Zum Verständnis des palästinensischen Widerstands, Teil 3
Sharons Provokation am Tempelberg und die Übergriffe der Israelis
Die Palästinensische Gesellschaft zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt, kurz LAW genannt, schildert das Vorgehen der Polizei bei der El-Aksa-Moschee.
In der Früh des 28. September wurde Sharon von 200 Personen der Weg verstellt, als er sich in die Al-Marvani-Moschee begeben wollte. Darunter waren arabische Abgeordnete der Knesset und zahlreiche Funktionäre und Aktivisten und auch Faisal Husseini, der Sonderbeauftragte für Jerusalem. Es kam zu Auseinandersetzungen, drei Personen aus dieser Gruppe wurden geschlagen und verletzt, aber es gelang den Provokateuren nicht, die Menschenkette zu durchbrechen. Daraufhin nahmen etwa 1000 israelische Soldaten auf den angrenzenden Dächern Stellung und beschossen die friedlichen Protestierenden mit gummiummantelten Stahlkugeln und Gasbomben. Insgesamt wurden dabei 24 Palästinenser verletzt, vier wurden von den Stahlkugeln getroffen. Verletzt wurden dabei auch sechs Kinder und sechs ältere Menschen.
Am Tag darauf, am 29. September, wurde gegen Gläubige, die in der Al-Aksa-Moschee am Freitagsgebet teilgenommen hatten, „vorsätzlich“ Gewalt ausgeübt, wie die Menschenrechtsvereinigung betont.
Mehr als 2000 Angehörige der Sicherheitskräfte und zusätzlich Sondereinheiten waren auf den Dächern postiert und schossen nicht nur mit gummiummantelter, sondern auch mit scharfer Munition.
Augenzeugen sagten aus, daß die Gläubigen von obenher von allen Seiten eingekreist und dann beschossen wurden.
Dabei starben 5 Palästinenser, mehr als 160 Personen wurden verwundet, 32 davon schwer. Namen und Krankenhäuser, in die die Verletzten einliefert wurden, sind bekannt. Ärzte bezeugen, daß ein großer Teil der Verwundeten im Bereich des Oberkörpers mit scharfer Munition beschossen wurden. Rettungsfahrzeugen wurde der Zutritt zum Gebäudekomplex verweigert.
Sehr ins Detail geht ein Bericht von B´Tselem, dem Israelischen Informationszentrum für Menschenrechte in den Besetzten Gebieten. Der Bericht wurde von Yad Stein verfaßt, an der Recherche nahmen 5 Personen teil, 3 weitere Personen besorgten den Datenabgleich, Übersetzer aus dem Hebräischen ins Englische ist Zvi Shulman.
B´Tselem erwähnt, daß nach Beendigung des Nachmittagsgebets Palästinenser vom Tempelberg aus auf die Polizei mit Steinen warfen. Die Reaktion darauf: Schockgranaten, aber nach einigem Minuten begann der Beschuß mit gummimummantelten Stahlgeschoßen.
Während der allerersten Minuten, als Steine geworfen wurden, waren die jüdischen Betenden bereits in Sicherheit gebracht worden. Die Palästinenser wurden auf den Platz des Tempelbergs gejagt, und auf jeden, der aus der Moschee kam oder neben ihr stand, wurde geschossen. Unbeteiligte wurden auch von hinten beschossen, Verwundete wurden weiterbeschossen oder auch geschlagen. Es wurden auch drei Photoreporter verletzt. Und es kam schließlich dazu, daß die Leute der Reihe nach abgeknallt wurden. 4 Palästinenser wurden an Ort und Stelle getötet: ein 25-Jähriger aus Abu Dis, 3 Personen aus Ostjerusalem: ein 18-Jähriger, ein 35-Jährige, ein 45-Jähriger. Ein weiterer 25-Jähriger aus der Altstadt wurde in der Nähe eines Spitals erschossen
Das Palästinensische Gesundheitsministerium berichtet von 226 verwundeten Palästinensern.
Ganz eindeutig hat die Polizei beim Einsatz von gummiummantelten Stahlgeschoßen ihre eigenen Vorschriften verletzt, betont B´Tselem.
So muß zuerst eine reelle Bedrohung von Leib und Leben bestanden haben: die jüdischen Betenden waren bereits in Sicherheit. Das Rà¨glement spricht eine klare Sprache. Es muß auch feststehen, daß gelindere Maßnahmen, also etwa der Einsatz von Tränengas, nicht zum Erfolg geführt haben. Gelindere Maßnahmen wurden nicht ins Auge gefaßt.
Das Leben unschuldiger Menschen darf nicht gefährdet werden. Zahlreiche Zeugen berichtet davon, daß Unbeteiligte verletzt wurden. So wurde ein 72-Jähriger, der an einem Gehstock aus der Moschee trat, von der Polizei niedergeschossen.
Das Abschießen von gummiummantelter Stahlmunition muß aus einer Mindestentfernung von 40 Metern erfolgen, da es unterhalb der Grenze lebensgefährlich ist. Die Obergrenze ist 60 Meter. Das wurde ebensowenig eingehalten.
Die Demonstranten wurden nicht aufgefordert, sich zu zerstreuen. Viele Menschen wurden im Bereich des Oberkörpers angeschossen.
Die Zeugenberichte lassen laut B´Tselem den Verdacht hochkommen, daß das Vorgehen der Polizei auf dem Tempelberg nicht bloß das Ziel hatte, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und Polizei und Betende zu schützen, sondern auch, und dies wahrscheinlich in erster Linie, die Souveränität und Kontrolle Israels über den Bereich des Tempelbergs zu demonstrieren, in eklatanter Mißachtung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit von Palästinensern.
Soweit verbindet sich Politisches und Militärisch-Polizeiliches.Dies eine Kurzfassung eines Berichts, den Juden und Jüdinnen, Gerechte, abgefaßt haben.
Aug und Ohr
Gegeninformationsinitiative
Quelle: LAW, The Palestinian Society for the Protection of Human Rights & the Environment (http://www.lawsociety.org/):
LAW Denounces Sharon´s Provocative Visit to Al Aqsa Mosque and Holds Israel Responsible for Rising Tension, 28. 9. 2000
Israeli Occupation Forces commit a premeditated crime on the Haram al Sharif (5 killed and 160 injured), 29. 9. 2000
B´Tselem´sInterim Report: Events on the Temple Mount, 9/29/2000 (http://www.btselem.org/Files/site/Temple_Mount_2000_eng.asp)