Bagdad, 7. März

07.03.2003

Die Teilnehmer der österreichischen Schutzschildmission

Die irakischen Behoerden haben 5 Aktivisten, darunter den Initiator der Schutzschild-Aktion Ken O`Keefe und Angehoerige der ihm nahestehenden Gruppierung, am Donnerstag hoeflich aufgefordert, das Land zu verlassen.

Der Grund fuer diese Massnahme liegt einerseits in einer von einer sehr kleinen Gruppe der Human Shields vertretenen Politik, die sich darauf versteift hat, dass nur diejenigen Leute im Land bleiben sollten, die absolut bereit sind, bis zur Bombardierung und darueber hinaus zu bleiben. Die anderen sollten gehen.

Mit dieser Politik waeren alle jene ausgeschlossen gewesen, die aus beruflichen oder persoenlichen Gruenden zuruekreisen muessen und sich daher nur auf eine zeitlich begrenzte Aktivitaet eingestellt hatten.

Die Zusammenarbeit zwischen den Unbedingten, den Temporaeren und andererseits den Antikriegs-AktivistInnen, die zahlreich vor Ort praesent sind, aber den Human Shields nicht angehoeren, die Herausbildung einer intensiveren Vernetzung zwischen all diesen Bereichen also wurde durch dieses Hardliner-Konzept erfolgreich gestoert.

Diese Hardliner waren ausserdem extrem grob und behandelten regelmaessig die Neuangekommenen als ihr Fussvolk. Was wollen hier "all those people", war ein Ausdruck, der charakteristisch ist fuer die Brutalitaet und Unsensibilitaet, mit der dieser hardcore-Kern vorgegangen ist! Dieser Bereich von politischen Aktivisten hat im uebrigen mit der Linken wenig zu tun.

Zumeist waren es Typen und Typinnen, die etwas Predigerhaftes an sich hatten und bei jeder Gelegenheit mit dem Wort "Gott" um sich warfen.

Sie hatten wohl vergessen, dass sie sich nicht im Land des christlichen Fundamentalismus a la Bush und Konsorten befanden, sondern in einem (mehr oder minder) laizistischen Staat.

Ein weiterer Grund fuer das Vorgehen der Behoerden, genauer der Vereinigung, die die Betreuung der Human Shields uebernommen hat, liegt in der Unvereinbarkeit des Vorgehens des eher jugendlichen und selbsternannten Leaders der Human Shields in Bagdad, der seine fuehrende Rolle in seiner eigenen Organisation mit der saemtlicher Human Shields verwechselt hat, und andererseits dem gewandten und glatten Auftreten des Karrierediplomaten Dr. Hashemi, des Leiters der Organization for Friendship, Peace and Solidarity, eines ehemaligen Botschafters. Die beiden Lebenstile waren wohl ein wenig unvereinbar.

Die Politik der hardcore-Gruppe wurde vom Staat geschickt aufgegriffen. Bei einer Zusammenkunft der Human Shields mit diesem Dr. Hashemi gestern, Donnerstag, wurde den Hardlinern von ihm vorgeworfen, sie waren es gewesen, die das Geruecht ausgestreut haetten, die Behoerden wuerden diejenigen zur Rueckfahrt zwingen, die nicht bis zum Ende bleiben wollten.

Allerdings konnte er das nicht dokumentieren.

Dieses Geruecht machte auf den Plena tatsaechlich die Runde: und es muss mit aller Deutlichkeit gesagt werden, dass die Behoerden, das heisst die Freundschaftsorganisation, die Human Shields nie vor eine solche Alternative gestellt hat.

Ausserdem wurde Ken O`Keefe vorgeworfen, er habe sich eine Fuehrerrrolle angemasst, die ihm nicht zustehe.

Diese Einschaetzung wird allerdings von einem Grossteil der AktivistInnen geteilt.

Heute nachmittag wurde bei einem internen Treffen mit den 5 Betroffenen der Vorwurf der Leadership wiederholt und es wurde praezisiert, dass die Human Shields Aufgaben uebernommen haettten, die nicht in ihrer Kompetenz laegen.

Es gibt Leute unter den Human Shields, die das umdrehen und vor der Presse, etwa in einem Interview mit einer kanadischen Zeitung, behaupten, mit ihrem Auftreten haetten die HS der Bevoelkerung gezeigt, wie man tapfer und mutig dem staerksten Mann der Welt trotzen koenne und sie seien gerade dadurch zu einem gefaehrlichen Modell geworden, an dem sich die irakische Bevoelkerung ein Beispiel nehmen koennte bei einer Rebellion gegen die eigene Regierung. Daher haette die Organisation das Projekt wieder abgewuergt.

Die buergerliche Pressse hat schon ihr gefundenes Fressen.

Dr. Hashemi hat es allerdings leider verabsaeumt, konkretere Gruende fuer das politische Betaetigungsverbot zu nennen.

In einer Petition wurde die Ruecknahme der Massnahme gefordert, Aussicht auf Erfolg besteht keine.

Eine sehr grosse Anzahl von AktivistInen ist mit der eiskalten und ausserdem auch technokratischen und pragmatischen Unkultur der hardcore-leadership der britisch-amerikanisch/australischen Aktivisten nicht einverstanden und weint daher den entschwundenen Fuehrern keine Traene nach, kritisiert aber ebenso die Entscheidung des Dr. Hashemi.

Gravierend ist dabei, dass von der Massnahme auch eine aus der Tuerkei stammmende Person betroffen wurde, die sich gerade mehrere Male als Vermittler zwischen unrealistischen Forderungen aus dem Plenum und der staatsnahen Organisation versucht hatte, in dem sie das nicjht unrichtige Argument vorbrachte, man muesse mit seinen Forderungen realistischerweise den Kriegszustand und die Lage einer Regierung beruecksichtigen, die von allen Seiten bedraengt und fertiggemacht wird.

Der allergroesster Fehler des Doktors war, dass er von nun an saemtliche Plena verbot, also die Lebensluft einer jeglichen demokratischen Entscheidungsfindung, eines jeden demokratischen Streits.

Ausser Frage steht fuer alle, wie es zu hoffen ist, fuer alle ohne Ausnahme, dass die Anti-Kriegsarbeit auf alle Faelle fortgesetzt werden muss, ob im Irak, ob ausserhalb. Der groesste Feind heisst George Bush.

Aber manchmal ist Bush auch mitten unter uns.