Schluss mit den Sanktionen gegen den Iran

10.09.2008

aus Intifada Nr. 26

Der UN-Sicherheitsrat hat den Iran erneut aufgefordert, die Anreicherung von Uran und damit sein Atomprogramm zu suspendieren. Die Mächte, die den Iran seit Jahren drangsalieren - USA, EU, Deutschland, England, Frankreich, Russland, und nolens volens China - hatten Teheran im Gegenzug angeboten, die Beantragung neuer UN-Sanktionen für sechs Wochen auszusetzen. Zur Versüßung hatten sie eine Liefergarantie für nuklearen Brennstoff und eine Hilfezusage für den Bau eines Leichtwasserreaktors draufgelegt und sogar Verhandlungen über die Beendigung der seit langem wirksamen ökonomischen Sanktionen in Aussicht gestellt. Die Westpropaganda pries das als ein "großzügiges Angebot". Die iranische Regierung hat sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie hat bisher standhaft ihr unveräußerliches Recht verteidigt und will es auch in Zukunft tun. Ahmadinedschad versprach: "Wir werden kein Jota von unseren nuklearen Rechten abweichen."

Die Sanktionen sind illegal

Es bleibt also wie gehabt. Die Welt wollte keine neuen Atomwaffenstaaten haben und die Kernwaffen abschaffen. Zu diesem Zweck und mit diesem Versprechen wurde vor 40 Jahren der Atomwaffensperrvertrag (NPT) abgeschlossen. Iran hat diesen Vertrag unterzeichnet. Die übrigen Unterzeichnerstaaten haben daher das Recht, die iranischen Atomanlagen durch die Kontrollbehörde IAEO inspizieren zu lassen und jedem Hinweis auf nicht zivile Nutzung der Kernkraft nachzugehen. Aber der NPT sichert ausdrücklich allen Signataren das unveräußerliche Recht zu, den gesamten nuklearen Brennstoffzyklus für zivile Zwecke zu implementieren und verpflichtet die Nuklearstaaten zum Austausch von technologischen und wissenschaftlichen Daten. Ohne die Rechte zur zivilen Nutzung wäre der NPT von kaum einem der 180 nuklearen Habenichtse unterzeichnet worden. Der Beitritt zum NPT ist freiwillig. Sanktionen sind nicht vorgesehen. Die IAEO hat zwar Verdachtsmomente auf ein nicht ziviles Atomprogramm des Iran, hat aber trotz penibler Nachforschungen in fünf Jahren keine Verletzung des Abkommens nachweisen können. Daher hat der Sicherheitsrat kein Recht, den Stopp der Anreicherung zu fordern und Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Sie sind unrechtmäßig.

Der Sicherheitsrat verteidigt das Kernwaffenmonopol

Der Sicherheitsrat gibt vor, im Dienste der Nonproliferation zu handeln. Aber das ist bestenfalls ein frommer Schein. Denn der NPT verpflichtet die offiziellen Nuklearmächte zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung. Diese Zukunft begann vor 40 Jahren! Solange die Nuklearmächte diese Verpflichtung vollkommen ignorieren, ist ihr Bestehen auf Vertragserfüllung durch die anderen Staaten nichts als die Verteidigung eines Monopols. Um diese hässliche Blöße zu kaschieren, haben die Nuklearmächte im Mai 2000 einmütig ihre Absicht bekräftigt, die Kernwaffen zu eliminieren. Es blieb, wie in den 32 Jahren zuvor, bei dieser hohlen Proklamation. Im krassen Widerspruch zu ihren Worten modernisieren sie allerdings ihre Kernwaffen, entwickeln Präzisionsträger, Mini-Nukes und Bunkerbuster und bereiten die Stationierung im Weltraum vor. Die USA, England, Frankreich und Russland haben allesamt in den letzten sechs Jahren damit gedroht, ihre Kernwaffen präventiv, und sogar gegen Staaten einzusetzen, die keine solchen Waffen besitzen. Für den Westen, der ständig mit den Menschenrechten hausieren geht, gehört ein Leben ohne Bedrohung mit Massenvernichtungswaffen offenbar nicht dazu. Hier macht nur China eine Ausnahme. Die Chinesen haben immer betont, dass sie Kernwaffen niemals als erste einsetzen werden. Das ist insofern ein gewaltiger Unterschied, weil die Waffen dann zwar zur Vergeltung, aber nicht zur Erpressung taugen, wozu die anderen sie so gerne benutzen. Auch die Bundesrepublik Deutschland verletzt den NPT fortwährend, weil sie es zulässt, dass auf ihrem Territorium Kernwaffen lagern und weil sie über die NATO "nuklearer Teilhaber" ist. Es gibt ca. 23000 existierende Kernwaffen, mit denen die Nuklearmächte die Menschheit bedrohen. Und solange diese 23000 Kernwaffen nicht auf der Agenda des Sicherheitsrates stehen, hat seine Sanktionspolitik gegen den Iran nur einen erkennbaren Zweck - das Atommonopol der Atommächte zu erhalten, die in ihm das Sagen haben.

Der Sicherheitsrat behauptet ferner, dass der Verzicht des Iran auf die Anreicherung ein Beitrag wäre, den "Nahen Osten frei von Massenvernichtungswaffen zu machen". Auch das klingt gut, ist aber ebenso unglaubwürdig. Wenn der Sicherheitsrat auf einen atomwaffenfreien Nahen Osten hinwirken wollte, wie er vorgibt zu tun, müsste er zuerst die USA und Israel, evtl. auch Briten, Franzosen und Russen auffordern, ihre Kernwaffen aus dem Golf und dem Indischen Ozean und dem östlichen Mittelmeer zu verbannen und die faktische Bedrohung des Iran zu beenden. Die Anreicherung von Uran ist mit der Errichtung von atomwaffenfreien Zonen vollkommen kompatibel, die atomar bewaffneten amerikanischen Flotten und israelischen Tridentunterseeboote sind es sicher nicht. Die Sanktionspolitik des Sicherheitsrates lässt sich daher weder mit der Schaffung von atomwaffenfreien Zonen, noch mit der Aufrechterhaltung des Nichtverbreitungsregimes rechtfertigen.

Iran kann das Problem nicht durch Nachgeben lösen

Versuchen wir eine objektive Bewertung des "großzügigen Angebots". Ohne die gewohnheitsmäßige westliche Arroganz gegenüber den islamischen Ländern kann man darin nichts entdecken, was den Iran zum Nachgeben bewegen könnte. Iran soll garantierten Zugang zu nuklearem Brennstoff erhalten. Welche Sicherheit aber können dieselben Staaten geben, die dem Iran gerade durch Erpressung das hoch und heilig zugesicherte Recht auf die ungeteilte friedliche Nutzung der Kernenergie streitig machen, und dabei ausdrücklich mit Gewaltanwendung drohen? Teheran würde ein hohes, international verbrieftes Recht gegen eine mindere Garantie der Nuklearmächte eintauschen. Die Iraner würden die Unterstützung der Nichtnuklearstaaten verlieren, die in ihm einen Vorkämpfer für die Verteidigung ihres Rechts auf die zivile Nutzung der Kernenergie sehen.

Ernüchternd kommt hinzu, dass die Iraner schon schlechte Erfahrungen mit Verträgen über nukleare Zusammenarbeit gemacht haben. Das Kernkraftwerk in Bushehr wurde 1970 begonnen, zunächst mit deutscher Hilfe. Siemens ist nach der Revolution 1979 aus dem Projekt ausgestiegen. Die Russen haben es 2003 gegen amerikanischen Widerstand übernommen, aber die Fertigstellung verzögert sich nun von Jahr zu Jahr.

Schließlich - und das ist die Hauptsache - können die Iraner keinesfalls erwarten, dass die Drangsalierung und Sanktionen aufhören, selbst wenn Teheran sich der Erpressung beugt. Die USA haben Sanktionen sofort nach der iranischen Revolution betrieben, also längst vor den Verdächtigungen des Waffenprogramms, und sie werden mit dem Atomprogramm nicht enden. Weil es im Kern nicht um dieses Programm geht, ganz gleich ob es existiert oder nicht. Man braucht sich nur die Frage zu stellen, wie Teheran den Nachweis führen sollte, dass die Anreicherungsanlagen in Natanz und der Brüter in Arak stillgelegt sind. Die iranische Regierung beteuert seit Jahren, dass ihr Atomprogramm ausschließlich zivile Zwecke verfolgt - völlig vergeblich. Die IAEO hat zwar Verdachtsmomente und einige ungeklärte Fragen, sie hat aber keinen Beweis für die Verletzung des Vertrages vorgelegt. Auch die Abwesenheit eines Beweises genügt den USA nicht, sie verlangen den Beweis der Abwesenheit eines Waffenprogramms. Den Erkenntnissen des CIA zufolge hat Iran sein Waffenprogramm vor fünf Jahren eingestellt, aber die US-Regierung gibt sich auch damit nicht zufrieden. Sie wird unweigerlich die Einrichtung eines Kontrollsystems mit amerikanischer Beteiligung verlangen. Sie hat ein ähnliches Spiel zehn Jahre lang mit dem Irak betrieben, Massenvernichtungswaffen postuliert, das Land mit Sanktionen ruiniert und schließlich unter einem Schwall von Lügen militärisch überfallen und unter der anschließenden Besatzung vollkommen verwüstet. Woraus man klar erkennen kann, dass es nicht die Besorgnis über Massenvernichtungswaffen war, die die USA umtrieb. Mit dem geheimen Atomprogramm, das sie dem Iran unterstellen, verfolgen sie das gleiche Ziel. Es dient als Hebel, um den Iran zu isolieren und zu erpressen, schließlich zu demütigen und ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Dazu ist ein Waffenprogramm, dessen Nichtexistenz Teheran nicht beweisen kann, geradezu ideal geeignet.

Die unmittelbare Kriegsgefahr hat abgenommen

Die USA haben ihre Erpressungspolitik gegenüber dem Iran mit offenen Drohungen, militärischen Manövern und demagogischer Verteufelung seiner Führung begleitet. Ein Präventivkrieg gegen die Atomwaffen, über die der Iran allenfalls in einigen Jahren verfügen könnte, schien eine längere Zeit auf Tagesordnung zu stehen. Manche befürchten sogar, dass die Bush Regierung die noch verbleibende kurze Frist nutzen wird, um unwiderrufliche Fakten zu schaffen. Und nachdem hochrangige israelische Politiker einen Angriff auf die iranischen Atomanlagen für unvermeidlich halten, wird über den Point of no return und einen israelischen Alleingang und spekuliert. Obwohl man eine solche Katastrophe nicht ausschließen kann und Wachsamkeit weiter Not tut, gibt es eine Reihe von Gründen, dass der Krieg unwahrscheinlicher geworden ist.

Da sind zunächst ein paar offenkundige Entspannungssignale. Erstmals seit 1979 nahm ein US-Beamter aus der oberen Hierarchie an Gesprächen über das iranische Atomprogramm teil. Die USA erwägen die Errichtung einer Botschaft in Teheran. Dies sind - zugegeben - flüchtige Signale, aber Ahmadinedschad hat sie positiv quittiert: "Wir sehen eine neue Haltung der Vereinigten Staaten und von Beamten der Vereinigten Staaten."

Da ist weiter eine Reihe von längerfristigen Entwicklungen, die mit akuter Kriegsgefahr nicht ohne weiteres vereinbar sind. Wenn die Amerikaner beschlossen haben, in nächster Zukunft Gewalt gegen den "Schurkenstaat" anzuwenden, brauchen sie in Osteuropa längerfristig keine Abwehrraketen gegen eine potenzielle iranische Bedrohung einzurichten. Ein Krieg gegen den Iran müsste einem Enthauptungs- und Entwaffnungsschlag nahe kommen, also schon ein größerer Krieg sein. Die Amerikaner würden das iranische Militär, die Luftwaffe und die Trägersysteme nicht verschonen. Einfache Luftschläge gegen die iranischen Atomanlagen können allenfalls das Problem der Israelis lösen, und deren rein militärische Überlegenheit über die Region sichern. Das reicht für ihre säkulare Politik des Landraubes. Die Amerikaner aber haben imperiale Ziele. Sie nervt der unbeugsame Selbstbehauptungswille der iranischen Nation. Den wollen sie brechen. Das erreicht man nicht mit ein paar Bomben. Die wären geradezu kontraproduktiv, würden auf lange Sicht unversöhnlichen Hass erzeugen. Sie würden auch den Israelis allenfalls kurzen Aufschub gewähren, aber nachwachsende reale Bedrohung und den unerbittlichen Vorsatz für Vergeltung schmieden helfen. Das werden die Amerikaner auch den Israelis klarmachen.

Zweitens ist der US-Geheimdienst CIA im Herbst 2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Iran kein nukleares Waffenprogramm hat, und wenn er je eins gehabt hätte, dieses spätestens 2003 eingefroren habe und nicht vor 2015 über eine Atomwaffe verfügen könne. Fünfzehn weitere US-Geheimdienste sind zu demselben Schluss gekommen. Das ist eine sehr schlechte propagandistische Ausgangssituation für einen unpopulären Angriffskrieg. Bush hat zwar mehrmals explizit erklärt, dass er alle Optionen offen hält, er hat aber auch mehrmals versichert, dass er das Problem Iran mit diplomatischen Zwangsmitteln lösen will. Hershs wiederholte Berichte im New Yorker, dass die USA ihre geheimdienstlichen Sabotageaktionen im Iran mit viel Dollars sponsern und verstärken, stehen damit durchaus im Einklang - bis auf den Titel "Die Vorbereitung des Schlachtfeldes". Außerdem ist die US-Regierung keine Einmannshow und daher wird auch die scheidende Mannschaft nicht den geringen Rest an Glaubwürdigkeit unnötig verspielen. Täuschung spielt zwar in jedem Krieg eine große Rolle, aber die USA verfügen allemal das Potenzial für einen militärischen Überraschungsangriff. Das deutschsprachige Europa konnte sogar eine Wende in der publizistischen Desinformation verzeichnen. Ahmadinejad hatte im Oktober 2005 Khomeini mit der Äußerung zitiert, dass das Besatzungsregime in Jerusalem aus den Seiten der Geschichte verschwinden müsse. Obwohl jeder rechtschaffene Mensch dieses Ziel unterstützen muss, hat die Journaille das Zitat im Stile der Emser Depesche in eine Holocaust-Drohung gegen die Juden verfälscht und die zahlreichen Hinweise auf die Fehlerhaftigkeit der Übersetzung standhaft ignoriert. Die Fälschung ist gut zwei Jahre lang unzählige Male zur Brunnenvergiftung wiederholt worden. Inzwischen haben u.a. die Süddeutsche Zeitung, die NZZ und sogar die Bundeszentrale für politische Bildung die korrekte Übersetzung veröffentlicht.

Drittens - und das ist die Hauptsache - stehen die Amerikaner vor einer strategischen Umgruppierung ihrer Machtprojektion in Asien. Maliki, der irakische Präsident von US-Gnaden, darf die Forderung nach einem Plan für den Abzug der amerikanischen Truppen stellen. Sie passt zwar vordergründig zu den Wahlkampfversprechungen Obamas, wichtiger aber ist, dass es inzwischen einen Partei übergreifenden Konsens gibt, die Besatzung im Irak auszudünnen. Ein Teilabzug ist bereits im Gange. Damit scheint das Ringen hinter den Kulissen gegen den Einsatz von Gewalt gegen den Iran vorerst entschieden zu sein. Ein Teil der Truppen wird nach Afghanistan verlagert. Die USA haben an Macht verloren und müssen sich auf die Hauptaufgabe konzentrieren, Russlands Comeback zu verhindern und Chinas rapiden Aufstieg zu bremsen. Ein größerer Krieg würde einen Großteil des amerikanischen Militärpotenzials auf längere Zeit weit hinter ihrer strategischen Front gegen Russland und China binden.

Die USA haben ihr Angriffsziel verfehlt

Nach dem Untergang der Sowjetunion sah alles viel rosiger aus. Es gelang der einzigen Weltmacht schnell, die ehemals sowjetische Machtsphäre in Osteuropa abzuwickeln. Dann kam Zentralasien an die Reihe. Öl hin oder her, der Hauptzweck war immer, das Aufkommen von strategischen Rivalen zu verhindern und insbesondere Russland und China daran zu hindern, ihren Einfluss in diesem Raum auszuweiten. Der eurasische Balkan, sprich die Golfregion und Zentralasien, spielt in diesem Jahrhundert die Rolle des Zankapfels, die dem europäischen Balkan im Anfang des 20. Jahrhunderts zukam. Nach dem Anschlag vom 11.9. ergriff das Pentagon die willkommene Chance, Afghanistan mit einem Schein des Rechts zu erobern und damit einen weit vorgeschobenen Brückenkopf in Zentralasien zu errichten. Ein paar Militärstützpunkte in den Nachbarländern fielen den Amerikanern quasi in den Schoß. Ihr strategischer Plan sah nun weiter vor, den eurasischen Balkan vom Westen her systematisch aufzurollen und damit zugleich den afghanischen Vorposten zu sichern. Zug um Zug wurden Pakistan erpresst, der Irak geschlagen und Syrien bedroht. Der Iran war nun eingekreist und wurde isoliert. Er sollte über kurz oder lang fallen.

Aber der kühne Plan der Neokons, die US-Hegemonie über den Mittleren Osten und Zentralasien mit Blitzkriegen und Regimewechseln unter den Titeln "Krieg gegen den Terror" und "Demokratisierung" zu errichten, ist vollkommen gescheitert. Die schnellen Erfolge in Afghanistan und im Irak haben sich als Pyrrhussiege erwiesen. Es war leicht zu siegen, aber umso schwieriger, die Herrschaft zu behaupten. Die Amerikaner haben dabei schwere Fehler gemacht, ihre Kräfte gewaltig überschätzt und den wachsenden Widerstand der Unterdrückten unterschätzt. Im blinden Vertrauen auf ihre überlegene Militärmacht haben sie ihre Fähigkeit, zu führen und mit indirekten Mitteln zu kontrollieren, weitgehend eingebüßt. Ihr Ansehen und ihre Glaubwürdigkeit sind auf dem historischen Tiefpunkt angelangt. Das eigentliche Ziel, das Aufkommen von strategischen Rivalen zu verhindern, wurde verfehlt. Russland und insbesondere China haben ihren Einfluss zu ihren Lasten schnell vergrößern können.

Im Sinkflug ändern sich die Prioritäten

Der irakische Widerstand hat dem Iran eine Schonzeit verschafft. Heute fehlt den Amerikanern die Kraft, im Iran mehr als Verwüstung und Chaos zu stiften. Bei einem Überfall auf den Iran könnten die USA heute nur israelischer Unterstützung sicher sein. Nun droht Afghanistan ihrem Zugriff zu entgleiten und Pakistan wird widerspenstig, noch bevor das rückwärtige Terrain gesichert und unter die Kontrolle gebracht ist. Da müssen die Prioritäten neu gesetzt müssen. Die USA müssen halten, was noch zu halten ist und die Kräfte umgruppieren. Bush ist nach Peking gereist, um den Hegemonieanspruch der USA in Asien zu bekräftigen. Die Freunde Amerikas sollten sich nicht zu sehr mit China einlassen. Es sei oft so, dass man mit einem und nicht zugleich mit einen anderen Freundschaft aufrechterhalten könne.

Es sind objektive Bedingungen, die die USA zwingen, ihre Strategie anzupassen und den Konfrontationskurs gegenüber Iran zu dämpfen. Selbstverständlich kann man eine kriegerische Entwicklung nicht mit Sicherheit ausschließen. Allerdings ist sie nicht mehr sehr wahrscheinlich und es gibt keinerlei Hinweise auf Torschlusspanik. Der Krieg gegen den Irak wird weitgehend als Debakel angesehen. Daher wird die offene Aggression zurückhaltender eingesetzt werden. Die US-Politik wird dadurch nicht friedfertiger oder wohlwollender oder minder hegemonial. Die US-Regierung wird nur versuchen, eine zweite Chance zu erhalten, wie Brzezinski das nennt. Mehr das zu tun, was dieser imperiale Stratege schon vor 10 Jahren geraten hatte, was aber die Neokons konterkariert hatten. Wenn aber der Krieg gegen Iran unwahrscheinlicher wird, dann werden die realen Sanktionen zum größeren Übel. Und deshalb müssen sie beendet werden.

Jost Kaschube