Solange das Volk nicht an der Macht ist, wird es keinen Wechsel geben

30.01.2006

Erster Bericht des
Internationalen Bolivarianischen Lagers

Am 24. Jänner begann
das polyzentrische Weltsozialforum in Caracas. Gleichzeitig veranstalten
mehrere bolivarianische Basisorganisationen wie die Nationale Bauernfront
Ezequiel Zamora, das Kollektiv Alexis Vive, die Coordinadora Popular von
Caracas und antiimperialistische Bewegungen aus verschiedenen Ländern, darunter
das Antiimperialistische Lager, das Internationale Bolivarianische Lager, das
dazu dienen soll "die Ketten des Imperialismus zu durchbrechen".

Die Straßen von
Caracas sind mit Antiglobalisierungsaktivisten gefüllt, wie üblich bei den
Megaveranstaltungen der Sozialforen. Das Forum von Caracas wird von der Debatte
dominiert, wie die "sozialen Bewegungen" sich zu den neuen mitte-links
Regierungen in Lateinamerika stellen sollen. Unter den unzähligen von
Kollektiven herrscht ein starker Enthusiasmus, was den Wechsel betrifft, vor.
Das offizielle Forum ließ keinen Zweifel offen, dass seine Unterstützung dem
Block der lateinamerikanischen Linken gilt (Evo Morales in Bolivien, Kirchner
in Argentinien, Lula in Brasilien, Tabare Vazquez in Uruguay und Chavez in
Venezuela). Abgesehen von der Begeisterung kann diese Situation die
Identitätskrise der Antiglobalisierungsbewegung, die immer für sich in Anspruch
genommen hat, "antistaatlich" und "antiparteilich" zu sein, vertiefen.

Die venezolanische
Situation hat offensichtlich den Dynamiken des Sozialforums ihren Stempel
aufgedrückt.
Der Antiimperialismus
und die Perspektive des "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" sind in allen
offiziellen Veranstaltungen präsent. Trotzdem finden sich noch immer nur
nordamerikanische Friedensaktivisten, welche den Krieg gegen den Irak und die
Politik von Bush verurteilen, während den Vertretern des Widerstandes aus den
überfallenen Ländern und Völkern keinen Raum in den offiziellen Veranstaltungen
zuerkannt wird.

Dies war einer der
Gründe für die Organisierung des Internationalen Bolivarianischen Lagers. Mit
einer starken Beteiligung von Bauern, deren diszipliniertes Auftreten sich
grundlegend von der ansonsten vorherrschenden Partystimmung auf der
Eröffnungsdemonstration des Sozialforums abgesetzt hatte, unterbrachen die
Antiimperialisten die Antiglobalisierungsmultitude. Untergebracht in der Schule
Gabriela Mistral des Viertels 23. Jänner, versorgt vom Kollektiv Alexis Vive,
das in eben diesem rebellischen Stadtviertel in Caracas aktiv ist, veranstalten
rund 700 Personen, darunter Aktivisten aus dem Bauernsektor, der Stadtviertel,
antiimperialistische lateinamerikanische Organisationen und Jugendliche des
offiziellen Sozialforums, die von den bolivarianischen Antiimperialisten für
dieses Treffen interessiert worden waren, eine Zusammenkunft die von den
Volkssektoren Venezuelas dominiert ist.

Nach einer Eröffnung,
bei der Feuer auf den Dächern der Häuserblocks des Viertels 23. Jänner
entzündet wurden, um an die Genossen des Viertels, welche gefallen sind, zu
erinnern, widmete sich das Lager seiner politischen Arbeit. In Plenarsitzungen
und Arbeitsgruppen befassten sich die Bauernführer und die Führer des
Stadtviertels, Studenten und Jugendliche gemeinsam mit den Repräsentanten von
Organisationen für Menschenrechte aus Kolumbien, der linken antiimperialistischen
Bewegungen aus Europa, Delegierten aus verschiedenen revolutionären
Organisationen Lateinamerikas bis hin zu der palästinensischen Organisation
Abnaa elBalad, mit der Analyse der Strategien gegen das kapitalistische, von
den USA dominierte, Imperium, und betonten einmal mehr die Legitimität aller
Formen des Kampfes und das Ziel des Aufbaues eines neuen Sozialismus des 21.
Jahrhunderts.

Heute, nach einer Demonstration von Bauern in Verteidigung des Territoriums
wird die Tochter Che Guevaras auf einen Besuch im Stadtviertel erwartet. Die
nächsten Tage werden der Vertiefung der Diskussion über den venezolanischen
Prozess und dem Widerstand in anderen Teilen der Welt gewidmet sein.

Sowohl das staatliche
Fernsehen als auch mehrere Lokalradios berichteten über die
antiimperialistische Veranstaltung im Viertel 23. Jänner. Mit der
mehrheitlichen Beteilung von Volksorganisationen, Bauern und Jugendlichen aus
den armen Stadtvierteln ist die Nachricht an das Sozialforum und auch an die
antiimperialistische Regierung Venezuelas klar: entweder mit dem organisierten
Volk in Richtung einer neuen sozialistischen Gesellschaft, oder mit dem
Reformismus, der dazu verurteilt ist, weiterhin gefangen in den Ketten des
Imperiums zu sein.

Antiimperialistisches Lager,
Caracas, 27. Jänner 2006