnenuntergang um etwa 19.45 Uhr, alle halben Stunden. Dieser Prozeß hat sich wiederholt: fast täglich über Ostern und in der Woche vom 5. bis 11. April, sowie in der Woche vom 6. bis 18. April. Die Kondensstrahlen blieben an einigen Tagen stundenlang sichtbar. Die Maschinen - sehr oft die vierstrahlige B52 - fliegen schätzungsweise zwischen 10.000 bis 18.000 Meter hoch. (...) Es ist zu vermuten, daß die Maschinen über den Nordosten Österreichs ‘abkürzen’ - auf ihrem Weg von Tschechien nach Ungarn. (...) Daraus kann ich nur schließen, daß die Regierung diese Überflüge ‘stillschweigend’ duldet. Meine persönliche Position als britischer Staatsbürger steht in einem Widerspruch zu den Handlungen der britischen Regierung. Ich meine, daß diese militärischen Handlungen keineswegs ‘humanitären’ Zwecken dienen, sondern der Stützung einer neuen (postmodernen) Form der ‘Pax Americana’. Hier hat die britische Regierung eine ziemlich konsistente Position. Zuerst modernste Waffen an alle menschenrechtsverletzende Regimes verkaufen - Indonesien, Irak, usw. - und dann, wenn sie in den Augen der USA und Großbritanniens ‘aus der Reihe tanzen’, sie zu neuen 'rogue states' (Schurkenstaten) zu deklarieren. Die Rolle der NATO dabei ist es, diesen Großmachtallüren Spalier zu stehen."

 

Die beobachteten Flugzeuge - B1- und B52-Bomber - sind eindeutig nach dem KMG einzustufende "Kriegsluftfahrzeuge".

 


C) Die Statistik

 

Auch ein Vergleich der Anzahl von Überflügen unterstreicht diese Beobachtungen. Während es im April des Jahres 1998 1.296 militärische Überflüge gegeben hat, fanden im selben Monat des Jahres 1999 2.530 Überflüge statt. Die von "profil" (Nr. 30/99) angegebene Steigerung von 10,0 Prozent entspringt wohl eher einer eigenen mathematischen Methode.

Für die Genehmigung von Überflügen, die im Kriegsmaterialgesetz als Waffendurchfuhren gekennzeichnet sind, ist nach dem KMG der Innenminister, der Außenminister, der Bundeskanzler und der Verteidigungsminister zuständig. Die Grenzüberflugsverordnung fällt in die Ministerveratnwortung des Verkehrsministers, der auf Rat des Außen- und des Verteidigungsministers handelt. Die Bewahrung des Hoheitsgebietes vor völkerrechtswidrigen Verletzungen obliegt dem Verteidigungsminister.

 

3) Nachsatz

 

Die NATO schuldet der Republik Österreich rund 160 Millionen Schilling an Überfluggebühren. Die Bundesregierung ist sich uneinig, wer diese Schulden übernehmen soll: Innen-, Verteidigungs- oder Außenministerium? Eine Klage beim Internationalen Gerichtshof wurde von ihr bisher nicht erwogen.

Die SPÖ hat das Kriegsmaterialgesetz in die Verhandlungsmasse zur Bildung einer Koalition hineingenommen und will dieses ändern. Begründung: die leidige Frage der Überflüge und der Durchfuhr.

 

Verweise