Euro-Austritt!

31.08.2014
Assisi (Italien), 23. August 2014
Linke Organisationen in Europa für einen Austritt aus dem Euro und aus der Europäischen Union
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Die Landesweite Linke Koordination gegen den Euro (Italien) hat vom 20. bis 24. August in Assisi ihr „Europäisches Forum 2014“ abgehalten, bei dem sich zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Ländern der Europäischen Union, aber u. a. auch aus der Ukraine und aus Russland versammelten. Auf dem Treffen verabschiedeten die Vertreterinnen und Vertreter mehrere linker Organisationen aus der EU eine Erklärung für einen Austritt aus dem Euro und aus der Europäischen Union.

Die Europäische Union und die Regierungen aller ihrer Mitgliedsstaaten – besonders die des Euro-Raumes – verfolgen konsequent eine brutale Politik des Sozialabbaus: massive Verringerung der Sozialbudgets, Lohndeflation durch Einfrieren von Löhnen, Senkung der Lohnnebenkosten, ungerechtfertigte Subventionen für Großunternehmen (angeblich, um Arbeitsplätze zu schaffen), Privatisierungen, Abbau öffentlicher Dienstleistungen und der sozialen Absicherung, „Finanzialisierung“ der Wirtschaft und des Staatshaushaltes usw. Das Ergebnis ist ein exponentielles Ansteigen der Massenarbeitslosigkeit und prekärer Arbeitsverhältnisse.

Der Grund dafür ist die Politik der EU, die im Vertrag von Lissabon festgeschrieben wurde. Dieser Vertrag basiert auf den Dogmen des Neoliberalismus, deren schädliche Auswirkungen auf die Interessen der unteren Klassen und der Mittelschichten bereits bewiesen sind. In der Eurozone hat sich das Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Mitgliedsländern noch verschärft. Der Euro ist eine Massenvernichtungswaffe gegen Arbeitsplätze. Die Einheitswährung dient nur dem Schutz investierten Kapitals und hält die Arbeitslosigkeit ständig auf hohem Niveau.

Das Wesen dieses Konstruktes von Europa basiert auf den Werten und Interessen der herrschenden Klassen des Westens: Europa- und Atlantik-Ideologie, Kapitalismus und Autoritarismus. Dieses System kann sein Wesen nicht verändern; es kann nicht von innen verbessert werden. Man muss es abschaffen, um von Grund auf etwas Neues zu schaffen. Die EU ist in der Tat weltweit der ausgefeilteste Versuch, ein System zu schaffen, das auf den Kräften des Marktes beruht, die auch die Kultur durchdringen. Die EU ist ein grauenhaftes System der Herrschaft und der Entfremdung, von dem sich die Völker befreien müssen.

Die EU ist ein Grundpfeiler der neoliberalen Weltordnung mit ihren riesigen multinationalen Konzernen und überstaatlichen Institutionen (Welthandelsorganisation, Weltwährungsfond, Weltbank, NATO, EU, OECD). Das wichtigste Merkmal dieses Systems ist, dass es beharrlich danach trachtet, die Souveränität von Völkern auf nationaler Ebene abzuschaffen, und damit ist es das beste Mittel, die Dominanz des Kapitals zu herzustellen und unbegrenzt auszuweiten, wie sich beim Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP/TAFTA) zeigt. Die Abschaffung der Nationalstaaten soll den herrschenden Klassen garantieren, dass die neoliberalen „Reformen“ nicht rückgängig gemacht werden können. Die Abschaffung der Nationalstaaten ist folglich die Abschaffung der Demokratie; es geht darum, die Handlungsfähigkeit der Bevölkerung zu unterbinden, zu verhindern, dass sie über ihre Zukunft selbst entscheidet. Dass die EU das faschistoide Regime in Kiew unterstützt, zeigt, dass sie sich vollständig der NATO dem US-Imperialismus untergeordnet hat.

In mehreren EU-Ländern waren lange Zeit sozialistische oder sozialdemokratische Parteien an der Macht. Wir können in dieser Hinsicht eine Bilanz ziehen, und die fällt schlimm aus, wie wir in Griechenland, Spanien, Portugal und Frankreich sehen. Diese Parteien sind heute offen neoliberal; sie tun nicht einmal mehr so, als würden sie die Arbeiterinnen und Arbeiter oder die breite Bevölkerung verteidigen. Überall haben sie großen Koalitionen deutscher Art (Regierungsbündnissen aus linken und rechten Parteien) den Boden bereitet, wie sie nun auch in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien bestehen. Die Kluft zwischen den Herrschenden und der Bevölkerung wird immer deutlicher, doch die Linie zwischen der Linken und der Rechten wird immer stärker verwischt. In vielen Ländern gibt es keinen grundlegenden Unterschied zwischen Linken und Rechten. Diese Kräfte haben ein politisches Klima geschaffen, welches das Anwachsen der extremen Rechten ermöglicht und fördert, und sie ermöglichen es diesen extremen Rechten, den Begriff des Volkes bzw. der Nation mit einer rassistisch-kulturellen Definition zu besetzen. Für uns ist der Begriff der Nation ausschließlich verfassungsmäßig und politisch definiert. Den Begriff der Nation Fürsprechern einer identitären Definition wie den Rechtsextremen zu überlassen ist äußerst unverantwortlich und zeigt, dass diese Parteien die Grundvoraussetzungen der Politik und der Demokratie aufgeben.

Die Ursache für den Aufstieg rechtsextremer Parteien in den EU-Ländern ist vor allem die Sparpolitik gegen die Unter- und Mittelklassen, mit der die Bevölkerung in die Armut und in den Wettbewerb getrieben wird. Die Rechtsextremen können sich nun ganz allein die Idee und die Symbole der Nation aneignen, und umgekehrt wird die Idee der Nation nun mit Rechtsextremismus gleichgesetzt. Die Rechtsextremen vertreten aber eine ganz engstirnige Vorstellung von der Nation, die nur auf ihre identitäre Dimension beschränkt wird. Ganz im Gegensatz zu der Behauptung, sie wären gegen das System, sind die Rechtsextremen in Wirklichkeit indirekte Unterstützer des Systems und der herrschenden Klasse. Besonders abstoßend ist ihre Fremdenfeindlichkeit, ihr Chauvinismus, ihre Feindschaft gegenüber den Gewerkschaften und gegenüber allen Organisationen, welche sich kollektiv für die Interessen der Unterschichten einsetzen.

Wir müssen dringend Ideen, praktische Arbeit und ein Programm für die Interessen der Unter- und Mittelschichten entwickeln. Dies sind unserer Ansicht seine Schlüsselelemente:

- völlige Beseitigung der Arbeitslosigkeit und prekärer Arbeitsverhältnisse
- Pläne für eine erneute Industrialisierung sowie für die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien und -dienstleistungen
- Auflösung der Finanzmärkte
- Nichtanerkennung und Streichung der Staatsschulden
- nationale protektionistische Maßnahmen entsprechend der Havanna-Charta von 1948
- Umstellung auf ökologische Produktionsweisen
- Austritt aus supranationalen Institutionen, welche die neoliberale Weltordnung stützen: NATO, Weltwährungsfonds, Weltbank, WTP, EU und Euro

Wir nennen dies „Entglobalisierung“. Im Zentrum dieser Strategie und dieses Programms ist die Forderung, das jedes Land wieder seine nationale Souveränität erlangt, d. h. in jedem Land ist es entscheidend, für den Erhalt der authentisch politischen Merkmale seiner Gesellschaft zu kämpfen, so dass das Volk über die rechtlichen und institutionellen Mittel verfügt, darüber zu entscheiden und das umzusetzen, was seiner Ansicht nach dem allgemeinen Interesse entspricht.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner werden ein weiteres und gewichtigeres internationales Treffen auf europäischer Ebene organisieren, das alle Kräfte versammeln soll, welche die Interessen der Unter- und Mittelschichten verteidigen und sich für einen Austritt aus der NATO, aus der EU und aus dem Euro sowie für Vollbeschäftigung einsetzen.

• Personenkomitee „Euro-Austritt“ (Österreich): Albert F. Reiterer und Wilhelm Langthaler
• Coordinamento nationale sinistra contro l’euro („Landesweite linke Koordination gegen den Euro“, Italien): Moreno Pasquinelli
• Frente Civico (FC, „Bürgerfront“, Spanien): Manolo Monero Pérez
• Ενιαίο Παλλαϊκό Μέτωπο (EPAM, „Vereinigte Volksfront“, Griechenland): Antonis Raskousis
• Αριστερή Συμπόρευση (Aristerí Sibórefsi, „Gemeinsam links marschieren“ (Griechenland), Kostas Kostopoulos
• Mouvement politique d’émancipation populaire (M’PEP, „Politische Bewegung für die Emanzipation des Volkes“, Frankreich): Jacques Nikonoff und Joël Périchaud
• Σχέδιο Β („Plan B“, Griechenland): Nasia Pliakogiammi
Initiative e.V. Duisburg (Deutschland): Thomas Zmrzly

Unterstützer:
• Borotba („Kampf“, Ukraine): Sergej Kiritschuk