Wien, 29/11/00
Rede von Karl Blecha bei der Palästina-Solidaritätsveranstaltung im Haus der Begegnung in der Brigittenau am 29. November 2000
Blecha, Präsident der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen und ehemaliger Innenminister, nannte gleich zu Beginn den kalkulierten Anlaß des Krieges ohne Umschweife bei seinem Namen, nämlich „die unerhörte Provokation des israelischen Oppositionsführers und Schlächters von Beirut, Arik Sharon.“ Sein Beitrag, sowie der von Feisal Husseini, des Jerusalem-Beauftragten der Palästinensischen Autonomiebehörde, war auch der Anlaß, die bereits angelaufene Spendenaktion in einem zunächst engeren Kreise weiter zu propagieren. „Es geht um die medizinische Notfallstation, die heute wichtiger ist als je.“
Für diese Ambulanz, die sich in Makassed befindet, wurde denn auch eine Tombola veranstaltet, eine Sängerin, zwei Sänger traten auf und überzeugten von der Vielfalt des Klangs und der Rhythmik arabischer Musik, politischer Musik. Die Veranstaltung wurde vom Österreichisch-Syrischen Ärzte-Komitee, dem Arabischen Kulturverein und der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen gemeinsam veranstaltet. Karl Blechas Rede ist eine der wenigen klaren Stellungnahmen, die wir in der derzeitigen Situation in Österreich zu Palästina zu hören bekommen, auch wenn wir seine Hoffnungen in die „internationale Gemeinschaft“ nicht teilen und der Befreiungskampf gegen die Neue Weltordnung nur durch die armen Volksmassen der ganzen Welt getragen wreden kann.
„Vor 11 Jahren, da waren wir auch hier in diesem Saal, 1989, und da haben wir auch Solidarität bekundet angesichts der neuen Intifada, jener großartigen Reaktion des Volkes, damals, als sie ihren Höhepunkt erreicht hat und den Menschen in Europa gezeigt hat, daß die öffentliche Meinung sich radikal ändern muß. Es war nämlich die Intifada, die die Aufmerksamkeit der Welt auf Folter in Permanenz, auf mutwillige Zerstörung arabischen Eigentums, auf unaufhörliche Deportation von Palästinensern, Menschenraub und Erpressung gelegt hat. Nur die Intifada hat diese Änderung der öffentlichen Meinung zustande gebracht.
Und die Antwort der Zionisten war neue Gewalt. Erinnern Sie sich: nachdem wir hier zusammengetroffen waren, wurden Herausgeber palästinensischer Zeitungen unter Hausarrest gestellt, sind Druckwerke zensuriert worden, … sind Hilfsprojekte, auch solche, die hier von Österreich aus unterstützt und gefördert wurden, zerstört worden. Aber die Zionisten, die in ganz Palästina einen exklusiven Judenstaat errichten wollen, sind gerade durch diese Maßnahmen und diese Reaktion durch die Intifada entlarvt worden, als das entlarvt worden, was sie sind, nämlich als Rassisten, und ihr Staat wurde zum Muster eines Unrechtsstaates der Rassendiskriminierung.
Millionen in aller Welt, meine geschätzten Damen und Herren, haben damals erst begriffen, warum die Vereinten Nationen diesen rassistischen Staat das erste Mal 1975 verurteilt haben (Anm.: die – später wieder zurückgenommene – UNO-Resolution von 1975 verurteilte damals „Zionismus als Form des Rassismus“), zu einem Zeitpunkt, als in Österreich Bruno Kreisky Bundeskanzler war, als Österreich eine aktive Rolle in der Nahostpolitik gespielt hat, zu einem Zeitpunkt, zu dem aber manche es noch nicht verstanden haben, warum gerade Israel ein rassistischer Staat ist.
In der Zwischenphase steht dann nach einer Welle von Gewalt doch der Durchbruch zu Verhandlungen, zu Verbesserungen der Rahmenbedingungen, .. steht ein gewisser Fortschritt in den USA, aber es gab Rückschläge. Und man soll ja nicht vergessen, wenn man die heutige Intifada betrachtet, wie sehr die Geduld des palästinensischen Volkes auf die Probe gestellt worden ist, weil nicht eingehalten wurde, was man zugesagt hatte. .. wie man eine Reihe von Zusagen wieder zurückgenommen hat, und die Welt sich dann im klaren geworden ist, daß Wortbrüche eine zionistische Tradition haben. Jetzt, in diesen Tagen, in diesen Wochen, in diesen Monaten, wo die Gewalt eskaliert, wo Kinder ermordet werden, jetzt rufen wir, an diesem Solidaritätstag für Palästina dazu auf, schleunigst wieder zum Verhandlungstisch zurückzukehren.
Wir tun das aber, weil wir von einem überzeugt sind: daß nur die internationale Gemeinschaft Israel dazu zwingen kann, endlich einzulenken und bei diesen Gesprächen am Tisch, zu denen man zurückkehren muß, die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes, das Recht auf die Ausrufung des eigenen unabhängigen Staates außer Streit zu stellen!
Österreich und Europa können allerdings – und müssen – wieder versuchen, eine Rolle zu spielen, denn der Konflikt bedroht nach wie vor auch den Frieden in Europa. Man darf sich nicht so sicher sein, daß sich dieser Konflikt nicht auch auf diesen Kontinent, wie es sich ja schon angedeutet hat, überspringen kann. Europa muß einen eigenständigen Beitrag zu dieser Rückkehr an den Verhandlungstisch bringen und Europa muß sich abkoppeln von den USA, die als einzige Supermacht glaubt, allein die Verantwortung für den ganzen Mittleren Osten übernehmen zu müssen, jene USA, die doch die Schutzmacht des Judenstaates ist. .. Nur dann, wenn wir dieses Zeichen setzen, meine geschätzten Damen und Herren, dann können wir mit Fug und Recht den Beitrag realisieren, Gräben des Unverständnisses, des Mißtrauens, des Hasses zuzuschütten und sie letztendiglich zu überwinden.
Das geht aber nur, wenn wir den zionistischen Extremisten, wenn wir den Brandstiftern und Kindermördern eines klarmachen: daß ihr Weg einer in die Ausweglosigkeit, in die Irre ist, daß er keinen Funken der Beendigung des Konflikts darstellt, und daß es die Aufgabe Europas, und innerhalb Europas auch die Österreichs ist, einen Beitrag zu leisten, indem es möglichst rasch zurückkehrt zu einer traditionellen Nahostpolitik, zu einer Hilfe für Palästina, politisch, karitativ, humanitär und wirtschaftlich. …
Wir müssen mehr tun. Wir müssen die politische, die humanitäre und die wirtschaftliche Hilfe verstärken. Und das werden wir durch entsprechende Androhung von empfindlichem wirtschaftlichen und politischem Druck auf Israel erreichen! … Nur dann hat das Sammeln hier einen Sinn, und in diesem Sinn kann ich enden: Alles für diese neue Solidarität mit dem palästinensischen Volk!“