Ein Anschlag gegen künftige Friedenschancen in Kolumbien

14.06.2002

Die EU setzt die FARC auf ihre "schwarze Liste" terroristischer Organisationen

Am 12. Juni beschloss der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AstV) der EU-Mitgliedsländer die größte lateinamerikanische Befreiungsbewegung, die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC), auf ihre Liste terroristischer Organisationen zu setzten.
Diese Entscheidung fand vor allem auf Druck der derzeitigen spanischen Ratspräsidentschaft statt, die seit Jahren unter dem Schutz des "Kampfes gegen den Terrorismus" im Baskenland elementare demokratische Rechte verletzt. Schweden, das sich vor einem Monat noch gegen eine solche Entscheidung ausgesprochen hatte, da sie künftige Friedensverhandlungen verunmöglichen würde, hat sich nun dem "antiterroristischen" Konsens der EU untergeordnet.
Damit sind alle Signale für einen breiten und schmutzigen Krieg in Kolumbien gestellt. Die USA bahnten mit dem Plan Kolumbien den Weg und drängten seit dem 11. September auf den Bruch der Verhandlungen zwischen Regierung und FARC, die bereits in ihrer Liste terroristischer Organisationen figurierte. Diese Liste begann nach dem 11. September die Welt mit sich zu reißen, denn "wer nicht mit uns ist, ist gegen uns", wie George Bush meint. Auch die UNO, die im Januar 2002 noch durch ihren Gesandten den Abbruch der Gespräche verhinderte, übernahm die US-Liste. Und nun, nachdem in den Präsidentschaftswahlen am 26. Mai mit Uribe Velez ein Kandidat gewählt wurde, der mit antidemokratischen Sicherheitsgesetzten, Hochrüstung der Streitkräfte und einer Legalisierung des Paramilitarismus den Widerstandkampf für einen Frieden durch sozialer Gerechtigkeit ausradieren will, hat auch die EU in diese imperiale Kriegspolitik eingeschwenkt.
Die EU stärkt damit nicht nur dem rechtsradikalen Präsidenten Uribe den Rücken. Sie begeht einen Anschlag gegen Freiheitsrechte und Demokratie, indem sie die Verfolgung und Enteignung einer Bewegung verordnet, die große Teile des kolumbianischen Volkes hinter sich weiß, die durch ihren Druck für drei Jahre zumindest kleine Spielräume für die demokratische Artikulation des Volkes eröffnete und die selbst von den europäischen Regierungen als anerkannter Teil der Friedensverhandler empfangen wurde.
Doch wie die kolumbianische Oligarchie, sah auch die EU ihre infamen Hoffnungen auf eine Befriedung der Befreiungsbewegung ohne Veränderungen zugunsten der Armen gescheitert, da die FARC konsequent auf der "Gemeinsame Agenda für den Wandel" als soziale und politische Grundbedingung für einen nachhaltigen Frieden bestanden. Vielleicht glaubte man etwas länger in die Befriedungspolitik als die USA, doch das Ziel blieb das gleiche.
Es bleibt nun die Frage: Wer wird das nächste Opfer? Die palästinensische PFLP, die Baskische Batasuna-Partei mitsamt ihrer Bürgermeister, Parlamentarier und ihres EU-Parlamentsabgeordneten? Gar nicht zu reden von der Hexenjagd, die diese Entscheidungen gegen arabische und jetzt wohl auch kolumbianische Staatsbürger in Europa und gegen politische Flüchtlinge hervorrufen. Selbst das Asylrecht für jene, die "direkt oder indirekt" die "Terroristen unterstützen (also alle konsequenten und von der Regierung verfolgten Oppositionellen) ist gefährdet. Jeder der gegen ein befreundetes Unrechtsregime des Westens kämpft, ist somit vogelfrei.
Die Solidaritätsbewegung darf diesen Angriff der EU gegen die Demokratie, gegen die Chance auf Frieden und gegen eine einflussreichen Volksbewegungen Kolumbiens nicht ohne Protest hinnehmen.
Das Lateinamerika Forum der Antiimperialistischen Koordination erinnert angesichts dieses internationalen Rückenwindes für Uribe Và©lez und seine autoritäre und kriegerische "Lösung" in Kolumbien noch einmal an den Besuch von Carlos Lozano in Österreich. Als Mitglied der Notabeln-Kommission bei den Friedensgesprächen setzt er sich weiterhin für eine Verhandlungslösung und für Frieden durch soziale Gerechtigkeit ein. In seinem Vortrag in Wien, wird er die sozialen und politischen Hintergründe des Konfliktes aufzeigen, das Fehlen von Demokratie und Gerechtigkeit durch eine oligarchische Herrschaft als Grund für den bewaffneten Konflikt und damit die Überwindung dieser Minderheitsherrschaft (gewählt im Krieg, Korruption und paramilitärischem Terror von kaum 25 % der Kolumbianer) in Richtung eines neuen Kolumbien als notwendiger Weg zum Frieden.