Ägyptens Armee eine Armee des Volkes?

03.08.2013
Von C. Kraiem
Die Armee war ein Problem, solange sie hinter Mubarak stand, sie war ein Problem, solange sie alleine regierte, und sie bleibt auch jetzt ein Problem, solange die Macht ihrer Führung nicht gebrochen und sie ebenso wie das Innenministerium reformiert und gesäubert wird.

So sehr der Sturz der Muslimbrüder, nicht nur aus linker sondern generell aus demokratischer Sicht, zu begrüßen war (sie waren demokratisch gewählt, mit einem eindeutigen Auftrag ausgestattet und haben versagt) muss man die jetzige Militärherrschaft doch sehr kritisch sehen.

Es mag doch einige Schwärmer geben, die sich immer noch einreden dass die Armee eine Armee des Volkes sei. Das mag vielleicht bei den niedrigen Rängen stimmen. Aber die gesamte Führung hat ihre Karriere unter Mubarak gemacht, ohne sich je gegen ihn zu wenden. Das macht sie entweder zu seinen Anhängern oder zu mitlaufenden Opportunisten. Das ist nicht die Armee Nassers, im Gegenteil, die Führung hat ganz klar kein Interesse an einer Konfrontation mit Israel, stattdessen wird Gaza wieder abgesperrt, und dass Mursi ausgerechnet wegen Kontakten zur Hamas der Prozess gemacht werden soll, ist absurd.

Der Militärrat (SCAF) war nicht auf Seiten des Volkes, als er die Demonstrationen nach dem Sturz Mubaraks niedergeschlagen hat, und er ist es jetzt genau so wenig. Er ist klar auf seine Vorteile bedacht, hat die Muslimbrüder gestürzt. bevor das ganze Regime mit ihnen stürzen konnte und damit auch einen Konkurrenten, der ebenfalls um die Gunst Amerikas buhlte, ausgeschalten.

Die Repressionen die sie jetzt gegen die Muslimbrüder einsetzen (und diese Taktik kann einfach nur als extrem übertriebener Gewalteinsatz bezeichnet werde) sind zu verurteilen, zum einen, weil die MBs genauso ein Recht auf Demonstrationen haben wie jeder andre auch, zum andren weil sie schnell jeden treffen werden, der ihre Ordnung zu stören droht.

Dem SCAF ist es gelungen, einen großen Teil der anti-Mursi-Demonstranten auf ihre Seite zu ziehen und so Legitimität zu gewinnen. Ihre Methoden ihren Gegnern gegenüber zeigen aber deutlich, was sie von Demokratie halten, und dass sie in ihrem Denken und Handeln immer noch in der Mubarak-Ära verhaftet sind.

Die Tatsache, dass Sisi jetzt die Terror-Karte ausspielt, um sich selbst mit noch mehr Autoritäten auszustatten (etwas das Bürgerrechtler in Europa und den USA seit mittlerweile mehr als zehn Jahren verurteilen und fürchten), bietet weiter Anlass zur Besorgnis; der Vorwurf, dass er danach strebt, sich zu einem Cäsar auf Lebenszeit zu machen, ist bei einem solchen Verhalten nicht aus der Luft gegriffen.

Dass die Meisten der Tamarrud-Bewegung (die zuvor nicht wirklich dadurch aufgefallen sind, dass sie linke Anliegen unterstützt hätten) einfach mit dem Sturz Mursis zufrieden sind, anstatt jetzt auch noch den des Militärs zu fordern (da eine Armee in einer Demokratie dem Volk gehorchen sollte und nicht umgekehrt) und deren Führung für das Dulden der Mubarak-Ära vor Gericht zu bringen, zeigt, wie wenig „revolutionär“ sie tatsächlich sind. Stattdessen geben sie sich mit einer starken autoritären Führung zufrieden, solange sie nicht religiös ist. Sie nehmen Gewaltexzesse hin, solange es die Islamisten trifft, und interessieren sich nicht für die Probleme der Palästinenser.

Noch einmal – dass jemand wegen Kontakten zum palästinensischen Widerstand der Prozess gemacht wird ist ein sehr gefährlicher Vorfall!

Die Armee war ein Problem, solange sie hinter Mubarak stand, sie war ein Problem, solange sie alleine regierte, und sie bleibt auch jetzt ein Problem, solange die Macht ihrer Führung nicht gebrochen und sie ebenso wie das Innenministerium reformiert und gesäubert wird.

Momentan scheint Ägypten gespalten zwischen radikalen Sunniten und denen, die eben deshalb eine Politik im Stil der Amerikaner nach 9/11 gutheißen würden. Und das ausgerechnet während manche der dortigen Kommunisten ein völlig unverständliches Geschwafel von sich geben und scheinbar bis tief im von Amerika finanzierten Militärapparat stecken. Tatsächlich revolutionäre Stimmen sind aus der Gegend eigentlich kaum noch zu hören, abgesehen vielleicht von den Revolutionären Sozialisten.

Die wenigsten scheinen verstanden zu haben, dass man jetzt weitermachen müsste, jetzt Initiative ergreifen und sich klar gegen eine brutale Repression aussprechen müsste, anstatt zu warten, bis ein amerikafreundliches Regime unter Sisi oder Baradei (der auch erstaunlich still ist) installiert wird.

C. Kraiem ist Student mit tunesischen Wurzeln