Brennende Fahnen in Wien, Zusammenstöße in Rom

25.03.2004

Sittenbild einer Demonstration

Am 20. März, ein Jahr nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf den Irak, finden auf der ganzen Welt Demonstrationen gegen den Krieg statt. In Wien verbrennen Aktivistinnen und Aktivisten eine Fahne der Europäischen Union und 2 der Vereinigten Staaten von Amerika – um in schärferer Form gegen die Kriegspolitik der USA und gleichzeitig gegen jeden Euroimperialismus Stellung zu beziehen. Skandal. Nachdem das ASF (Austrian Social Forum) bereits beschlossen hatte die AIK nicht auf die Unterstützerliste aufzunehmen und einen Redner des irakischen Widerstands abgelehnt hat, folgt die übliche schnelle Distanzierung. Ein gutes Verhältnis zur Sozialdemokratie und die Zusammenarbeit mit pro-amerikanischen Kräften ist wichtiger als entschlossenes Auftreten. Szenenwechsel. In Rom wollen die Linksdemokraten (DS – entspricht in etwa der SPÖ) mit ihrem Vorsitzenden Fassino an der Großdemonstration teilnehmen. Daraufhin werden Parolen gerufen: "Fassino, raus aus der Demonstration", es folgen minutenlange Handgreiflichkeiten mit dem Ordnerdienst der DS, sie werden de facto aus der Demonstration gedrängt.

Wir sind keine Hellseher, aber die folgende Annahme scheint nicht wirklich gewagt: Hätte es Gusenbauer für wert befunden die Demonstration in Wien mit seiner Anwesenheit zu beehren, das ASF wäre vor ihm auf dem Bauch gelegen. Hätte Peter "Bomben auf Belgrad" Pilz auf dem Stephansplatz sprechen wollen, man hätte ihm mit Sicherheit zumindest den zweiten Platz auf der Rednerliste angeboten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Anwesenheit von Sozialdemokraten an sich ist kein Problem. Jeder der ehrlich gegen die Besatzung protestieren will, der muss willkommen sein. Das Problem ist der Wille zur politischen Unabhängigkeit. Die Linie des ASF ist es, die Antikriegsbewegung an der linken Flanke der europäischen Sozialdemokratie zu halten, sie letztlich eben nicht aus der Einheitspartei des liberal-konservativen Mainstream herauszulösen. Dort wird sie nicht nur vertrocknen, in dieser Position wird die Antikriegsbewegung politisch wirkungslos und steril. Die Rücksichtnahme auf potentielle sozialdemokratische Verbündete (die sich tatsächlich an der Demonstration gar nicht beteiligten) verhindert es, eine echte Alternative darzustellen, erlaubt es nicht das Spiel der Zweiparteienlandschaft zu durchbrechen – in dem einmal die "linke", dann die "rechte" Systemhälfte, die gleiche Politik betreiben.