Besuch im Flüchtlingslager Askar

29.09.2005

Das Flüchtlingslager Askar, mit sechstausend Flüchtlingen, liegt im Osten von Nablus. Die Menschen wurden 1948 aus ihren Städten und Dörfern vertrieben und lebten damals vorerst in den Bergen um Nablus oder kamen bei Verwandten unter. Diese Tatsache stellt für Askar heute ein großes Problem dar, denn es wird von der UNRWA nicht als Flüchtlingslager anerkannt. Zu viele Jahre liegen für UNRWA zwischen 1948 und 1964, als das Lager gebaut wurde. Die Flüchtlinge, die hier zusammen kamen, hatten erst mit den Jahren die bittere Realität akzeptiert, dass sie nicht wieder in ihre Städte und Dörfer zurück konnten.
Von der UNRWA nicht als Flüchtlingslager anerkannt zu werden bedeutet, dass die Grundversorgung mit Schulen, Kliniken und sonstigen elementaren Einrichtungen nicht gewährt wird.
So müssen die 1200 Kinder und Jugendlichen das Lager verlassen, um in die umliegenden Schulen zu kommen. Das bedeutet aber Bedrohung durch die Siedler oder durch das israelische Militär. Das Ausmaß der Schwierigkeiten des täglichen Schulwegs außerhalb der relativen Sicherheit des Lagers kann man erahnen, wenn man bedenkt, dass Nablus und Umgebung in den letzten Jahre Schwerpunkt der Vernichtungspolitik Israels war. So erzählt eine Mutter von ihrem achtjährigen Sohn Mohammad Eyad Moghrabi, der im Kugelhagel der israelischen Soldaten auf dem Schulweg umkam.
Als während der al-Aqsa Intifada die Schulen auch noch über längere Zeit geschlossen waren, wurde Bildung zu einer großen Herausforderung im Lager selbst. Eine Bibliothek wurde eingerichtet und ständig erweitert – als Teil einer kulturellen Intifada, die für das Leben und menschenwürdige Überleben im Lager als entscheidend gesehen wird.
Schon 1996 wurde ein Volkskomitee gegründet, das Bereiche wie medizinische Grundversorgung oder einen Jugendclub in Angriff nahm. Später entstand ein soziales Zentrum, das erfolgreich Sommercamps mit internationalen Freiwilligen in Askar organisiert, psychologische Betreuung anbietet und besonders für die Kinder und Jugendlichen kulturelle und künstlerische Aktivitäten – wie Tanz- oder Theatergruppen – ermöglicht. Ziel dieser kulturellen Intifada sind selbstbewusste Menschen, die für sich selbst und international starke Lebenszeichen setzen: Wir lassen uns nicht unterkriegen! Wir haben ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben!
Unsere Delegation konnte sich von der künstlerischen Darbietung der Volkstanzgruppe – acht Kinder zwischen neun und dreizehn Jahren – überzeugen. Gern treten sie auch im Ausland auf – wie zum Beispiel schon in Norwegen – wenn internationale Organisationen Einladungen aussprechen und für die finanziellen Mittel einer Reise gesorgt ist.

In zwei weiteren wesentlichen Bereichen, die für alle Flüchtlingslager ernste Probleme darstellen, wird mit Eigeninitiative und internationaler Unterstützung gearbeitet. Askar hat, wie ganz Palästina, mit der hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen, die durch die Checkpoints, die Ausgangssperren während der letzten Jahre und den Mauerbau drastisch erhöht wurde. Weiters hat die erste und zweite Intifada nicht nur sehr viele Tote und viel Zerstörung hinterlassen sondern auch viele Verletzte, die mit Behinderungen leben müssen. Sowohl in Askar als auch im Flüchtlinslager Jenin wurden uns die notwendigen Projekte vorgestellt, damit Menschen mit den verschiedensten Behinderungen in allen Lebensbereichen unterstützt und integriert werden können.

Für weitere Informationen oder zur Kontaktaufnahme mit dem Flüchtlingslager Askar:
-An-Najah National University / Nablus: www.najah.edu / info@najah.edu (Die Sommercamps wurden mit Hilfe der Universität organisiert.)
-www.sadeeq.org

Elisabeth Lindner-Riegler

Elisabeth Lindner-Riegler ist Aktivistin der Antiimperialistischen Koordination in Wien. Sie hat an der internationalen Solidaritätsdelegation nach Palästina "Risse in der Mauer" teilgenommen.