Wien, 16/12/00
Nicht Hitlers und Kreiskys Erben, sondern schlicht linke Speerspitze des Liberalismus
Eine Antwort auf „konkret“,
das sich wie Fischer und Solana zum Werkzeug der „Neuen Weltordnung“ gemacht hat
Eigentlich ist der an Demagogie, übler Hetze und Verdrehungen kaum zu überbietende Angriff des „konkret“ auf die Antiimperialistische Koordination in der Ausgabe 12/2000 unter dem Titel „Kreiskys Erben? Hitlers Erben“, keiner Antwort wert. Denn die Verleumdungen können sich durchaus mit denen jener messen, als deren Nachfolger wir beschimpft werden. Hier nur eine Textprobe, die uns des Antisemitismus zu überführen sucht:
„Warum fungiert Israel als Inbegriff des Imperialismus? Weil die Juden das verkörpern, was man unter Kapital (miß)versteht – staatenlosen Reichtum.“ Im Gegensatz zu diesen Unterstellungen sieht selbst ein Blinder aus welchen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Gründen die USA Israel massiv stützt und es seit 50 Jahren zur Hauptstütze ihrer Politik in Nahost gemacht: Weil es sein Schicksal an jenes des US-Imperialismus auf Gedeih und Verderb gebunden hat. Israel fungiert als kolonialer Siedler- und Militärstaat an zentraler Stelle und eignet sich so bestens zur Unterdrückung jeglicher Emanzipationsbestrebungen der arabischen Völker gegen das westliche Joch. Nicht vom „staatenlosen Reichtum“, sondern von staatlich organisierter Gewalt durch den Zionismus mit dem US-Imperialismus im Rücken ist die Rede. Für uns „verkörpern die Juden“ eben nicht „das Kapital“, sondern wir haben immer betont, dass es der Zionismus ist, der Werkzeug des imperialistischen Kapitals ist und sich auf völlig illegitime Weise den Alleinvertretungsanspruch auf das Judentum anmaßt. In praktisch jeder Äußerung unterstreichen wir, dass Judentum und Zionismus zu unterscheiden sind.
Trotz dieser primitiven Manipulationen wollen wir versuchen die Spurenelemente einer politischen Argumentation herauszufinden und darauf eine Antwort zu geben, denn diese werden nicht nur bei den rabiaten Chauvinisten, Rassisten und Apologeten des Kolonialismus des „konkret“, die unwiederbringlich zu Lohnschreiberlingen des Imperialismus geworden sind, zum Einsatz gebracht, sondern finden selbst bei jenen Gehör, die noch ernsthaft im antikapitalistischen Kampf engagiert sind:
„Die Geschichte wird phantasiert als Kampf der Nationen und Völker“ und es sei „keine Rede mehr von Kapital und Staat im Sinne von Marx“: In dem Maße, in dem der Kapitalismus zu einem globalen System geworden war, entwickelte er sich zum Imperialismus, dass heißt, dass die Bourgeoisien der reichen Länder nicht nur ihre eigene Arbeiterklasse, sondern zunehmend die Volksmassen der im kapitalistischen Sinn zurückgebliebenen Länder ausbeutete. Wie sehr dieses System bis heute perfektioniert wurde, zeigt sich in der Tatsache, dass die westlichen Werktätigen durch materielle Privilegien aber ebenso durch Sozialchauvinisten vom Schlage des „konkret“ hinter diesem imperialistischen System stehen. Das kann nicht nur ein Marxist erkennen, sondern da reicht selbst der gesunde Hausverstand. Unter den gegebenen internationalen Kräfteverhältnissen erscheinen die himalayischen sozialen Gegensätze für die verarmten Massen als mit den Gegensätzen zwischen den reichen westlichen Nationen und jenen der Dritten Welt kongruent. Der Widerstand gegen den Imperialismus muss also zwangsläufig die Form der nationalen Verteidigung annehmen und wird erst dann wieder offen klassenkämpferisch, sozialistisch und internationalistisch werden, wenn es im Westen relevante antagonistische Kräfte gibt und solche Kreaturen wie die „konkret“-Lohnschreiberlinge auf den Misthaufen der Geschichte befördert wurden. Wer heute den Kampf der unterdrückten Völker um nationale Souveränität dem sozialen gegenüberstellt, anstatt sie als zwei Elemente des gleichen Kampfes anzusehen, der spielt das Spiel der Globalisierung und der Neuen Weltordnung.
„Vom Nationalsozialismus spricht dieser besessene Antiimperialismus überhaupt nur…“. Richtig erkannt, denn der Nationalsozialismus stellt derzeit keine unmittelbare Gefahr dar. Die Bourgeoisie bedarf seiner nicht, denn sie hat im Gegensatz zur Weimarer Republik keinen ernsthaften Gegner innerhalb der Nation, den es zu vernichten gälte. Heute besteht die Hauptgefahr im linksliberalen Neoliberalismus mit seinen „politisch korrekten“ Phrasen, die er der Linken entlehnt und sinnentleert hat. Imperialismus wird als Antifaschismus getarnt und jeder der sich dem Imperialismus entgegenstellt – einerlei wie widersprüchlich und zaghaft – wird als neuer Hitler denunziert, sei es nun Saddam Hussein, Slobodan Milosevic oder sogar die Antiimperialistische Koordination. Dieser verlogene Antifaschismus, der von der Kollektivschuldthese ausgeht und diejenige Kraft, die das eigentliche Ziel des Faschismus war, nämlich die kommunistische Bewegung, als mitschuldig bezeichnet (schuldig sind sie nur insofern, als sie keinen politischen Weg zum Sieg gefunden haben), ist heute eine größere Gefahr als der Neofaschismus, denn er legitimiert die Herrschaft der liberalen, an den US-Imperialismus gebundenen Bourgeoisie. Wer vom Imperialismus nicht reden will, soll auch vom Faschismus schweigen!
„Der Konflikt wird aus dem Zusammenhang der eigenen Geschichte und des allgegenwärtigen Antisemitismus herausgelöst.“ Eine der größten Tragödien des 20. Jahrhundert ist es, dass der kapitalistische Imperialismus, der einzig die Verantwortung für den Holocaust trägt, aus diesem noch ein zweites Mal Nutzen zieht, indem er damit ein koloniales Siedlungsprojekt in Palästina legitimiert. Wir wehren uns entschieden gegen diese Verknüpfung. Mit dem Antisemitismus darf der Zionismus nicht legitimiert werden, wie es die herrschende Bourgeoisie macht. Eben weil der Antisemitismus so stark war und noch immer vorhanden ist, dürfen wir ihn nicht weiter anfachen und den Zionismus (und damit seinen kolonialen Völkermord an den Palästinensern) mit dem Judentum assoziieren und verknüpfen, so wie es das „konkret“ macht. Die Nationswerdung der Juden, so wie sie der Zionismus vorsieht und zumindest zum Teil verwirklicht hat, entspricht den Vorstellungen des Antisemitismus, der die Juden ebenso als eigene Rasse und Nation ansieht, und leistet jenem dadurch Vorschub. (Unsere Antinationalen, die alle Nationen im Sinne der Globalisierung dekonstruieren wollen, machen eine Ausnahme und lassen als einzige legitime Nation Israel zu.) Für uns hingegen ist das Judentum eine Religion und eine damit verbundenen Kultur, die integraler Bestandteil der europäischen und nahöstlichen Gesellschaft ist und deren Platz wiederhergestellt werden muss. Um sich nicht vom Imperialismus als Kolonialsoldaten missbrauchen zu lassen, gibt es für die Juden, die heute Israel bilden, nur zwei fortschrittliche Wege: Einerseits der gemeinsame antizionistische Kampf mit den Palästinensern für ein demokratisches, säkulares und antiimperialistisches Palästina als Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben (so wie in Südafrika werden jene Kolonialisten und Siedler, die sich dem Befreiungskampf der Unterworfenen angeschlossen haben, mit offenen Armen aufgenommen werden). Und andererseits die freiwillige Rückkehr der Juden in ihre ehemaligen europäischen und nahöstlichen Heimatländer (so wie es viele vom Zionismus ge- und enttäuschte Linke tatsächlich taten), wo sie sich nach dem Vorbild der jüdischen antikapitalistischen Bewegung vor dem Zweiten Weltkrieg mit den antikapitalistischen Kräften anzuschließen und verschmelzen müssen. Es heißt also in Europa von den Regierungen zu fordern, die Türen für die vertriebenen Juden und ihre Nachkommen weit aufzumachen und die Vorbedingungen für ihre Rückkehr zu schaffen – Aufgaben, die letztlich nur die antikapitalistische Bewegung wird vollbringen können.
Historisch betrachtet kann die gleichberechtigte Existenz und die Emanzipation der Juden nur gegen den Kapitalismus und Imperialismus erreicht werden, denn Israel wird mit dem unvermeidlichen Fall der USA und der Neuen Weltordnung mit untergehen. Der Vorwurf des „antisemitischen Wahns“ ist also völliger Unsinn. Nur wer sich gegen den Zionismus wehrt kann sich auch gegen den Antisemitismus zur Wehr setzen, denn beide reden vom nationalen und rassischen Anderssein der Juden.
„Kühne Freundschaftspolitik mit dem Islam“. Abgesehen davon, dass uns der ekelhafte Rassismus und Chauvinismus des „konkret“ gegenüber den islamischen Völkern zutiefst abstößt und sich von jenem der Neonazis nur dadurch unterscheidet, dass er die Segnung der „internationalen Wertegemeinschaft“ als politisch korrekt aufweisen kann, gilt es den Inhalt in der Form zu erkennen. Es stimmt zweifellos, dass der politische Islam als Werkzeug des Westens gegen die antiimperialistischen und antikapitalistischen Kräfte gefördert wurde. Doch nach dem Zusammenbruch des arabischen Nationalismus und der Sowjetunion, haben sich viele antiimperialistische Kräfte in Ermangelung einer Alternative hinter dem politischen Islam versammelt und führen den Kampf nun in einer anderen Form weiter. Die Person Osama bin Ladens ist da ein eindrückliches Beispiel: vom Schergen der USA im Kampf gegen die UdSSR ist er zu ihrem Lieblingsfeind, zum Generalsatan avanciert. Dort, wo der politische Islam antiimperialistischen Inhalt hat wie beispielsweise bei der libanesischen Hisbollah muss er von uns unterstützt werden. Dort wo er das Werkzeug des Feindes ist, wie in Saudi-Arabien oder Afghanistan, ist er zu bekämpfen. Das gleiche hinsichtlich der Veränderung der Beziehung von Form und Inhalt gilt für „konkret“: mit linker, antifaschistischer Phraseologie werden die Ziele des Imperialismus im Nahen Osten verfolgt und die Antiimperialisten als Antisemiten denunziert.
Eine verrückte Welt, in der die fortschrittlichen „Linken“ mit dem Imperialismus gehen und der rückständigen „Moslems“ den Kampf gegen diesen überlassen.
Wien, am 16. Dezember 2000