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Baskenland: Wer sind die Demokraten?

22. März 2001

Antwort an den Journalisten Martin Mair

„Unabhängiger“ Journalist ruft nach Zensur!
Antwort auf Martin Mair, Mund-Beitrag 22, Dienstag, 20.03.01

Die neuen Zeiten der kapitalistischen Globalisierung und des Neoliberalismus zeichnen sich durch ihre systematische Verkehrung der Wirklichkeit aus. Was früher klar als Kolonialismus, Imperialismus und Unterdrückung feststand, wird heute als humanitäre, demokratische und befreiende Mission präsentiert. Worte wie Menschenrechte, Antifaschismus und Demokratie werden so mit neuen Inhalten gefüllt, um eine Realität ihrer ständigen Verletzungen zu legitimieren. In dieser Strategie, die zur Sicherung der brutalen Hegemonie neoliberalen Unrechts in der Welt notwendig ist und am „glaubwürdigsten“ von ehemaligen Linken (wie Joschka Fischer) verkörpert wird, sind die Medien ein entscheidender Baustein. Spätestens der Jugoslawien-Krieg zeigte jedem, der es sehen wollte, das über die Medien zur Wahrheit gemachte Lügen (wie etwa das Massaker von Racak) das notwendige Vorspiel zum Krieg waren. Im Prinzip nichts anderes als „objektiv“ und „unabhängig“ getarnte Kriegspropaganda, die sich den neuen politischen Gegebenheiten und ihren Sprachmustern anpasst.

Gerade in zugespitzten politischen und sozialen Konflikten, die die Hegemonie der kapitalistischen Globalisierung und ihre neoliberale politische Philosophie angreifen, wird die scheinbare Unabhängigkeit medialer Berichterstattung zum offenen Parteiergreifen – und meist sind es nur wenige Mutige, die sich auf die Seite derer stellen, die in den Seiten oder auf den Bildschirmen der großen Medienmonopole keine Stimme haben.

Herr Martin Mair macht sich in seiner Stellungnahme zur Solidaritätserklärung der Antiimperialistischen Koordination (AIK) mit der legalen baskischen Jugendorganisation HAIKA, deren Gründungsveranstaltung 20.000 Jugendliche versammelte, (Solidarität mit Haika) die Schemen und die Sprache der post-franquistischen konservativen Volksparteiregierung und der großen spanischen Medien zu eigen und kommt auch, wenn im bescheidenen österreichischen Rahmen, zu denselben Schlussfolgerungen: ZENSUR und Ruf nach KRIMINALISIERUNG.

Herrn Mair unterstellt der AIK, Haiders Sprache zu benutzen. Doch seine politische Forderung entspricht praktisch der Haiderschen: die Unterstellung der „Gewalttätigkeit“ als Mittel zur Ausschaltung einer konsequenten Opposition, das alte Schema von Haider & Co gegen die Linke, um sich nicht mit den politischen Argumenten auseinandersetzen zu müssen. Auch der spanische Staat, die konservative Volkspartei von Aznar (wie ihre sozialdemokratischen Vorgänger der PSOE) und ihre Polizei-Justiz-Medien-Apparat, verwendet dasselbe Schema gegen die baskische Volksbewegung.

Herrn Mair sollte, wenn er derartige Forderung aufstellt, bekannt sein, dass die Verhaftungen gegen die legale baskische Opposition, von der Inhaftierung der Führung (Mesa Nacional) der Partei Herri Batasuna, der internationalen Verantwortlichen dieser Partei (XAKI) oder der Jugendlichen von Haika, rechtlich wenig bis gar nicht abgesichert waren. Sie verlaufen nach einem totalitären Schema vorgefertigter Anschuldigungen, die über die Medien verbreitet werden. So wurden die Führung der Herri Batasuna, die internationalen Verantwortlichen, … und wahrscheinlich auch die HAIKA-Jugendlichen nach kürzerer oder längerer Zeit (die Herri Batasuna Führer saßen 2 Jahre UNSCHULDIG!) wieder freigelassen. Damit wird ein Klima der Konfrontation, der fehlenden demokratischen Freiheit und Einschüchterung geschaffen. Herrn Mair offenbar egal.

Gerade als Journalist sollte er spätestens seit der Schließung der baskischen Zeitung EGIN (Juli 1998) die Argumentationslinien der spanischen Justiz und die Berichterstattung der großen Medien kritisch hinterfragen. Herr Mair, haben Sie etwa gewusst, dass das Verfahren gegen EGIN gescheitert ist, und diese Zeitung rechtlich wieder erscheinen darf? Dieses hat ihre hochdemokratische Organisation in ihren Berichten aber nicht erwähnt. In dem von Mair angegebenem Artikel seiner Organisation „Reporter ohne Grenzen“ über das Baskenland werden unkritisch die Anschuldigungen der spanischen polizeilichen Medien wiedergegeben, die zur Kriminalisierung der baskischen Opposition geführt haben: Die legale Opposition bereite das Terrain, auf dem ETA dann nur mehr abdrücken müsse. Eine Organisation, die sich der journalistischen Freiheit verschrieben hat, ruft damit nach der Zensur und Verfolgung von Journalisten. Genau diese mediale Anklage führte nämlich zur Verhaftung des unabhängigen Journalisten Pepe Rei (Freiheit für Pepe Rei) und dem nun drohenden Verbot der Zeitschrift Ardi Beltza (die, so ist zu vermuten, Herr Mair noch nie in den Händen hatte, sonst würde er nicht derartig Dummheiten über den baskischen Konflikt schreiben.). Zur Kriminalisierung dieser legale Zeitschrift (mit über 12.000 Abonnenten) wurde sie neben beschlagnahmten Waffen der ETA den „unabhängigen“ Journalisten zur Schau gestellt. Ein schmutziges und eigentlich sehr durchsichtiges Spiel, das Ihre „unabhängige“ Organisation übernimmt, indem sie Informationen veröffentlicht, ohne diese vorher kritisch überprüft zu haben? Das sind die Konsequenzen solcher Unverantwortlichkeiten, die in Spanien politisch-polizeiliche Strategie sind und durch angeblich „unabhängige“ Journalisten dem uninformierten österreichischen Volk untergejubelt werden.

Herrn Mair sei das Studium der baskischen Geschichte angeraten (etwa die Lektüre des Buches: „Das baskische Labyrinth“ von Josef Lang), aber vielleicht auch nur ein gelegentlicher Blick über die Seiten der El Paà­s hinaus in baskische Medien wie die Gara oder Ardi Beltza. Dann würde er die Dummheiten über den baskischen Rassismus vielleicht einsehen. Doch die neoliberalen Vorurteile sind notwendige Basis jeder demokratiefeindlicher Politik.

Wie die baskische linke Opposition sieht auch die AIK das Mittel zur Lösung des baskischen Konflikts in einem demokratischen Volksentscheid. Herr Mair täuscht sich, wenn er glaubt, nur eine Minderheit der Basken optiere für die Unabhängigkeit. Erst vor einer Woche bestätigten selbst PNV (die bürgerliche Baskische Nationalistische Partei) und EA (Baskische Solidarität), die die Mehrheit im baskischen Parlament stellen, ihre Option für die Unabhängigkeit und die Beschränktheit des Autonomiestatuts. Zu bezweifeln ist die Konsequenz der bürgerlichen Parteien, die Unabhängigkeit praktisch zu erkämpfen. Denn dies erfordert einen Bruch mit der spanischen Verfassung, die eine demokratische Lösung ausschließt, wie sie ein Referendum unter der gesamten Bevölkerung ermöglichen könnte. Sie erkennt das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Völker des spanischen Staates nicht an und definiert die Armee als Garant der nationalen Einheit. Die Verhaftung des Chef-Verhandlers der ETA während des letzten Versuchs einer Verhandlungslösung im Rahmen des Waffenstillstandes 1999 in Frankreich (er wurde tatsächlich im Zuge der Verhandlungen festgenommen!) wirft ein Bild auf den staatlichen Willen zu einer demokratischen Lösung. Es ist tatsächlich erschreckend, dass sogenannte Verteidiger der Meinungsfreiheit wie Herr Mair heute, ob aus Unwissen oder politischer Identifikation mit dem dominanten Modell des „Menschenrechtsimperialismus“, nach Zensur und Verbot der Solidaritätsbewegung ruft.

Gernot Zeiler
Antiimperialistische Koordination

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