Friedensaktivistin als "Gefahr für Israel" in Haft

24.09.2004

Tali Fahima diente in der israelischen Armee, wählte Ariel Sharon und zweifelte nicht daran, dass ihr Land gegen den Terrorismus und ums Überleben kämpfte. Doch letztes Jahr las die 29-jährige Anwaltssekretärin in einer israelischen Zeitung über Zakariya Zubeidi, den Anführer der al-Aqsa-Märtyrerbrigaden in Jenin – eine Gruppe, die für den Tod Hunderter Israelis in Selbstmord- und Bombenanschlägen verantwortlich ist. Frau Fahima entschloss sich, Herrn Zubeidi zu fragen, warum er Juden tötet.
Am 4. September verhängte das israelische Militär ohne Gerichtsverfahren eine Haftstrafe gegen Frau Fahima. Das entsprechende Gesetz wurde während der Intifada der letzten vier Jahre gegen Tausende Palästinenser, aber kaum jemals gegen Israelis angewandt. Die Behörden verweigerten Auskunft über die genauen Hintergründe, doch Verteidigungsminister Shaul Mofaz, der den entsprechenden Befehl unterzeichnete, sagte sie sei "eine klare und unmittelbare Gefahr für alle Israelis".
Geheimdienstquellen erklärten gegenüber der israelischen Presse, dass Fahima in den Bombenangriff auf eine Straßensperre des Militärs im August verwickelt sei und Anschläge innerhalb Israels plane.
Fahimas Anwälte und Freunde hingegen beschuldigen die Regierung, die drakonischen Sicherheitsgesetze zu missbrachen um sie zum Schweigen zu bringen, da sie das Tabu gebrochen hatte, Freundschaft mit dem Feind zu schließen und seine Haltung zu erklären.
Fahima besuchte Zubeidi in Jenin zum ersten Mal vor etwas mehr als einem Jahr, obwohl die israelische Regierung ihren Staatsbürgern verbietet, palästinensische Städte zu besuchen. Sie sagt, sie wollte herausfinden, was ihn dazu motiviert, Menschen zu töten. "Ich wollte ihn fragen, wie ein Mensch dazu kommt, so etwas zu tun", sagte sie in einem Interview mit dem israelischen Fernsehen: "Es gibt eine Ursache. Man steht nicht eines Morgens auf und beschließt: …‚So, heute führe ich einen Angriff durch.…‘"
Die israelische Armee nennt Zubeidi einen der meistgesuchten Terroristen. Sie versuchte fünf Mal vergeblich, ihn zu ermorden.
Nach mehreren Treffen mit dem Kommandanten der al-Aqsa-Brigaden beschreibt Fahima ihn als einen Freiheitskämpfer und "warmherzigen Menschen – ich bin froh, in kennen gelernt zu haben". Sie erklärte, sie würde sich als menschlicher Schutzschild vor ihn stellen um ihn vor israelischen Mordversuchen zu schützen. "Es ist schwierig für eine 28-Jährige, die mit bestimmten Werten aufgewachsen ist, eines Tages zu erkennen dass diese alle falsch waren", sagte Fahima in einem Interview mit der Jerusalem Post im Juni. "Wer ist für die Besatzung verantwortlich? Die Palästinenser? Nein. Es sind die Israelis – und was bin ich? Jüdin und Israeli, und wenn ich zu Hause sitzen und nichts tun würde, wäre ich mit verantwortlich. Zubeidi ist kein Terrorist, sondern er kämpft gegen die Besatzung. Auch die Selbstmordattentäter kämpfen gegen die Besatzer. Versetzen Sie sich einmal in ihre Lage. Grundlegende Rechte und Freiheiten werden ihnen vorenthalten."
Diese Ansichten haben viele Israelis in Rage gebracht und viele haben Fahima als Verräterin und Terror-Sympathisantin bezeichnet. Ihre Eltern – religiöse Menschen – sprechen nicht mehr mit ihr, und sie verlor ihre Arbeit.
Fahimas Anwälte weisen darauf hin, dass die Behörden Anklage erheben würden, anstatt Fahima in die Grauzone der Verwaltungshaft (Gefängnisstrafe ohne Gerichtsverfahren) abzuschieben, wenn sie Beweise hätten.
Justizminister Yosef Lapid sagte, dass keine Anklage erhoben würde, um die geheimdienstlichen Quellen zu schützen: "Es gibt ganz konkrete Beweise, die mir vorgelegt wurden, dafür dass sie Handlungen setzte, die die Sicherheit des Staates Israel gefährden. Die zuständigen Beamten meinen, dass es für die Sicherheit Israels besser ist, dass sie bis zu einem eventuellen Prozess in Haft bleibt."
Doch Fahimas Anwältin Smadar Ben-Natan erklärt, dass ihre Klientin letzten Monat festgenommen wurde, nachdem sie sich weigerte, für den israelischen Geheimdienst Shin Bet Spitzeldienste zu leisten.

Chris McGreal
The Guardian, 7. September 2004
Der Bericht wurde von der Redaktion übersetzt und leicht gekürzt.