Jemen: Der Krieg des Regimes gegen die Schiiten

26.09.2009

Seit 11. August befindet sich der jemenitische Staat in einem Kriegzustand in den eigenen Staatsgrenzen. In der Nordprovinz Saada, der Hochburg der schiitischen Minderheit des Landes, führt die Armee einen Totalangriff gegen die schwerbewaffneten „Houthi“-Milizen.
 

 
Die Eskalation ist die größte im Land seit dem „Separationskrieg“ von 1994. Wenn sich bisher die Repression des Regimes meistens gegen die Sozialistische Partei des ehemaligen Südjemens richtete, so ist ihr Ziel heute der schiitische Norden, der einst ein Alliierter im Kampf sowohl gegen die Kommunisten im Süden als auch gegen die sunnitischen Salafiten im Norden waren.

Die bewaffnete Bewegung von El-Houthi definiert sich als eine Erhebung gegen die politische, kulturelle und wirtschaftliche Marginalisierung des Gebietes. Gegründet von Badr-El-Houthi, befand sich die Bewegung „Gläubige Jugend“ schon im Jahr 2004 in Konfrontation mit dem Staat. Die Regierung beschuldigt die Houthi-Anhänger, das 1970 gestürzte monarchistische Regime wiederherstellen zu wollen. Die Unterdrückung der Bewegung 2004 kostete siebenhundert Menschenleben, darunter jenes von Bader El-Houthi.

Der jemenitische Staat basiert auf Allianzen von Militärs und regionalen Stammesführern, welche normalerweise weitgehende lokalen Autonomien genießen. Bewaffnung ist im Jemen ein kulturelles Merkmal. Alle Stämme sind im Besitz von (auch schweren) Waffen, die manchmal im Kontext von infrastrukturellen Forderungen und lokalen Konflikten mit dem Staat auch Einsatz finden. Im Fall von lokalen Forderungen lenkt der Staat meist ein. Nimmt jedoch ein Ungehorsam politischen Charakter an, so antwortet das Regime von Saleh mit härtester Repression, wie es vor einigen Monaten den Protesten der Sozialisten im Süden erging.

Einerseits auf eine Machtbalance mittelalterlicher Stammesstrukturen aufgebaut, andererseits zunehmend um Ali Abdallah Saleh und seine Familie zentralisiert, macht das jemenitische Regime das parlamentarische System der „Republik“ zur Farce. Saleh, der seit 1978 regiert, bereitet wie andere Amtskollegen im arabischen Raum seinen Sohn auf die Amtsnachfolge vor. Von der im Jahr 1991 nach der Wiedervereinigung errichteten parlamentarischen Demokratie blieb 1994 nach der militärischen Liquidierung der sozialistischen südjemenitischen Machtpartner  nur eine formale Hülle. Nach der Eliminierung der größten politischen Opposition spielte Saleh die widersprüchlichen politischen Kräfte im Land (Islamisten, Linke, Sunniten, Schiiten, Stämme) gegeneinander aus und konzentrierte die Macht in einem engen Kreis.
 
Im Konflikt mit den Houthis werden konfessionelle Differenzen instrumentalisiert, um eine sunnitische Mehrheit im Land gegen die Schiiten zu mobilisieren. Der ursprünglich lokale Konflikt regionalisiert sich einerseits durch die tatsächliche schiitische Solidarität von Seiten des Iran und des Irak, andererseits durch Salehs vehemente Anschuldigung gegen diese Staaten, sie würden die Aufständischen militärisch unterstützen. Dies leitet Wasser auf die Mühlen der konfessionellen Mobilisierung gegen den Iran. Saudi Arabien arbeitet mit Jemen im Kampf gegen die Schiiten zusammen und mobilisiert die salafitische Institution. Beide Regime hoffen dabei, die salafitische Opposition im eigenen Land zu kanalisieren.

Die derzeitige Offensive des jemenitischen Regimes ähnelt jener der sri lankesischen Armee gegen die Tamilen. Über den Verlauf der Gefechte und die Verluste sind wenige Nachrichten erhältlich. Die Machtdemonstration des jemenitischen Regimes läuft auf einen Zermürbungskrieg hinaus, der nur dazu dient, das Wasser im Arabisch-Persischen Golf für eine größere Konfrontation zu erwärmen.

M. Aburous
24.09.2009