Proteste gegen den ukrainischen Premier Jazenjuk anlässlich der Karlspreisverleihung in Aachen

Lauter als die Jahre zuvor
31.05.2014
von Marc Treude
Alljährlich wird am letzten Donnerstag im Mai (Christi Himmelfahrt) in Aachen der Karlspreis verliehen, angeblich für besondere Verdienste um die Einigung Europas.

Das who-is-who der bisherigen Preisträger liest sich wie eine Liste des Horrors: Kriegstreiber wie Henry Kissinger 1987, Anthony Blair 1999 oder Bill Clinton 2000, und neoliberale Vertreter aggressiver Kürzungspolitik wie Wolfgang Schäuble 2008, Angela Merkel 2012 oder die lettische Ministerpräsidentin Dalia Grybauskaite 2013. Im Jahre 2002 bekam ihn: Der Euro. Trotzdem kein Grund für Heiterkeit! In diesem Jahr war der Auserkorene der Präsident des Europäischen Rates Herman van Rompuy.

Aber nicht dieser Herr war Anlas zu massiveren Protesten als sonst, sondern einer der drei Laudatoren. Denn vor dem Hintergrund des sich entwickelnden Bürgerkriegs in der Ukraine hatte das Karlspreis-Direktorium es sich nicht nehmen lassen, eine besondere Provokation abzulassen: Der amtierende ukrainische Ministerpräsident Jewgeni Jazenjuk war auserkoren, seinen ersten öffentlichen Auftritt auf internationalem Parkett zu absolvieren. Neben ihm waren noch die Ministerpräsidenten Georgiens und Moldawiens geladen, alle drei Vertreter von Staaten, mit denen die NATO, die USA und die EU sehr gerne enger zusammenarbeiten möchten. Diesbezüglich sprechen Vertreter des Antikriegsbündnis Aachen zu Recht von einer Umzingelungstaktik gegenüber Russland. Bürgerkrieg von oben Jazenjuk ist hauptverantwortlich für die Aufnahme von Mitglieder der faschistischen Swoboda-Partei in die Regierung, eine Tatsache, die in deutschen Medien gerne verschwiegen wird. Zurzeit lässt diese Regierung Truppen aus der West- und Zentralukraine in den Süden und Osten verlegen und heizt dort einen Bürgerkrieg entlang ethnischer Linien an. Es gibt schon viele Opfer unter der Zivilbevölkerung. Zeitgleich marodieren faschistische Banden und terrorisieren politische GegnerInnen und Menschen russischer Abstammung. Vor diesem Hintergrund waren linke und Antikriegsgruppen in Aachen und überregional dabei, frühzeitig Proteste gegen die Karlspreis-Verleihung vorzubereiten.

So waren am vergangenen Donnerstag schon ab zehn Uhr etwa 50 Protestierende vor dem Rathaus auf dem Marktplatz, unweit entfernt hatte die Linksjugend zu einer Protestkundgebung und Demonstration am Elisenbrunnen aufgerufen. Unter dem Motto “Stoppt den Terror in der Ukraine!” kamen über 100 Menschen zusammen, viele Jugendliche, aber auch UkrainerInnen und RussInnen, die ihre Angst vor einem Krieg und ihre Empörung über das Treiben von Faschisten in ihrer Heimat zum Ausdruck bringen wollten. RednerInnen waren unter anderem Chris und Marcus von der Aachener Linksjugend, aber auch Sergei Kiritchuk von der ukrainischen sozialistischen Organisation “Borotba”, Zakhar Popovych von der “Linken Opposition” und auch Dima Yansky, Mitglied der Kölner SAV. Allen gemein war die inhaltliche Aussage, dass jede Eskalation in der Ukraine unbedingt vermieden werden muss! Sowohl die USA als auch NATO und EU, sowie die deutsche Bundesregierung dürfen weder militärische, geheimdienstliche oder finanzielle Unterstützung an ein Regime geben, das mit Hilfe von Faschisten regiert und gegen die eigene Bevölkerung militärisch vorgeht! Zur Finanzierung von Bildung, Arbeitsplätzen und anderen öffentlichen Aufgaben müssen endlich die Oligarchen enteignet werden.

Starke und laute Demo

Nach der Auftaktkundgebung zogen dann über einhundert Menschen aus Aachen, Köln, Bonn und anderen Städten durch die Aachener Innenstadt zum Marktplatz, wo für Schaulustige auf einer riesigen Leinwand die Zeremonie und die Reden aus dem Krönungssaal des Rathauses übertragen wurden. Auffällig war zuerst, dass es nur wenige hundert Menschen interessierte, anders als in anderen Jahren. Als die Demonstration am Markt ankam, wurde sie sogleich freudig und lautstark von den Protestierenden aus dem Umfeld des Antikriegsbündnisses und anderen begrüßt. Somit fanden sich im Laufe der Zeit bis zu 200 Menschen zusammen, die die gesamte Veranstaltung im Rathaus auffällig stören konnten. Es gab keinerlei nationalistische Ausfälle, und immer wieder waren Rufe wie “Jazenjuk – Terrorist!”, “Blut an euren Händen!” und “Mörder, Mörder!” zu hören. Das Rathaus selbst war durch Absperrungen und starke Polizeikräfte abgeriegelt, auf der anderen Seite des Marktes standen strikt getrennt etwa 50 Menschen, die ukrainische Fahnen schwenkten, um somit ihre Unterstützung des Regimes in Kiew zum Ausdruck zu bringen.

Nach weiteren zwei Stunden wurden dann die sogenannten Prominenten pfeifend verabschiedet, die sich dann zu Fuß in die Aula Carolina aufmachten zu einem mondänen Festmahl. Jazenjuk hatte sich nach Presseberichten aus einem Seiteneingang heraus per Limousine dorthin bringen lassen, offiziell, um nicht weiter zu provozieren. Am Ende der Proteste zog noch einmal eine kleinere Demo der Linksjugend und vieler UkrainerInnen zurück zum Elisenbrunnen, wo eine Abschlussbesprechung bei Speisen und Getränken stattfand. Alles in allem ein erfolgreicher Tag für die Aachener Karlspreisproteste! Marc Treude ist aktiv in der LINKEN und der SAV Aachen.