Wien, Berlin, Erfurt, Hamburg
500 gedenken den Opfern der Nato-Aggression
Wien
Zur Gedenk- und Protestkundgebung anlässlich des zweiten Jahrestags der Nato-Aggression gegen Jugoslawien am Wiener Stefansplatz, auf dem sich während des 78-tägigen westlichen Bombardements traditionell die Demonstranten versammelten, hatte die Jugoslawisch-Österreichische Solidaritätsbewegung (JÖSB) aufgerufen, die aus der damaligen Protestbewegung hervorgegangen ist.
Die rund 500 Teilnehmer gaben lautstark ihrer Meinung Ausdruck, dass die Nato der Hauptschuldige an der heutigen Misere in Jugoslawien und am ganzen Balkan ist.
Es sprachen ganz in der Tradition der Anti-Nato-Kundgebung vor zwei Jahren Slavko Zivanovic als serbischer Grüner, der Literat Radisa Djokic sowie die Dichterin Radmilla Pena. Die Rede von Lazar Bilanovic vom Jugoslawischen Dachverband, der verhindert war, wurde verlesen. Von österreichischer Seite ergriffen Hannes Hofbauer, Publizist, Lorenz Glatz, Bewegung gegen den Krieg sowie Walter Baier, Vorsitzender der KPÖ.Margarethe Gal, antifaschistische Widerstandskämpferin das Wort.
Für die JÖSB sprach zuerst ihr Vorsitzender Willi Langthaler. Er wies darauf hin, dass sich alle Verwände für die Nato-Aggression namentlich die Herstellung von Demokratie, Menschenrechten und die Verhinderung von „ethnischen Säuberungen“ auch gegenüber der Öffentlichkeit als Lügen herausgestellt haben. Die Nato habe ein neokoloniales Protektorat errichtet, in dem die Mafia herrsche und die UNMIK-Okkupationsbehörden im Verein mit der UCK die Menschenrechte mit Füßen träten. Tatsächlich wurde der Kosovo systematisch von allen Nicht-Albanern „gesäubert“, und dieser Prozess setze sich weiter fort. Die Nato setze ihre Aggression in Südserbien und in Mazedonien fort, denn ohne ihre Unterstützung, oder zumindest ihre Duldung, wäre die fortgesetzte terroristische Aktivität der UCK nicht möglich. Mit dem Machtwechsel in Belgrad wäre ohne Zweifel teilweise dem Druck des Westens nachgegeben worden, doch das serbische und jugoslawische Volk habe nicht zehn Jahre Widerstand gegen die Neue Weltordnung geleistet, um sich jetzt sozial versklaven und national zerstückeln zu lassen. Der Kampf gegen die neoliberale Globalisierung und für die nationale Befreiung von der Nato-Okkupation werde sich entwickeln und müsse in letzter Konsequenz wieder zu einer demokratischen und antiimperialistischen Föderation der Völker des Balkans führen.
Alexander Muth, Aktivist der JÖSB, zeigte die systematische militärische und geheimdienstliche Unterstützung der UCK durch die Nato-Mächte auf. Margarethe Gal, antifaschistische Widerstandskämpferin und ebenfalls Aktivistin der JÖSB mit Leib und Seele, schloss die Kundgebung indem sie ausrief, dass für das Verbrechen am jugoslawischen Volk und an den Kriegen in der Welt im allgemeinen der Kapitalismus und der Imperialismus die Verantwortung trage.
Zwischendurch wurde der Beginn der Fernsehreportage „Es begann mit einer Lüge“ gezeigt. Die Tatsache, dass bisher weder die SPD noch die Grünen mit Klagen reagierten, wurde als Eingeständnis der Stickhaltigkeit der Aufdeckungen gewertet.
Das Projekt der Aufstellung eines Denkmals für die Opfer der Nato-Aggression musste verschoben werden, denn bisher fand man weder eine Bezirksverwaltung, noch die Stadtverwaltung geschweige denn den Bürgermeister, die bereit gewesen wären, eine Genehmigung zu erteilen. Es wurde die Bildung eines Personenkomitees angekündigt sowie spontan öS 2500.- für das Denkmal gesammelt.
Nato raus aus Jugoslawien und dem Balkan!
Nein zum Nato-Beitritt Österreichs!
Nein zur Militarisierung der EU!
Quelle: JÖSB
Erfurt, Berlin
Aus Anlaß des zweiten Jahrestages des NATO-Überfalls auf Jugoslawien fanden unter anderem auch in Berlin und Erfurt Veranstaltungen statt.
In der Kirche zum Heiligen Kreuz in Berlin-Kreuzberg wurde von denjenigen Organisationen, die das Tribunal gegen den NATO-Krieg im letzten Jahr organisiert hatten, in Anwesenheit von ca. 200 Menschen aus insgesamt 19 Ländern (darunter so hochrangige wie Prof. Valko Valkanoff, letzter Präsidentschaftskandidat der Bulgarischen Sozialistischen Partei oder mehrere russische Duma-Abgeordnete) am 23./24.3. der erste
Europäische Friedenskonvent durchgeführt.
Dort wurde über die neue Strategie der NATO und den Kampf gegen die von ihr ausgehenden Gefahren beraten. Im Gefolge dieser Beratung wurde das „Europäische Friedensforum“ als neue Organisation begründet, die diesen Kampf dauerhaft gestalten soll.
Von dieser Tagung gingen einige juristische Initiativen aus, so will der Chefanläger des Europäischen Anti-NATO-Tribunals Ulrich Dost serbische Agressionsopfer bei der Klage nach Entschädigungszahlungen unterstützen. Außerdem soll Lobbyarbeit betrieben werden, um das UN-Tribunal von Den Haag zu drängen, gegen verantwortliche NATO-Politiker zu ermitteln. Dies stieß bei Kongreßteilnehmern teilweise auf große Ablehnung
wegen des illegalen Charakters des Tribunals als Instrument der NATO.
In Erfurt fand (wegen der Berliner Veranstaltung bereits) am Mittwoch, dem 21.3. auf dem Fischmarkt, wo während des Krieges die allwöchentlichen Manifestationen stattgefunden hatten, eine Kundgebung aus Anlaß des zweiten Jahrestages statt. Trotz
widrigster Wetterverhältnisse hatten sich ca. 100 Menschen eingefunden. Nach einer Schweigeminute für die jugoslawischen Opfer sprachen Redner aus dem Spektrum der verschiedenen Organisationen, die schon zur Zeit des Krieges den Charakter der Proteste maßgeblich mit geprägt hatten. Tobias Pflüger vom IMI Tübingen hob hervor, daß trotz massivster Medienhetze immer eine
Mehrheit der Ostdeutschen den Krieg der NATO abgelehnt hatte. Eine Sprecherin des Aktionskreis für Frieden Erfurt hob hervor, daß die NATO mit dem Sturz von Slobodan Milosevic doch noch ihre Kriegsziele erreicht habe. Außerdem kam die Lage in Makedonien und der fortgesetzte großalbanische Terror zur Sprache. Ute
Hinkeldein vom DGB verwies darauf, daß die nächsten Kriege schon in Vorbereitung sind und die Friedensbewegung sich wappnen müsse. Im Namen des Aktionskreis 24.3. referierte Witold Fischer über die aktuelle Lage in Jugoslawien, vor allem
über die Zerstörung der Demokratie in Serbien vor den Wahlen vom 23.12. und die Attacken der neuen NATO-nahen Machthaber gegen die Gewerkschaften. Allerdings wiederholte auch ein Pfarrer aus Erfurt implizit, indem er sich gegen Krieg aus Lösungsmittel aussprach, die Lügen über ethnische Säuberungen durch serbische Sicherheitskräfte. Am Ende der Kundgebung wurde symbolisch ein übermannshoher Bundeswehradler aus Holz von Jugendlichen in Stücke geschlagen.
Im Anschluß fand eine Beratung über die Umstrukturierung der Bundeswehr und die Aufgaben der Kriegsgegner statt, wobei das Referat von Tobias Pflüger gehalten wurde.Es ist zu konstatieren, daß die BRD-Bundeswehr große Probleme hat, ihr Kontingent von 8000 Soldaten im Kosmet aufzufüllen. Insbesondere scheiterte die Verkürzung der Verweildauer auf dem
jugoslawischen Boden von sechs auf vier Monate daran. Trotz exorbitantem Sold melden sich nur sehr wenige Soldaten ein zweites Mal für diesen Einsatz. Dafür sind im Wesentlichen zahlreiche zerbrechende Partnerschaften (auch wegen der Gerüchte über die exzessiven Bordellbesuche der Besatzungssolaten), Angst vor radioaktiver Munition und der
Verwicklung in Kampfhandlungenverantwortlich. Das Fortbestehen der Wehrpflicht, so Pflüger, sei ein Hindernis für die Umstrukturierung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee, denn das Geld für Personal fehle bei der Waffenbeschaffung. Zudem bräuchte eine Interventionstruppe motivierte Freiwillige. Das
gegenwärtige Festhalten der BRD an der Wehrpflicht erkläre sich aus dem Bedarf an Zivildienstleistenden zwecks Lohndrückung und der Möglichkeit der Bundeswehr, Längerdienende anzuwerben, insbesondere intelligente und gebildete, die für die immer komplexeren Waffensysteme gebraucht würden, aber in der
Bundeswehr rar sind. So erklärt sich auch der Zugang der Frauen zur Bundeswehr.Obwohl Pflüger für eine generelle Abschaffung der Bundeswehr eintritt, formulierte er als realistische Perspektive die Forderung nach Abschaffung der Krisenreaktionskräfte, die dieser imperialistischen Armee die Spitze nehmen würde. Dieser Plattform könnten sich auch progressive Teile der Offiziere anschließen, die für eine reine Verteidigungsarmee votierten.
Hamburg
250 in Hamburg fordern NATO raus aus Jugoslawien
Bericht der „Internationalen Jugoslawien-Solidarität“
Zum Beginn der Kundgebung versammelten sich 200-300 Menschen auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz in der Hamburger Innenstadt, der von uns mit Plakaten und Transparenten („Schuldig“ und „NATO und Bundeswehr raus aus dem Balkan“), sowie jugoslawischen Fahnen geschmückt war. Nach einer kurzen Begrüßung unter Einspielung des O-Tons der TV-Ansprach (Kriegserklärung) von BK Schröder am 24.03.1999 sprach für das „Hamburger Forum für Abrüstung und Völkerverständigung“ Lühr Henken. Er ging im Wesentlichen auf die TV-Reportage „Es begann mit einer Lüge“ ein und verurteilte des weiteren die Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee. Schließlich rief er zu einer Beteiligung an den Ostermärschen auf. Anschließend schilderte der Schauspieler Rolf Becker für die Gewerkschaftsgruppe „Dialog von unten statt Bomben von Oben“ in bewegenden Worten unter Bezugnahme auf Peter Handkes Serbien-Berichte die aktuelle Lage der jugoslawischen Bevölkerung. Biljana von der „Internationalen Jugoslawien-Solidarität“ machte in ihrer Rede die politische Verantwortung der BRD-Politiker an diesem Krieg deutlich und erinnerte unter starkem Beifall daran, dass Schröder, Fischer und Scharping wegen Kriegsverbrechen gegen die jugoslawische Bevölkerung von einem Belgrader Gericht zu 20jährigen Haftstrafen verurteilt sind. Auch die gegenwärtige schwierige politische und wirtschaftliche Lage in Jugoslawien, die Hexenjagd auf Sozialisten und Patrioten und die dafür Verantwortlichen in den imperialistischen Regierungszentren wurden in ihrem Redebeitrag benannt. Anschließend wurde der „Bericht aus Serbien“ von B. Brecht vorgetragen. Dalibor von der „Deutsch-Jugoslawischen Friedensinitiative“ (DJFI) machte noch einmal die Ungeheuerlichkeit der Verbrechen an der jugoslawischen Bevölkerung deutlich. Ein Vertreter der DFG/VK (Kriegsdienstgegner) ging dann speziell auf die Frage der DU-Munition ein, was jedoch zu leichten Auflösungserscheinungen – wohl aufgrund der Komplexität des Themas, des strengen kalten Ostwindes und der vorangegangenen angespannte Konzentration der Beteiligten – führte und sich rundum kleine Diskussionsgrüppchen bildeten. Der letzte Redebeitrag von Rule von Bismarck, der ebenfalls für die DJFI sprach, stieß bei einem Teil der (deutschen) Kundgebungsteilnehmer auf Unmut, da er sich sehr stark auf die Ablehnung der NATO-Bombardements durch national-konservative Kräfte in Deutschland, wie Ex-BK Schmidt, Spiegel-Herausgeber Augstein, CDU-MdB W.Wimmer, u.a. bezog und Hoffnungen auf die „Vernunft der Herrschenden“ sowohl hier in der BRD, als auch jetzt in Jugoslawien setzte. Zum Schluss wurden noch einige kurze Passagen aus der besagten TV-Dokumentation vorgespielt und die Forderungen „Es lebe Jugoslawien!“, „Gerechtigkeit für Serbien!“, „NATO und Bundeswehr raus aus dem Balkan!“, gingen in Sprechchöre „Jugoslawija! Jugoslawija!“ über.
Zunächst muss aus unserer Sicht die Tatsache, dass die Kundgebung überhaupt so stattfand als ein Erfolg an sich gewertet werden. Besonders für viele Jugoslawen, die sich vor zwei Jahren an den täglichen Demonstrationen beteiligt hatten war es wichtig, wieder zusammenzukommen und sich auszutauschen. Darüber hinaus sehe ich es als Erfolg an, dass über die politische Verantwortung für das Geschehen auf dem Balkan keinerlei Zweifel mehr bestehen und das Lügengebäude der NATO immer mehr zusammengebrochen ist, so dass man sich mit den Märchen von „Serbengräueln“, wie sie noch vor einem Jahr von der „Regenbogen-Gruppe“, zum gleichen Anlass verbreitet wurden, heute unter den Kriegsgegnern nicht mehr herumschlagen muss. Auch die Tatsache, dass sich unter den Teilnehmern einige „neue Gesichter“ befanden, die in der Vergangenheit nicht an den Aktionen gegen den Krieg teilgenommen haben, sehe ich als positiv. Die Wirkung nach außen (Öffentlichkeit, Medien) war nur sehr begrenzt. Wir müssen uns natürlich überlegen, wie wir das in der Zukunft noch verbessern können. Andererseits konnten die Erwartungen aus der allgemeinen Situation heraus, sowie aus der aktuellen „Konkurrenz“ (Beginn der Anti-Castor-Aktionen, die gerade hier in Hamburg viele Linke an diesem Wochenende mehr beschäftigten, als unsere Kundgebung) ohnehin nicht all zu groß sein.
Wolfgang Mueller (Internationale Jugoslawien-Solidarität)
Hamburg, den 28.03.2001
Quelle: JÖSB