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Bemerkungen zur Situation im Iran und im Nordirak

24. März 2001

Gespräch mit Ibrahim Alizadeh, dem langjährigen Generalsekretär der iranisch – kurdischen Komala

Zum Iran

„Das Regime übt sich in der Zurückdrängung der Reformkräfte. Es will seinen Platz behaupten – und wehrt sich gegen alle wirkliche Veränderung. Auch auf den Nordirak hat die Tätigkeit des Teheraner Regimes Einfluß und Auswirkung: Der offizielle Iran ist unzufrieden mit der insgesamten Entwicklung im kurdischen Soran-Gebiet im Nordirak. Daher versucht man mit einem erheblichen intelligence Aufwand per Konspiration auf die vorhandenen Oppositionskräfte und auch einige Parteien Einfluß auszuüben. – Doch soll auch nicht übersehen werden, daß das Regime gewisse Avancen gegenüber den iranischen Kurden macht. Der Tenor lautet: Wir finden eine eigene iranische Lösung ohne Aufstand und Gewalt. Daher gibt es plötzlich private Schulen, die die kurdische Sprache lehren und auch an einigen wenigen Universitäten Fächer in Kurdologie. Schließlich bilden die kurdischen Abgeordneten im iranischen Parlament eine Art Fraktion. Das mögen Zugeständnisse sein, aber wir sehen diese kritisch: sie ethnisieren den Konflikt mit dem Regime, grenzen ihn auf die Kurden ein und betreiben deren Isolierung gegenüber den allgemeinen und übergreifenden sozialen Problemen der Gesellschaft. Wir, von Komala, sagen dies, weil wir uns als eine sozialistisch -demokratische Bewegung und Partei verstehen, nicht eine ausschließlich kurdische. Wir kämpfen nicht nur für Kurden. –

Wie kann es weitergehen. Im Iran? Die konservativen Kräfte brauchen Chatami, es herrscht diesbezüglich eine Art Arbeitsteilung. Chatami fungiert als Vermittler, nicht als Reformer. Er vermittelt im Grunde (gewollt oder ungewollt) als Mittelsmann der konservativen Kräfte, weil diese selber über keine demokratische Legitimation oder ein gesellschaftliches Ansehen verfügen.

So wird es bei den Parlamentswahlen im Frühjahr weitergehen. Das Ergebnis wird pro Chatami sein. Die Konservativen werden das anerkennen und dann wieder einschränken, weil sie ihn wohl brauchen, aber möglichst schwach halten wollen. Wir sind realistisch, was den Widerstand angeht: es wird vorerst zu keinem großen, zusammenhängenden Volksaufstand im Iran kommen. Das Regime taktiert, es wird immer einmal nachgeben, immer wieder einige Figuren auswechseln, damit es selber an der Macht bleibt. Im Grunde geht es um 3 Optionen für die Zukunft, die denkbar sind: a) Der Islamismus bleibt an der Macht, weil die Chatami Reformer ihn stützen. Nur politisches Personal wird ausgewechselt. b) Die Unternehmer im Iran verdrängen als Modernisierer die Konservativen, und wenn sie das tun sollten, tun sie es auch nur, um den drohenden Volksaufstand zu verhindern. c) Die Intellektuellen, Linken, Demokraten formieren eine Bewegung und formulieren eine Politik, die übergreifend wirkt und die demokratische Erhebung auslöst.

Das letztere scheitert vorerst vor allem daran, daß die linken oder demokratischen Kräfte uneinheitlich und zersplittert sind. Die aktuelle Repression, – es werden verstärkt Zeitungen geschlossen und Dichter wie Publizisten verhaftet, – das ist nichts wirklich Neues: Das Regime wehrt sich.

Zum Nord Irak

Das neueste Problem ist der Versuch der PKK, sich als eigenständige politische wie militärische Kraft im Soran Gebiet fest und breit zu etablieren. Sie war dabei und ist dabei, neue Gebiete und Landesteile unter ihre Kontrolle zu bringen, daher der Konflikt mit der PUK und daher der Ruf Talabanis nach dem türkischen Militär. Der Iran hat ihnen (der PKK) bedeutet: ihr könnt bei uns in kurdischen Vereinigungen arbeiten, etwa neuerdings im Verband der Kurden in Teheran, aber militärisch bleibt ihr außer Landes. Bleibt gefälligst im Irak, kämpft gegen die Türkei, macht sonst was – dabei geht es dem Regime in Teheran darum, die Kurdenproblematik nach außen zu verlagern, sie aus dem Iran zu verdrängen. So wie das vorher in Syrien war, wo die Anwesenheit der PKK zu demselben Ergebnis führte: Nur nicht über die Lage der Kurden in Syrien reden! Der Iran hat vermittelt, zwischen den Kampfparteien PUK und PKK.

Mam Jelal, die PUK, hat wirklich vier große Probleme, mit denen er beschäftigt ist: a) Die PKK macht ihm die Macht streitig, sie will, weil sie in der Türkei nicht mehr kämpft, sich als eigene politische Größe im Nordirak uneingeschränkt einrichten. b) Die Islamisten ihrerseits bedrängen die PUK und erheben ebenfalls Anspruch auf Positionen und Territorien. c) Schließlich wird die PUK weiterhin vom Irak bedrängt – und nicht zuletzt muß sie die Flüchtlinge versorgen, die Kurden aus der Kirkuk -Region, die von Saddam ununterbrochen weiterhin vertrieben werden. d) Schließlich ereignet sich auch fortdauernd der Clinch KDP – PUK, auch wenn hier die Töne friedlicher und alles etwas moderater geworden ist. Insgesamt keine gute Lage für die PUK.

Zudem stehen nun die türkischen Truppen im Land: Sie haben im Grunde einen Korridor schon geschaffen zwischen der Türkei und dem Soran-Gebiet im Irak. Stündlich fliegen die Hubschrauber, wird Logistik erledigt, werden Güter transportiert. Die Armee der Türkei ist in stand by Position. Sie ist disloziert in der Nähe der Kandil Berge bzw. bei Ranyie. Ihre Order lautet ganz offensichtlich: Den Einfluß und die Operationsmöglichkeiten der PKK-Guerilla begrenzen. Mehr nicht. Bis jetzt. Einige Differenzen innerhalb der PUK haben wahrscheinlich sehr wenig damit zu tun, daß Talabani die türkische Armee gerufen hat, das sind interne Konflikte, nichts sonst.

Leider hat die PUK Führung auch versucht, auf unsere Organisation einen Einfluß auszuüben, eine Spaltung herbeizuführen, die über Salah Mochtadi vermittelt wurde. Er war lange für Talabani in Europa unterwegs, sitzt nun wieder in Sulaimania. Ein persönlicher Freund Talabanis. Wir bedauern solche Versuche, und überdauern sie.“

Frankfurt, 20. 3. 01
Hans Branscheidt
Dieter Müller

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