EU-Gipfel in Göteborg

11.05.2001

14.-16. Juni, Göteborg

EU-Gipfel in Göteborg - Schwedische Linke ist vorbereitet:
"SCHWEDEN RAUS AUS DER EUROPÄISCHEN UNION"

Von Klaus von Raussendorff

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union werden vom 14. bis 16. Juni 2001 zu ihrem halbjährigen Gipfeltreffen im schwedischen Göteborg zusammenkommen. Seit Schweden 1995 Mitglied der Europäischen Union wurde, ergab bisher jede Meinungsumfrage mehr oder minder deutlich, daß das schwedische Volk, hätte es eine zweite Chance, in einem Referendum seine Meinung zur EU-Mitgliedschaft zu äußern, mit "NEIN" stimmen würde.

Der schwedische Premierminister Göran Persson und die Regierung, d.h. die Sozialdemokraten, und das vereinte Establishment des Landes geben sich während der sechsmonatigen schwedischen EU-Präsidentschaft alle Mühe, um einen Umschwung der öffentlichen Meinung zugunsten der EU zu bewerkstelligen.

Proteste zu erwarten

Aber wo können sich seit Seattle die Herren der Globalisierung noch ungestört treffen? Auch in Göteborg werden sie nicht alle ihren Auftritt haben. Für Freitag, den 15. Juni, 18 Uhr, hat das "Netzwerk Göteborg 2001" zu einer Demonstration aufgerufen. Im Einklang mit der breiten öffentlichen Meinung des Gastlandes lauten die Forderungen: "Schweden raus aus der EU !", "Nein zur Europäischen Währungsunion !"

Das Bündnis besteht aus "demokratischen, nicht rassistischen Organisationen und Einzelpersonen, die gegen die schwedische EU-Mitgliedschaft und gegen die Europäische Währungsunion sind." Ihr Ziel ist es, " der undemokratischen und bürokratisch regierten EU die öffentliche Meinung demonstrativ entgegen zu stellen und während des EU-Gipfeltreffens vom 13. bis 16. Juni 2001 Kundgebungen und andere Aktivitäten (Seminare, Konzerte, Kulturveranstaltungen und andere Demonstrationen) zu planen, zu koordinieren und durchzuführen." An dem Bündnis beteiligen sich die beiden im schwedischen Parlament vertretenen Anti-EU-Parteien Linkspartei (Vänsterpartiet) und Grüne Partei
(Miljöpartiet) sowie die Kommunistische Partei KPML(r) und deren Jugendorganisation Revolutionäre Kommunistische Jugend, ferner die aus der Referendumsperiode 1994 übrig gebliebene Volksbewegung Nein zur EU (Folkrörelsen Nej til EU) sowie die Jugendorganisation der Vänsterpartiet Junge Linke, ferner eine Gruppe sozialdemokratischer EU-Kritiker, die Sozialistische Partei, die Einheitsinitiative, die
Umweltorganisation Friends of the Earth, der Sportclub Proletären FF u.a.

"Europa" eine Klassenfrage

Nicht zu übersehen ist, daß die Einstellung zur EU eine eindeutig klassenmäßige Grundlage hat. Die breiten Massen der Arbeiter und Lohnabhängigen sind dem ganzen EU-Konzept gegenüber kritisch oder offen ablehnend eingestellt, während die breite Mehrheit des Establishment dafür ist. In Dänemark ist die Lage ganz ähnlich. Doch anders als dort gibt es in Schweden keine größere bürgerliche, reaktionäre, fremdenfeindliche Partei auf der Rechten, die gegen die EU auftritt. Die
schwedische Volksbewegung Nein zur EU hat ihre Schwesterorganisationen in Dänemark (Folkebevegelsen) und Norwegen (Nej till EU) kontaktiert. Diese werden am Freitag mit den Schweden demonstrieren.

Neben der großen Kundgebung am Freitag, den 15. Juni, die um 18 Uhr beginnt, wird es am Samstag, den 16. Juni, eine weitere Demonstration, den sogenannten "Euromarsch" geben, der von verschiedenen anderen schwedischen politischen und sonstigen Organisationen (Trotzkisten, Anarcho-Syndikalisten etc.) veranstaltet wird. Diese haben ihre Beteiligung an der großen Kundgebung abgelehnt und das Transparent
"Schweden raus aus der EU" ausdrücklich verboten. Sie sind "Für ein anderes Europa". Auch in Schweden gibt es "Linke", die behaupten, die Europäische Union sei eine objektive Realität der Globalisierung, die als unausweichlich hingenommen werden müsse. Sie meinen, der Kampf gegen die EU sei ein Schritt zurück in die Vergangenheit. Die Verteidigung der nationalen Souveränität erscheint manchen zu engstirnig, sogar
chauvinistisch und reaktionär. Nein, sagen sie, eine gemeinsame europäische Arbeiterrevolution ist das Ding. Anstelle der heutigen EU proklamieren sie ein sozialistisches Europa. Das sind wahrlich große Worte.

Kampf gegen die EU auch eine Frage der Demokratie

In Wirklichkeit, so meinen dagegen die prinzipiellen EU-Gegner, ist der entstehende europäische Superstaat nicht nur eine Vereinbarung der Kapitalisten und herrschenden Klassen zur Organisation eines reaktionären Machtblocks und der Ausbeutung in Europa gegen den sogenannten Wohlfahrtsstaat und gegen die politischen, sozialen und gewerkschaftlichen Grundrechte der Arbeiterklasse. Die EU ist auch ein
Angriff auf die bürgerliche Demokratie, insofern diese den Ausdruck der Volksmeinung ermöglicht, und sei es auch nur alle vier, fünf Jahre und nur im Rahmen des kapitalistischen Systems. Die EU entleert auch die
bürgerliche Demokratie der Reste ihres fortschrittlichen Inhalts und ersetzt sie durch ein elitäres, bürokratisches System, das von den
Transnationalen Konzernen kontrolliert und reguliert wird. Der prinzipielle Kampf gegen die EU ist daher nicht nur eine Klassenfrage sondern auch eine Frage der Verteidigung der Demokratie gegen die Reaktion auf nationaler und internationaler Ebene. Die Kommunisten haben in Schweden ähnlich wie in Griechenland die Schaffung einer breitest möglichen demokratischen Allianz gegen die Reaktion zu ihrem Programm erhoben. Die EU-Mitgliedschaft ist zweifellos die schwächste Front des schwedischen Monopolkapitals. Nicht nur, weil diese mit einer neo-liberalen Politik der brutalsten Art einhergeht, die die EU automatisch und eindeutig an eine arbeiterfeindliche Politik bindet, sondern auch weil die EU-Mitgliedschaft die traditionellen und allgemein akzeptierten Werte wie nationale Selbstbestimmung, Bündnisfreiheit und Sozialstaat untergräbt.

Sonderempfang für George W. Bush

Zum Auftakt ihres Gipfels am Donnerstag empfangen die "Europäer" in ihrer Mitte den neuen US-Präsidenten George W. Bush. Auch dagegen wird sich Protest regen. Zur Vorbereitung einer Kundgebung wurde auf
Initiative der Kommunistischen Partei zusammen mit der Linkspartei ein Komitee gebildet, in dem bisher 25 Organisationen, darunter vor allem Flüchtlings- und Exilorganisationen, zusammenarbeiten. Ungeachtet ihrer
Einstellung zur EU, werden sie in Göteborg auch gegen den US-Imperialismus protestieren.