Presseerklärung von Dr. Gabriele Vana-Kowarzik vom 31.03.2005

31.03.2005

Betrifft: Sandra Bakutz

Der Prozess gegen Sandra Bakutz findet im 11. Strafgericht für Schwere Vergehen statt, dem früheren Staatssicherheitsgericht. Die Umbenennung dieses Gerichtes ist lediglich eine formale Angelegenheit. Vor dem Gerichtssaal befinden sich Militärs mit Maschinenpistolen, im Gerichtssaal eine hohe Polizeipräsenz.
Nach einer Stunde Warten wird der Prozess, der für 10:40 anberaumt war, auf 14 Uhr verschoben und beginnt schließlich um 14:45. Türkischen ZuhörerInnen wird der Zutritt zum Verhandlungssaal verweigert, lediglich die ProzessbeobachterInnen dürfen diesem zuhören. Die Anklage stützt sich nach wie vor lediglich auf einen Zeitungsartikel der Hürriyet, die Anfrage bei Interpol sowie deren Auskunft befindet sich nicht im Akt. Sandra Bakutz hält ihre Verteidigungsrede, verneint auf nochmalige Nachfrage des vorsitzenden Richters, dass sie die auf dem Foto dargestellte Person ist. Nach der Verteidigungsrede von RA Selcok Kozagacli beantragt der Staatsanwalt die Beischaffung des Originalfotos der Zeitschrift Hürriyet sowie die Beischaffung des Aktes der Interpol. Dies, nachdem das Hafturteil im Jahr 2001 (!) erlassen wurde. Ich habe den Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft keinerlei Beweise hatte und diese erst jetzt sammeln muss. Nach kurzer Beratung fasst der Dreirichtersenat den Beschluss die Verhandlung zu vertagen und die Beweise beizuschaffen sowie von Sandra Bakutz Fotos anzufertigen, um diese mit den Originalfotos der Zeitschrift zu vergleichen. Sandra Bakutz wird nach Anfertigung der Fotos enthaftet.
Um ca 18.30 haben sich ca 40 Personen beim Gefängnis eingefunden, um Sandra Bakutz abzuholen, türkische Freunde haben eine kleine Feier vorbereitet. Um 20 Uhr verlässt ein Auto mit Sandra Bakutz das Gefängnis, niemand weiß wohin sie gebracht wird. Eine Anfrage bei der österreichischen Botschaft bringt kein Ergebnis. Erst um ca 22 Uhr erfahre ich, dass Sandra Bakutz zur Fremdenpolizei verbracht wurde. Gerüchte besagen, dass sie mit einem Flug um 5 Uhr 20 nach Wien fliegen soll. Ein Versuch Sandra Bakutz bei der Fremdenpolizei selbst sprechen zu können scheitert.
Ich gewinne den Eindruck, dass verhindert werden soll, dass Sandra Bakutz zu ihrer Verhaftung und ihrer Haft in der Türkei bei Journalisten Stellung beziehen soll – eine andere Form der Verhinderung von Meinungsfreiheit. Nach meiner Ankunft in Wien erfahre ich, dass Sandra Bakutz um 14 Uhr 15 mit der Austria Airlines, Ankunft in Wien um 16 Uhr 35, die Türkei verlassen muss. Sandra Bakutz wäre gerne noch 1-2 Tage geblieben, um sich bei jenen Personen in der Türkei, die sie während ihrer Haft unterstützt haben, insbesondere bei den AnwältInnen der Menschenrechtsorganisationen, zu bedanken. Diese Gelegenheit wurde ihr genommen.
Ich hatte auch Gelegenheit mit türkischen Anwälten zu sprechen. Sandra Bakutz ist nicht der einzige Fall in der Türkei, wo fadenscheinige Argumente benützt werden um MenschenrechtsaktivistInnen festzuhalten. Selbst AnwältInnen die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen werden nach wie vor strafrechtlich verfolgt. Die Menschenrechte – insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung – haben in der Türkei anscheinend noch immer keine Gültigkeit.