Betrug, Lügen und Kasinokapitalismus am Wörthersee

23.12.2009

Die Bankrotteure lachen sich ins FäustchenZum Skandal der Hypo-Alpe-Adria Bank in Kärnten
 

Das Wochenende vom 11. – 13. Dezember und der darauffolgende Montag bescherte uns einen Lehrstück in der realen Verfasstheit der Politik Österreich.

Auf der Agenda stand die Entscheidung über die Zukunft der Hypo-Alpe-Adria und unbestritten war, dass die Kärntner Großbank per Jahresende Konkurs anmelden muss, sofern die Eigentümer die massiven Verluste nicht durch neues Kapital abdecken oder der österreichische Staat die Bank auffängt.

Das Ergebnis der darüber von Finanzminister Pröll, der Kärntner Landesregierung und den (bisherigen) Eigentümern BayernLB und Grazer Wechselseitige Versicherung geführten Verhandlungen ist bekannt – die Republik Österreich übernimmt die Hypo Alpe Adria und damit all ihre Verluste.

Dieses Ergebnis mag nicht überraschen, auch wenn es den vollmundigen Aussagen der Spitzenpolitiker in den Wochen davor diametral widerspricht.

„Es besteht nicht die geringste Absicht, den Steuerzahler für die Hypo-Alpe-Adria zur Kasse zu bieten“ (Pröll Ende November im Kurier).

„Die sollen sie nicht spielen. Es gibt kein Szenario, in dem der Bund mir nichts dir nichts die Probleme anderer löst." (Finanzstaatsekretär Schieder, SPÖ, in Richtung BayernLB)

„Es kann nicht angehen, dass alles privat sei, so lange es gut gehe, und wenn es schlecht laufe, der Staat dran sei. Die Eigentümer sind am Zug. ... Dass uns einfach etwas herübergeschoben wird, kann es nicht sein!“ (Bundeskanzler Faymann noch am 9.12.)

Wie anders klang das bereits 5 Tage später: „Die von Finanzminister Josef Pröll ausverhandelte Lösung hat unabsehbare Schäden vom Land Kärnten und von der Republik Österreich abgewendet. ... Die Funktionsfähigkeit der Kärntner Wirtschaft konnte erhalten werden.“ (Faymann am Montag, 14.12.)

Dass den Mündern der Machtelite lediglich Lügen entspringen, ist uns bekannt und die Entscheidung zur Hypo-Alpe-Adria kann im Kern deshalb nicht überraschen, weil klar ist und war, dass für die Machtelite der Schutz des Kapitals die allesüberragende Leitschnur darstellt.

Die Details dieses Wahnsinns sind dennoch wert, genauer betrachtet zu werden, weil sie einen neuen Tiefpunkt österreichischer Politik markieren.

Hauptgewinner der Entscheidung ist eindeutig das Land Kärnten bzw. dessen Landesregierung. Da das Land für Ausfälle bis zu einer Höhe von 13 Mrd. Euro im Fall der Hypo-Alpe-Adria bürgte, wäre Kärnten im Falle einer Insolvenz der H-A-A weitestgehend zur Kasse gebeten worden.

Um welche Verlusthöhe es geht, ist zumindest in der Größenordnung inzwischen bekannt: ca. 3 Milliarden Euro.

Bereits die am 14.12. verlautbarte Lösung (Die ein Lügengebäude darstellt – dazu im Weiteren) machte klar, wer die großen Gewinner sind.

Das Land Kärnten, so die offizielle Darstellung, würde 200 Mio. Euro bis Mai 2010 einbringen, die BayernLB 825 Mio. Euro und die GraWe 30 Mio. Euro.

Bereits bei dem Wissensstand eine Okkasion, denn die 3 Milliarden Verlust, entsprechend dem Eigentumsanteilen aufgeteilt, hätten für die BayernLB (67,08 % Eigentumsanteil bis 14.12.) über 2 Mrd. Euro Verlustanteil bedeutet, 613,4 Mio. im Falle der GraWe (20,48 % Eigentumsanteil) und  372,6 Mio. Euro im Falle der Kärntner Landesholding (12,42 % Eigentumsanteil).

Auf den ersten Blick ist klar, dass die GraWe besonders billig davonkam (Mit Übernahme von 1% des Verlusts bei 20,48 % Eigentumsanteil).

Auf den zweiten Blick stellt sich aber das Land Kärnten als großer Gewinner dar. Im Falle einer Insolvenzlösung, daran besteht kein Zweifel, wäre die BayernLB außerstande gewesen, den Verlust zu tragen, und ihrerseits in Insolvenz gegangen. Selbiges gilt für die GraWe.

Das Land Kärnten hatte jedoch für die Hypo-Alpe-Adria, unabhängig vom eigenen Eigentumsanteil über die Landesholding, eine Bürgschaft in Höhe von 13 Mrd. Euro für die Hypo-Alpe-Adria übernommen. Letztlich hätte das Land Kärnten daher im Insolvenzfall für die gesamten 3 Mrd. Euro Verlust aufkommen müssen.

Aber das ist erst die Spitze des Misthaufens.

Bereits am 14.12. fiel auf, dass die Medienberichte deutscher Zeitungen im Punkt des Beitrags der BayernLB völlig der Darstellung der österreichischen Regierung (und zu dem Zeitpunkt auch der österreichischen Medien) widersprachen. Die deutschen Medien verneinten, dass die BayernLB weitere 825 Mio. Euro zuschießen würden, sondern berichteten, dass die BayernLB Forderungen an die Tochter Hypo-Alpe-Adria in dieser Höhe hätte, auf die sie verzichtet hatte.

Diese konträre Darstellung muss auch österreichische Medien zur Recherche veranlasst haben, denn am Abend des 14.12. korrigierte beispielsweise der Standard seine Berichterstattung und schloss sich der deutschen Darstellung an.

Was vielleicht unspektakulär klingt, ist jedoch ein Unterschied wie Tag und Nacht. Im Insolvenzfall der Hypo-Alpe-Adria hätten sich die Forderungen der BayernLB gegen ihre Tochter an die Konkursmasse gerichtet. Das heißt, die BayernLB hätte ohnehin keinen Cent dieser 825 Mio. zu Gesicht bekommen.

De facto war also der Beitrag der BayernLB: NULL!

Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon nahm dies dankbarst zur Kenntnis: „Ich bin der Republik Österreich zu Dank verpflichtet, in Stellvertretung für die Steuerzahler in Bayern.“

Noch abenteuerlicher stellen sich die Lügen Josef Prölls im Falle des Kärntner Beitrags dar. Wer sich die Mühe machte, die Vereinbarung mit Kärnten im Detail anzusehen, stellte fest, dass das Land Kärnten die zugesagten 200 Mio. zum überwiegenden Teil aufbringen will, in dem „Risikoprovisionen dafür verwendet werden“.

Der Begriff „Risikoprovisionen“ machte mich stutzig. Wer bezahlte diese? Anzunehmen wäre für den rechtlich Uneingeweihten, dass derjenige, für den gebürgt wird, Risikoprovisionen an den Bürgen zahlt. Die Recherche ergab Konträres: Das Land Kärnten erhielt laut geltendem Recht im Sinne des Finanzausgleichs diese Risikoprovisionen vom Bund als Abgeltung dafür, diese Bürgschaften übernommen zu haben.

Ergo: Der Beitrag des Landes Kärnten zur Rettung der Hypo-Alpe-Adria ist NULL! Es handelt sich großteils um Beträge, die das Land vom Bund erhielt und jetzt wieder dem Bund zurückgibt.

In schönster Kärntner Art ergoss sich am 14. Und 15. 12. zynische Häme über Restösterreich.  LH Dörfler und VP-Finanzlandesrat Martinz feierten, dass sie „wieder eine Abwehrschlacht gegen Wien gewonnen hätten“ (Zitat). Und setzten am Folgetag noch darauf: „Wir sind nicht so neger, wie man glaubt! Experten sagen: Kärnten war zweimal Sieger, einmal beim Verkauf der Hypo und auch jetzt.“ (Zitat Dörfler)

Zumindest eine weitere massive Lüge Josef Prölls muss man klar entlarven:
Es wäre nicht machbar gewesen, das Land Kärnten in die Insolvenz schlittern zu lassen.

Richtig ist, dass aufgrund der Kärntner Bürgschaft im Falle der Insolvenz der Hypo-Alpe-Adria diese mit Sicherheit eine Zahlungsunfähigkeit des Landes nach sich gezogen hätte. Aber eine öffentliche Körperschaft ist kein Privatunternehmen, dessen Bestand einfach gelöscht werden kann. Es waren bereits andere öffentliche Körperschaften insolvent, beispielsweise New York City in den 1970er Jahren. Deshalb sperrt kein Landtag zu, kein Krankenhaus und keine Schule!

Auswirkung wäre vielmehr gewesen, dass ein insolventes Land Kärnten kommissarisch vom Bund zwangsverwaltet worden wäre.

Welch schöne Gelegenheit hätte diese Situation geboten, als Minimalschritt die Einhaltung der Verfassung durch Kärnten durchzusetzen.

Warum ging die Entscheidung so eindeutig in die Gegenrichtung? Die Beantwortung dieser Frage macht die Interessenslage der österreichischen Elitenpolitik klar.

-    Das Land Kärnten in politische Schwierigkeiten zu bringen, ist von der Bundesregierung nicht gewünscht. Besonders die ÖVP bezieht ihre Macht überwiegend aus den Ländern und diese wären gegen eine kommissarische Verwaltung Kärntens Sturm gelaufen.

Außerdem, das zeigten die Vorgänge um die Verschmelzung der Scheuch’schen FPK (Freiheitliche Partei Kärnten) mit Straches FPÖ, will sich die ÖVP das ultrarechte Lager als möglichen Koalitionspartner erhalten. Zumindest will man deren Wählerschaft nicht verprellen.

-    Eine Insolvenz der Hypo-Alpe-Adria hätte das Großkapital in Österreich getroffen. Die Erste Bank und die Raiffeisen waren Hauptkreditgeber der Hypo-Alpe-Adria.

-    Die Industriellenvereinigung in Gestalt Veith Sorges lobbiierte massiv für eine Übernahme der HAA durch die Republik. Ob finanzielle oder politische Interessen daran stärker ausschlaggebend waren, lässt sich nur vermuten. Immerhin gilt Veith Sorge bereits seit langem als dem BZÖ nahestehend.

-    Die Grazer Wechselseitige steht unter Kontrolle des Hochadels und der Katholischen Kirche (AR-Vorsitzender ist Bruno Hubl, Abt von Stift Admont, AR-Vize Philipp Meran und Franz Harnoncourt-Unverzagt), die wiederum den Schutz der ÖVP genießen.

-    Man muss kein Schelm sein, um zu vermuten, dass es sehr viel schwieriger werden wird, strafrechtliche Verstöße im Falle der Hypo-Alpe-Adria aufzudecken, wenn Eigentümer und Vorgesetzter der Staatsanwaltschaft dieselbe Körperschaft ist – nämlich der Bund.

Und es fanden offenbar massive Gesetzesbrüche statt. Bekannt wurde bislang augenscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. So zahlte die HAA Schmiergelder an den ehemaligen kroatischen Premier Sanader und an den Zagreber Bürgermeister Milan Bandic und finanzierte die HDZ (die konservative „kroatisch demokratische Union“, gegründet von Tudzman).

Die HAA finanzierte die jeder Grundlage entbehrenden Immobiliengeschäfte der Ex-Generäle Vladimir Zagorec und Branimir Glavas mit 260 Mio. Euro. Zagorec sitzt inzwischen ein, Glavas flüchtet nach Bosnien.

Die HAA Tochter Hypo-Consultants wurde Mitte der 2000er mit 1,5 Mrd. Euro bewertet. Die HAA verkaufte diese Firma um 160 Mio. Euro, also zu fast einem Zehntel des Werts, an einen Kroaten (Name bislang unbekannt). Es dürfte zu massiven Geldrückflüssen an Einzelne gekommen sein, die sich bereicherten.

Immer dichter werden auch die Anzeichen dafür, dass der Verkauf des Mehrheitseigentums der HAA an die BayernLB mit Betrügereien gespickt war.

Vermutlich ist dies auch die Ursache dafür, dass das Land Bayern und die BayernLB jetzt glimpflich aussteigen konnte. Der Verdacht liegt nahe, dass sie strafrechtlich relevante Vorfälle des damaligen Verkaufs kannten und damit Pröll unter Druck setzten konnten.

Insgesamt zeigt sich uns ein Bild, das noch weit über die auch anderswo üblichen Auswirkungen der Finanzkrise hinausgeht. Nicht nur, dass das Großkapital geschützt wird und die Allgemeinheit für die Malversationen aufkommen muss, im Falle Österreichs addieren sich noch dazu:
-    Skandale und massive Betrügereien, die alle bisherigen Skandale der Zweiten Republik (Von AKH bis Proksch) in den Schatten stellen;

-    Eine seit Jahren verantwortungslos und unverschämt agierende politisch Ultrarechte, die von der ÖVP geschützt wird, verknüpft mit dem „Sonderfall Kärnten“, einem seit Jahrzehnten außerhalb jeder Rechtsstaatlichkeit agierenden Bundesland, das toleriert wird;

-    Massive Lügen der Regierenden, die aufgrund der „Verhaberung“ („Haberer“= österr. für Freund,  Kumpane) der Republik von den Medien nicht bloßgestellt werden und

-    Eine SPÖ, die wiederum bestätigt, dass zu einem Teil nur mehr eine repräsentative Rolle im Staat spielt und keinerlei aktiv gestaltende Rolle oder Verantwortung mehr übernimmt und die ÖVP gewähren lässt und dessen anderer Teil zutiefst in den Filz des Großkapitals verstrickt ist.

 Reinhard LoidlDezember 2009