Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, ein demokratischer Staat sowie die Trennung von Staat und Religion

07.06.2010
Erklärung des Vorbereitungskomitees der 2. Konferenz von Haifa
Für die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und für einen nicht-religiösen demokratischen Staat im historischen Palästina

Angenommen von einer Sitzung des Komitees in Jaffa am 9. April 2010

Das Vorbereitungskomitee

Das Vorbereitungskomitee ist eine Gruppe von Aktivist/innen und Einzelpersonen von verschiedenen politischen Bewegungen und Parteien, Menschenrechtsorganisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft und verschiedener Bereiche des öffentlichen Lebens wie Kunst, akademische Forschung und Kultur. Wir haben beschlossen, gemeinsam diese Konferenz zu organisie-ren, da wir überzeugt sind, dass ihre Botschaft wichtig ist.

Warum fordern wir die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, einen demokratischen Staat sowie die Trennung von Staat und Religion?

Dem palästinensischen Volk werden das Recht auf Selbstbestimmung und Menschenrechte vorenthalten; es leidet an ethnischer Säuberung, Besatzung, Rassismus und einer Belagerung, und bei all dem ist kein Ende in Sicht. Diese Unterdrückung führt natürlich zu Widerstand, auf die weitere Unterdrückung folgt. Das Ergebnis ist ein andauernder Konflikt, andauerndes Unrecht und blutige Kriege. Dieser andauernde Konflikt ist eine eskalierende Bedrohung für die Sicherheit aller Einwohner des Landes und der Völker der Region; er gefährdet den Weltfrieden.

Wir sind überzeugt, dass die Lösung des Konflikts auf Gerechtigkeit beruhen muss. Deshalb stehen wir an erster Stelle an der Seite der Unterdrückten. Die Lösung muss es den Menschen, die aller Rechte beraubt sind, ermöglichen, sich wieder eine Lebensgrundlage zu schaffen; sie muss ihnen Würde und Wohlstand bringen. Darauf wird eine wirklich demokratische Gesellschaft aufbauen, die auf Beteiligung aller beruht und dem Nutzen aller dient.

Die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge

Die palästinensischen Flüchtlinge haben durch die ethnische Säuberung, die Naqba („Katastro-phe“) von 1948, allen Besitz verloren und sind über die ganze Welt verstreut. Sie leiden von allen Palästinenser/innen am meisten an Enteignung und Ungerechtigkeit. Für uns ist die Rückkehr der Flüchtlinge eine zentrale Frage der Konferenz, da sie das grundlegende Element jeder Lösung sein muss. Für uns ist al-‛Auda, die Rückkehr, ein konkreter Plan, der die Rückkehr aller Flüchtlinge in die Gebiete, aus denen sie vertrieben wurden, bedeutet. Für uns haben die Flüchtlinge als Teile des palästinensischen Volkes und als Menschen Rechte, die nicht mit abstrakten Lippenbekenntnissen abgehandelt werden können, ohne einen politischen Rahmen für deren Umsetzung vorzustellen.

Demokratie

Wir müssen mit der Besatzung, der Apartheid, dem Rassismus, der Unterdrückung und Diskriminierung Schluss machen.

Wir müssen den zerstörerischen Auswirkungen der zionistischen Landnahme vor und seit der Naqba (und der Gründung des Staates Israel) ein Ende machen. Das bedeutet, dass alle Gesetze, politischen Maßnahmen, Aktionen und Strukturen der militärischen und bürokratischen Kontrolle, die Menschen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, Religionsgemeinschaft oder ihrer Herkunft diskriminieren und unterdrücken, abgeschafft werden müssen. Dabei betonen wir, dass alle Erscheinungen der Ausgrenzung und Unterdrückung von Frauen aufgehoben werden müssen. Das Regierungssystem soll auf gleichen bürgerlichen, politischen, sozialen und kulturellen Rechten aller Staatsbürger aufgebaut sein und strenge Gerechtigkeit im Namen aller Menschen, ungeachtet ihrer unterschiedlichen Identitäten, walten lassen.

Wir sind der Ansicht, dass es die beste Lösung für alle wäre, wenn alle Bewohner Palästinas und die zurückgekehrten Flüchtlinge ohne Unterschied in einem demokratischen Staat lebten. Dieser Staat wird Menschenrechte, Gleichheit, Wohlstand und volle Beteiligung am Aufbau einer neuen Gesellschaft für alle Bürger garantieren. Um diese Rechte zu schützen, wird die Verfassung des neuen Staates jegliche Diskriminierung auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Religions- oder Volksgruppe, auf Grund von Geschlecht, Nationalität, Klasse oder anderen Gruppen verbieten.

Keine Staatsreligion

Die zionistische Bewegung charakterisiert Israel als „jüdischen Staat“ und nimmt dieses rassisti-sche Prinzip zum Vorwand für ethnische Säuberungen, gegen das Recht der Flüchtlinge zurückzukehren, und für die Errichtung eines Systems, das Menschen in allen Bereichen des Lebens diskriminiert. Außerdem benutzt der Zionismus die Religion als Unterdrückungswerkzeug in den Händen des Staates, was einem grundlegenden Prinzip der Demokratie widerspricht: der Trennung von Staat und Religion.

Für uns ist die Trennung von Staat und Religion ein Grundprinzip der Demokratie, das die Gleichberechtigung aller Staatsbürger/innen ungeachtet ihrer religiösen oder ideologischen Zu-gehörigkeit, ihre volle Religionsfreiheit sowie den Schutz der religiösen Stätten aller Konfessionen garantiert. Angesichts des multikulturellen und multikonfessionellen Charakters der Gesellschaft in Palästina sind wir überzeugt, dass die Trennung von Staat und Religion eine Vorbedingung für die volle und gleichberechtigte Beteiligung aller Gruppen dieser einen Gesellschaft am demokratischen Prozess ist. Auf Grund derselben demokratischen Prinzipien lehnen wir die Benutzung des Laizismus als Instrument der Unterdrückung und des Ausschlusses ab.

Für alle

Eine demokratische Lösung sowie eine Trennung von Staat und Religion, wird das ganze palästinensische Volk nach Jahrzehnten der Zersplitterung und des Exils durch die Ausübung seines Rechtes auf Selbstbestimmung vereinigen; es wird sein Leben als freies Volk in seinem Land, frei von jeglicher Unterdrückung und Ungerechtigkeit wieder aufbauen.

Gleichzeitig ist dies auch die beste Lösung für die jüdischen Einwohner von Palästina, nachdem der Zionismus ihnen weder Frieden noch Sicherheit bringen konnte, trotz der leeren Versprechungen einer israelischen Regierung nach der anderen. Die Geschichte hat längst bewiesen, dass die Ausnutzung der jüdischen Einwanderung für die Besetzung des Landes der Palästinen-ser/innen ständig zu Konflikt und Krieg geführt hat. Die demokratische Lösung, die Trennung von Staat und Religion, ist eine Möglichkeit der jüdischen Einwohner des Landes, ihre kolonialen Privilegien loszuwerden, ihre Verbindungen mit dem Kolonisierungsprojekt zu kappen und damit die Feindseligkeit, die davon herrührt. Nur so können sich die Juden in Palästina tatsächlich als gleichberechtigte Staatsbürger und nicht als Siedler in dem Land und in der Region integrieren.

Ein erreichbares Ziel

Dies ist eine reale Lösung, die bei der Wurzel des Konflikts ansetzt und alle seine Aspekte be-handelt. Deshalb kann sie alle Palästinenser/innen im Land und im Exil vereinen und wird von Araber/innen im Sinne der Gerechtigkeit der palästinensischen Anliegen unterstützt. Als eine demokratische Lösung auf der Grundlage der Menschenrechte entlarvt sie das israelische Apart-heidsystem, sie fördert und festigt die internationale Solidarität unter den Völkern und mit den Institutionen aller Länder. Sie kann auch die Grundlage für eine reale Partnerschaft mit den ernsthaften jüdischen Vertreter/innen von Demokratie dienen, die nicht einen „Frieden“ anstreben, um ihre Privilegien zu behalten, sondern sich dem Kampf gegen das Unterdrückerregime anschließen.

Wir schlagen keine „Demokratisierung der Besatzung“ vor. Wir stellen uns gegen dieses Regime, das sich mit Gewalt und Arroganz an der Macht hält, das die grundlegenden Rechte der einheimischen Bevölkerung dieses Landes mit Füßen tritt und auf die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage aufgebaut ist. Wir fordern die Gründung eines neuen Staats durch das Volk und für das Volk, d. h. ein Ende des zionistischen Projektes, und den Aufbau eines demokratischen Palästina, in dem Staat und Religion getrennt sind und in dem die Rechte und die Freiheit der Menschen hochgehalten werden. Dafür wollen wir kämpfen.

Ziele der Konferenz

· Vor Ort und weltweit Bewusstsein und Interesse für eine Lösung schaffen, die auf der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, auf einem demokratischen Staat und auf der Trennung von Staat und Religion beruht
· Ein Forum für den Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen den Unterstüt-zer/innen des Projektes schaffen, das zu gemeinsamen Aktivitäten führt
· Damit die Konferenz nicht nach einem flüchtigen Gedankenaustausch vorbei ist, wird der letzte Tag für Debatten über konkrete weiterführende Aktionen reserviert.
· Es hat schon einige Konferenzen für die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, für einen demokratischen Staat sowie für die Trennung von Staat und Religion gegeben. Die 2. Konferenz von Haifa soll ein Wendepunkt werden und der Arbeit für diese Ziele einen permanenten Rahmen geben. Deshalb rufen wir alle Unterstützer/innen dieser Anliegen auf, sich durch ihre Anwesenheit, mit schriftlichen Beiträgen und/oder Parallelveranstaltungen an der Konferenz zu beteiligen, um ein umfassendes Bündnis aller Unterstützer zu schaffen.

Arbeitsstrukturen

Das Vorbereitungskomitee funktioniert durch Dialog, Zusammenarbeit und Transparenz unter allen Beteiligten. Es strebt einen Konsens aller Perspektiven an, ohne die eine oder die andere zu bevorzugen.

Das Komitee möchte die Konferenz für die Darstellung aller verschiedenen Ansichten öffnen, welche der vorgeschlagenen Lösung dienlich sein können. Wir unterstützen eine ernsthafte und offene Diskussion der Probleme und Hindernisse, die sich dem Projekt entgegenstellen.

Das wichtigste Kommunikationsmittel zwischen den Mitgliedern des Komitees wird eine E-Mail-Liste sein. Das Komitee wird regelmäßig Treffen abhalten, zu denen alle Mitglieder eingeladen sind, um über wichtige Fragen wie das Programm der Konferenz zu entscheiden.

Das Vorbereitungskomitee wird einen Koordinationsausschuss bilden, der sich zwischen den Vorbereitungstreffen und während der Konferenz um technische Fragen kümmert.

Anmerkungen

(Die Konferenz fand vom 28. bis 30. Mai 2010 statt)
E-Mail: ror1state@gmail.com

Verweise