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Die Neue Intifada

6. April 2001

Redebeitrag von Aug und Ohr zur Veranstaltung der GUPS, 31. März 2001

VON AUG UND OHR,
GEGENINFORMATIONSINITIATIVE

Die Palästinenser lernen jetzt mehr als je zuvor, und noch mehr als in der Intifada der Achzigerjahre, daß ihnen niemand hilft, daß sie ganz auf sich gestellt sind. Wo ist das Jahr 1973, da die arabischen Armeen eine Invasion Israels versuchten?

Einige von uns haben Jahre lang geglaubt, daß eines Tages die arabischen Länder, oder gar die arabischen Regierungen Palästina befreien würden, einige von uns haben noch kürzlich gehofft, daß der Einsatz der Arabischen Liga konkrete, nachhaltige Resultate zeigen würde.

Als das erste Mal von der Ausrufung eines palästinensischen Staates die Rede war, ja da waren einige von uns der Meinung, die palästinensischen Nationalbehörde wäre sowas wie der Ausdruck, die Umsetzung des palästinensischen Befreiungsprozesses.

Aber sollen die Reichen die Befreiung Palästinas vorantreiben?

Sollen die Politiker, die es ohne Wenn und Aber akzeptiert haben, daß die CIA, der ja für unzählige Massenmorde und Putsche auf der ganzen Welt verantwortlich ist, die Oberkontrolle über das polizeilich-militärische Geschehen in den besetzten Gebieten erhält, weiterhin unser Vertrauen genießen?

Solchen Leuten die Befreiung Palästinas anzuvertrauen, ist dasselbe, wie einen arabischen Großgrundbesitzer mit der Befreiung der Landarbeiter zu beauftragen.

Nein, wir können den arabischen Regierungen nicht vertrauen, wir können der eigenen Regierung nicht vertrauen, wir können nur uns selbst vertrauen.

Der Zionismus ist keine nationale Befreiungsbewegung, und die palästinesische Bourgeoisie ist es auch nicht. Die Leute, die um ihre Arbeitsplätze kämpfen, die Leute, die mit der Waffe in der Hand gegen die israelischen Besatzer kämpfen, das ist die wahrhafte Schicht der Befreier, ihnen muß unsere Solidarität gelten.

Kann sich Palästina allein befreien? Ja und nein. Es kann, wie wir gesehen haben, nicht den arabischen Regierungen vertrauen, und schon gar nicht einer nicht-arabischen Regierung, es kann höchstens auf dem aufbauen, was man altmodisch die Arbeiterklasse nennen könnte: die Bauern, die Landarbeiter, die Arbeitslosen, die Studenten, die Gewerkschaften. Solche Versuche hat es in der Geschichte des palästinensischen Widerstands schon gegeben, aber sie sind nicht konsequent und mit aller Kraft weitergeführt worden. Diese Arbeiterklasse ist der Kern und das Rückgrat des nationalen Widerstands. Es sind die Armen und die Intellektuellen im Dienste des Volkes, die die Intifada führen.

Von Syrien und von Ägypten, und besonders von Jordanien haben die Palästinenser die bittere Lektion gelernt, daß sie niemandem vertrauen können, gestern nicht und heute nicht; aber sind sie allein stark genug, um die Intifada bis zum Sieg über die Besatzer zu führen?

Ein kurdischer Kämpfer sagte einmal: Wenn ein ganzes Volk bewußt ist, wenn ein ganzes Volk kämpft, dann kann ihm niemand widerstehen. Ohne dieses Völlig-auf-sich-selbst-Gestelltsein, ohne diese hundertprozentige Solidität, ohne die unbezwingbare Härte des Selbstseins kann kein Sieg errungen werden.

Aber dennoch reicht der bewaffnete Kampf nicht aus, auch keine wie immer gearteten Zermürbungstaktiken und Nadelstiche werden, wie es scheint, Israel zu einem Rückzug aus den besetzten Gebieten bewegen. Ohne den bewaffneten Kampf geht es aber auch nicht. Wer ihn anzweifeln will, der ist auf der Seite der Zionisten.

Denn die Befreiung wird niemandem geschenkt, die Befreiung muß erzwungen werden. Kein Zwang ohne Waffen. Keine Revolution ohne die Waffen! Selbstverteidigung ist legitim, und Beseitigung einer Mörderregierung ist legitim. Kampf um Souveränität ist legitim.

Palästina lebt uns stirbt mit der Massenbewegung, mit dem bewaffneten Kampf. Aber eine Intifada genügt nicht.

Wir brauchen eine Intifada in Ägypten!

Wir brauchen eine Intifada in Syrien!

Wir brauchen eine Intifada ganz besonders in Jordanien!

Wir brauchen mehrere Intifadas im Libanon! Hab ich ein Land vergessen?

Wenn sich die Israelis dem anschließen, bitte gern!

Und zwei andere Intifadas haben schon begonnen, die wir nicht vor lauter Panarabismus unter den Tisch kehren dürfen: die der Iraner und die der Kurden.

Israel ist ein Brückenkopf der Amerikaner, der vom Inland und seiner Intifada und von den benachbarten Ländern und deren Intifadas in die Zange genommen werden muß.

Die ägyptische, jordanische und andere Regierungen, die bisher Ja und Amen zu den Amerikanern gesagt haben und seit neuestem Ja und Amen zu Israel sagen, die müssen von ihren Völkern zur Rechenschaft gezogen werden.

Mit der Schwächung dieser proamerikanischen Regierungen, ja mit ihrer Ersetzung durch Regierungen der Arbeitenden und des Volkes wird es – muß es – einen Umschwung im sogenannten Nahen Osten geben. Wenn es dann noch eine Arabische Liga geben wird, wird es eine Arabische Liga sein, die mit der heutigen nur mehr den Namen gemein hat! Die Vereinigten Staaten und Israel müssen isoliert werden. Das ist ein Kampf, der sich noch über 50 Jahre lang hinziehen wird. Und er wird in sich Dimensionen abspielen, die weit über den verkümmerten Horizont der selbstgefälligen Packelei der Salonpalästinenser hinausgehen wird.

Liebe Freunde und Freundinnen, wir sind hier in Wien, das werden einige schon bemerkt haben. Früher haben österreichische Regierungsparteien den Palästinensern geholfen, heute ist Östereich das politisch toteste Land Europas, und es werden gezielte Verleumdungen gegen die wenigen eingesetzt, die sich hierzulande noch für die palästinensische Sache aussprechen. Es finden regelrechte Verleumdungsmanöver statt, an denen auch Elemente der sogegannten außerparlamentarischen Bewegung beteiligt sind.

Wir, die wir uns hier versammelt haben, befinden uns auf einem Friedhof. Normalerweise macht man in Städten und Dörfern, in Schulen und auf Universitäten Politik, hier herrscht die Redefreiheit und Redekultur eines Friedhofs. Diejenigen, die hier einwandern, werden zum Großteil nach einiger Zeit den Österreichern sehr ähnlich, sie werden faul, apathisch, passen sich an, denken nur ans Geld, und das ist schlimm.

Ich weiß, daß wir hier in der Palästinasolidarität und in den palästinensischen und arabischen Organisationen sehr unterschiedliche Meinungen haben. Ein jeder kämpft gegen jeden, als ob wir es den Österreichern und ganz besonders den österreichischen Linken nachmachen wollten. Aber wir sind wenige, verzweifelt wenige.

Wir müssen uns anders verhalten. Wir müssen ein gemeinsames Projekt auf die Beine stellen.

Jeder sollte sich da einbringen, jeder soll das beisteuern, wofür er besonders begabt ist, die Besonnenen, die Radikalen, die Jungen, die Alten, die Frauen. Und vergessen wir nicht: die palästinensische Bewegung war und ist eine antiimperialistische Bewegung,. Wenn sie nicht mit anderen antiimperialistsischen Bewegungen, auch hier vor Ort, kooperiert, dann stirbt sie!

Gehen wir auf die Straße, sorgen wir für eine schnelle Verbreitung der Nachrichten über die zionistische Repression, sie wird noch viel schlimmer und ärger werden! Wollen wir jetzt schlafen? Denkt an die Aberhunderten Kinder und Jugendlichen, denen die Augen ausgeschossen wurden, denkt an die Kranken, die an den Kontrollstellen gestorben sind und immer noch sterben, weil die faschistischen Bestien sie nicht durchlassen. Sie werden es uns nicht danken, wenn wir dazu schweigen.

Aber wir dürfen auch nicht zur österreichischen Politik schweigen. Wir leben hier und wir haben uns hier einzumischen. Das erbarmungslose rechtsradikale government dieses Staates ist prozionistisch wie nur was. Prozionistisch und antisemitisch. Die Zeitungen stehen in einer undifferenzierten Weise auf der Seite des Mörderstaates wie die keines anderen Landes in Europa. Und sie gehören zu den antisemitischsten.

Ein jeder Araber wird hier verhöhnt und verjagt, beschimpft und verachtet, besonders wenn er arm und wenn er ein Flüchtling ist, Die österreichischen Schubhäfen sind Exposituren des Gazastreifens. In besonderen Fällen politischer arabischer Gefangener in Österreich werden Foltermethoden angewendet, deren Know-How von den Zionisten herzurühren scheinen.

Für uns alle, die wir hier sind, Araber und Österreicher, muß der Kampf gegen den Zionismus auch einer gegen die österreichische Regierung sein. Denn solche gemeinen und intriganten Regierungen, die sich auch noch mit undurchsichtigen Geheimvermittlungen zwischen der israelischen Regierung und der Hizbollah schmücken wollen – ist denn die politische Klasse hierzulande je fähig gewesen, eine Pressekultur zu schaffen, in der das Schicksal der palästinensischen Gefangenen je die gebührende Aufmerksamkeit erlangen konnte? – gehören zu den Israel-stabilisierendsten Faktoren der Völkergemeinschaft. Sie sollen sich nicht lächerlich machen mit ihrer Vermittlertätigkeit. Ohne die USA wäre Israel nichts, ohne Österreich wäre Israel geschwächt. Greift Österreich an, und seine Israelpolitik!

Wir müssen scharfe Auseinandersetzungen untereinander führen, die können wir nicht unter den Tisch kehren. Aber hier, in diesem erbarmungslosen, rassistischen und konsequenterweise proisraelischen Staat, sind wir wenige und wir müssen zusammenstehen. In den Gedanken, in den Ideen müssen wir radikal sein und dürfen keine faulen Kompromisse eingehen, in der Praxis müssen wir einander zuhören, versuchen den anderen zu verstehen, müssen wir die Energien zusammenwerfen, bündeln, müssen wir lebendige, optimistische Kompromisse schließen. Müssen gemeinsame Projekte starten.

Wir können von den Zapatisten und ihrer hohen Kultur lernen, von den Österreichern können wir nur wenig lernen, gegen sie und ihren Rassismus und ihre Vernaderungen und besonders gegen Manöver wie die gegen Edward Said oder Blecha müssen wir vorgehen, und zwar vehement, und zwar alle zusammen.

Wir müssen genauso präsent werden hier in Wien wie es einst die Kurden waren und wie wir es in den Siebzigerjahren waren.

Nieder mit der österreichischen und der israelischen Regierung!
Es lebe die Befreiungsbewegung des palästinensischen Volkes!
Es lebe die Intifada!

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