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10 Jahre nach dem Golfkrieg

19. April 2001

Reisebericht

Am 18. Februar – also unmittelbar nach den erneuten Angriffen der USA und Großbritanniens auf Bagdad – reiste eine Delegation bestehend aus über 50 Politikern, Geschäftsleuten, Archäologen, Journalisten, Ingenieuren und Ärzten mit einigen Paletten Medikamenten und Babynahrung in den Irak. Am 20. Februar fand im Gesundheitsministerium in Bagdad eine Vortragsreihe zum Thema abgereichertes Uran statt. Die Delegation besuchte anschließend den Al-Amariyah-Bunker, in den während des Krieges 2 Bomben einschlugen und zirka 1.500 Menschen töteten. Bei einem Treffen erzählte der frühere Bildungsminister Dr. Al-Hashimi vom „Oil-for-food-Program“, das es seit Dezember 1996 gibt. Dieses erlaubt den Export von Öl im Wert von 24 Milliarden Dollar – um 9,8 Milliarden Dollar können dann genau definierte Waren eingekauft werden, der Rest landet auf diversen UNO-Konten. Aus dem „Oil-for-food-Program“ wurde das System der Lebensmittelpakete geschaffen, mit denen die ärgste Hungersnot gestillt werden konnte. Trotzdem leiden laut UNICEF-Bericht 60 % aller unter Fünfjährigen an Unterernährung und deutlichem Untergewicht.

Beim Besuch der onkologischen Station des Al-Mansour- Kinderkrankenhauses fiel auf, dass es keine Computer gibt und des weiteren nur unvollständige Chemotherapien, da viele wichtige Medikamente aufgrund des Embargos nicht verfügbar sind. Die Klimaanlage und die Heizung funktionieren nicht mehr, die hygienischen Verhältnisse sind sehr mangelhaft. Während des ersten Chemotherapiezyklus sterben 50 % der Kinder aufgrund von Infektionen oder Blutungen (in Basra sogar 80 %!). Dr. Jadiry erzählte, daß es viele Kinder mit bösartigen Tumoren, die normalerweise nur im späteren Erwachsenenalter auftreten, gibt. Die Untersuchung von Nieren- und Leberwerten und überhaupt der gesamten Serumchemie ist nicht möglich, da die Geräte längst kaputt sind und die Ersatzteile fehlen. Trotzdem ist das Wissen der irakischen Ärzte durchaus auf dem neuesten Stand, obwohl sie das Internet kaum nützen können und die Fachzeitschriften nicht beziehen können.

Ein Teil der Delegation reiste auch nach Basra. Zwischen 24. und 28. Februar 1991 befand sich die Stadt im Dauerbombardement, 300 Tonnen Munition gingen über Basra und das angrenzende Gelände nieder, der Großteil davon bestand aus Uranmunition, was damals aber niemand wußte. Die Stadt war dem 10.000fachen der natürlichen Radioaktivität ausgesetzt. Das Saddam Teaching Hospital war von 10 Geschossen getroffen worden. Alle wesentlichen diagnostischen Geräte konnten in den letzten Jahren nicht gewartet werden, es gibt daher keine Computertomographie oder Mammographie. Nur ein Bruchteil der Medikamente, die bestellt werden, werden auch geliefert. Die nächste Station war das Basra Maternity Hospital. Pro Tag gibt es bei bis zu 40 Geburten 1 – 2 mißgebildete Kinder. Viele dieser Mißbildungen findet man nicht einmal in Lehrbüchern. Dr. Janan glaubt, daß die tätsächliche Zahl noch viel höher ist, da die Beduinen, die immer wieder durch verseuchtes Gebiet ziehen, zur Geburt nicht ins Krankenhaus kommen. So werden viele Mißbildungen nicht bekannt. Das gleiche gilt für krebskranke Kinder. Zwischen 1994 und 1998 wurde die doppelte Rate an akuter Leukämie beobachtet, zwischen 1998 und 2000 bereits die 4-5fache.

Am nächsten Tag besichtigte die Delegation die ehemaligen Schlachtfelder entlang der irakisch-kuwaitischen Grenze. Die Radioaktivität am Boden beträgt das viereinhalb- bis zehnfache der natürlichen Radioaktivität. Der Nuklearmediziner Mohamad Abd al Halem meint, das sind sehr kleine Werte gemessen an denen, die hier während und nach dem Krieg geherrscht haben müssen. Denn die Uraniumpartikel sind sehr schwer und sickern rasch in den Boden ein und vergiften das Grundwasser.

Zurück in Basra ertönte Fliegeralarm, wovon die Bevölkerung kaum mehr Notiz nimmt, da sie bereits daran gewöhnt ist. Die Delegation fuhr wieder nach Bagdad und flog nach einigen weiteren Besuchen am 25. Februar nach Wien zurück.

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