„Damit mehr im Börsel bleibt“ ˗ bei wem?

17.11.2014
Von A.F.Reiterer
Die Einkommensverteilung, die Steuerleistung und die Steuerreform des ÖGB / der SPÖ

Seit Jahrzehnten gibt die Statistik Österreich, die hiesige amtliche Statistik, eine „Integrierte Lohn- und Einkommenssteuerstatistik“ heraus. Dort werden Daten aus der Lohn- und Ein­kommenssteuer zusammengeführt und daraus Informationen zum Einkommen und seiner Verteilung veröffentlicht. Aber Vorsicht! Lohn- und Einkommenssteuer unterliegen zwar demselben Tarif. Trotzdem ist die Datenqualität fundamental verschieden.

Die Lohnsteuer ist eine Quellensteuer, die von der auszahlenden Stelle (Arbeitsstätte, Betrieb) zum Zeitpunkt der Auszahlung abgezogen und an das Finanzamt überwiesen wird. Das ist ein nachgerade mechanischer Vorgang. Damit ist nicht nur ihre Höhe weitestgehend gegeben ˗ weitestgehend, weil noch die Möglichkeit eines Lohnsteuer-Ausgleichs nach Jahresende be­steht. Sie ist auch vergleichsweise aktuell. Die Einkommenssteuer dagegen wird durch Steuer­erklärung sowie durch die Akzeptanz durch das Finanzamt (Steuerbescheid) bestimmt. Das gibt den Steuerpflichtigen viel Gestaltungsspielraum. Überdies hinkt sie der Lohnsteuer nach. Diese Integrierte Lohn- und Einkommenssteuerstatistik wird mindestens ein Jahr nach der Lohnsteuerstatistik veröffentlicht. Hier werden also Daten sehr unterschiedlicher Art zusammengeführt, und das ist zu beachten.

Doch ist dies das Beste, was wir an Information haben. Lange Zeit litt sie allerdings unter allerlei Mucken der amtlichen Statistik. In epischer Breite wurden Informationen angeboten, die völlig uninteressant waren: Einkommen „mit Alleinverdiener-Absetzbetrag“ und „ohne“, und dgl. Verteilungsaspekte wurden dagegen so dargestellt, dass sie von einem Jahr auf das andere kaum vergleichbar waren. Aber das hat sich nunmehr ein wenig geändert: Piketty wirkt! In den letzten Datenbänden findet man immerhin eine Gesamtdarstellung nach Perzentilen (Hundertstel der Einkommens-Bezieher). Und im allerletzten Band, ein bisschen versteckt zwar, gibt es sogar eine kleine Tabelle: Hohe Einkommen.

Hohe Ein­kommen sind, etwas willkürlich, solche von 100.000 € und mehr. Mit 93.600 Personen stellen sie 1,37 % der Einkommens-Empfänger. Ob dies sehr realistisch ist, sei dahingestellt ˗ man denke an die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Einkommenssteuer-Erklärung! Doch trotz dieser Zweifel an der Qualität der Daten können wir einige auf­schlussreiche Muster erkennen. Sie sind allerdings nicht unbedingt aufregend neu.

Bei diesen Hohen Einkommen entdeckt man ein kennzeichnendes Detail: Die durchschnitt­liche Steuerbelastung der hohen Einkommen ist gegen alle Propaganda nicht besonders hoch. Sie beträgt bei Jahreseinkommen (brutto) von 200 ˗ 300 Tausend 37,9 %. Dann steigt sie etwas an auf 40,4 % bei Einkommen von 500 ˗ 600 Tausend. Und dann beginnt sie zu sinken. Wohlgemerkt, wir sprechen von der Einkommenssteuer, nicht von einer zugerechneten Gesamtsteuer. Sie geht auf 36,9 % zurück bei Einkommen zwischen 1 ˗ 2 Millionen €. Das sind übrigens, laut dieser Statistik, 372 Personen. Die Zahl der Einkommens-Bezieher wird wahrscheinlich etwas unterschätzt. Und dann macht sie sogar einen kleinen Sprung nach unten in der höchsten Kategorie, jener von 3 Mill. aufwärts. Die 71 Personen in dieser Klasse würden dann nach diesen Daten im Schnitt 7,3 Mill. € beziehen und zahlen nur mehr 29,9 % Einkommenssteuer. Man muss immer wiederholen: Das Einkommen ist mit Sicherheit unterschätzt.

Weiß das der ÖGB nicht? Haben seine Referenten das dem Herrn Foglar nicht gesagt?

Der ÖGB spielt dieses üble Spiel ganz bewusst, und die SPÖ ist nur zu erfreut, seine Kampagne übernehmen zu können. Der ÖGB hat ein Inserat in solchen Intelligenz-Blättern wie „Österreich“ geschaltet. Dort lässt er einen diplomierten Krankenpfleger auftreten, der aussieht wie zwischen 25 und 30 Jahre alt. Ja, und der verdient mehr als 3.600 € im Monat und freut sich über die hohe Steuer-Ersparnis, welche ihm die künftige Reform bringt.

Lassen wir einmal beiseite, dass ein junger Diplom-Krankenpfleger mit diesem Monats-Gehalt erst einmal gefunden werden muss. Doch sei’s drum!

Aber mit diesem Gehalt liegt er um das Zweieinhalbfache über dem Median-Einkommen, jenem Einkommen, das gerade 50 % der Einkommens-Bezieher im Jahr 2011 erhielten. Das macht nämlich gerade 19.600 aus. Damit liegt er in der Höhe des 3. Quartils, dem Einkom­men, wo 3 Viertel weniger verdienen. Nun könnte man einwenden: Aber da sind auch die Teilzeit-Beschäftigten drinnen. Und überdies hat es seit 2011 doch Lohnerhöhungen gegeben. Stimmt Alles, wenn auch die Lohnerhöhungen höchst bescheiden waren und nominell keine 5 % ausmachten, nach Kaufkraft also nichts übrig blieb. Aber es bleibt: Der ÖGB wirbt mit Verhältnissen, die nur für eine nicht besonders große Minderheit der Menschen zutreffen.

Aber man muss dem ÖGB fast dankbar sein. Er zeigt damit, ab welcher Höhe die Menschen bei seiner Steuerreform erst wirklich zu profitieren begännen. Bei einem Monatseinkommen von 1.600 € macht die Steuerersparnis schlicht nur ein paar € pro Monat aus. Besser als nichts? Wir gehören gewiss nicht zu jenen Zynikern, die den Mindestrentnern sagen: Aber es macht eh nur eine Wurstsemmel pro Monat aus. Aber vergessen wir nicht: Diese Steuerre­form soll mindestens 5 Milliarden kosten. Die fehlen im öffentlichen Haushalt und kommen praktisch nur der oberen Hälfte zugute, und zwar je höher umso mehr. Wir hören jetzt bereits das sattsam bekannte: Das können wir uns nicht leisten! Dabei kann es diese Begründung seit den Geschenken an die Spekulanten im Allgemeinen und an jene um die Hypo Alpe-Adria im Besonderen eigentlich gar nicht mehr geben.

Eine Steuerreform ist dringlich. Aber nicht jene, die der ÖGB und die SPÖ vorschlagen. Inzwischen haben auch die Leute in der ÖVP überringelt, welches Geschenk ihnen da die ÖGB-ler und SPÖ-ler anbieten ˗ sie drängen nun sogar auf die Steuerreform dieser Art und verbinden das mit politischen Drohungen.

Eine Steuerreform aus linkem Blickwinkel müsste umfassen:

1) Eine deutliche Verschärfung der Progression. Die Heuchler von der SPÖ sprechen von der „Millionärs-Steuer“. Aber sie weigern sich, die Tarifstruktur zu ändern.

2) Eine Verdoppelung der Körperschaftssteuer, jener Einkommenssteuer der Konzerne. Unlängst hat ein Mitarbeiter eines deutschen Gewerkschafts-Instituts darauf hingewiesen, dass die Verteilung in ihrer Schiefe bei Einkommen und Vermögen massiv unterschätzt wird. Es werden nämlich die nicht ausgeschütteten Gewinne nie mitgerechnet. Und die machen in der BRD, und soweit wir wissen auch in Österreich, mehr aus als die Ausschüttungen.

3) Eine Schwerpunktverlagerung von der Mehrwert- auf die Einkommenssteuer ˗ der ÖGB will exakt das Gegenteil.

4) Schließlich eine Indexierung des Tarifs. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum nur wegen der Inflation Jahr für Jahr mehr Personen in obere Steuerklassen rutschen.

Der Entwurf des ÖGB sagt mehr aus als jede programmatische Erklärung sonst. Der Herr Foglar hat einen Stil zu reden und zu argumentieren, auch gegenüber unbelichteten ORF-Journalisten, der im Vergleich zu sonstigen Politikern durchaus positiv absticht. Hier hat er seine proletarische Herkunft noch erhalten. Aber die Inhalte sind soweit ins neoliberale Feld gerückt, dass man anfängt, den Herren Verzetnitsch und Konsorten nachzutrauern.

17. November 2014