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War´s denn tatsächlich das Grab Josephs?

14. Mai 2001


„Es gibt keine Elemente, die darauf hinweisen“, sagt kurz und bündig der bekannteste Friedensaktivist Israels, Ury Avnery, und recht despektierlich fügt er hinzu: „Ein jeder weiß, daß es sich um ein altes Grab eines moslemischen Scheichs handelt. Dieser Ort hat nie einen jüdischen Bezug gehabt.“ (1) Und tatsächlich: bis in die 80er Jahre war diese Grabesstätte eines Scheichs aus der Zeit der ottomanischen Herrschaft eine moslemische Kultstätte, bis Siedler anrückten und verhinderten, daß dort weiter gebetet werden konnte, berichtet Adam Keller von der israelischen Friedensinitiative Gush Shalom. Beginnend mit 1995, also ab Oslo II, wurde das ehedem moslemische Grab in einen militärischen Stützpunkt der Israelis umgewandelt. (3)

Mit dem Tod Josephs ist der Ort auch nicht Verbindung zu setzen, denn es weist nichts darauf hin, daß Joseph dort gestorben wäre. (2) Sehr wohl aber gehört dieses Denkmal (und jetzige militärstrategische Element) zu dem in der Nähe gelegenen, von der griechisch-orthodoxen Kirche verwalteten Jakobsbrunnen. (2) Den habe Jakob, laut Genesis, um 100 Silberlinge gekauft. In der Interpretation der Ultraorthodoxen sei dieser Ort von den Propheten für das Volk Israels gekauft worden, daher habe der Staat die volle Souveränität über diesen Ort, wie auch über den Tempelberg und das Grab der Patriarchen in Hebron auszuüben. Dies die ideologische Rechtfertigung für die militärstrategischen Mikro-Enklaven, die mitten im arabischen Gebiet liegen und sich dort -möchte man sagen – wie Splitterbomben auswirken.

Diese „Josephsgrab“ genannte militärische Enklave befindet sich innerhalb des autonomen Gebiets der Stadt Nablus.
Bei den Kräften, die das sogenannte Josephsgrab instrumentalisieren, handle es sich um wahre „Fanatiker“, so Adam Keller, und dies seien sie auch in den Augen der anderen Siedler. (3) Es sind 40 gut ausgebildete Studenten – viele von ihnen sind Reservisten – , die in den in der Nähe gelegenen Siedlungen Bracha und Tapuach wohnen. (2) Sie gelten als die extremistischsten Hardliner der ganzen besetzten Gebiete, schreibt Giorgio Michele im manifesto und stehen unter der Führung des Rabbiners Yizhak Ginsburg.

Nach dessen Auffassung sei Mord nur dann ein Verbrechen, wenn er an einem Juden begangen wird, berichtet der Aktivist von Gush Shalom. (3) Ury Avnery beschreibt diese Gruppierung mit einiger Schärfe: „Es handelt sich um eine kleine Sekte von fanatischen und faschistischen Siedlern, die vom fanatischen und faschistischsten aller Rabbiner angeführt werden. Sie haben diesen Ort nicht aus religiösen Gründen besetzt, sondern weil hier, wie im Fall von Hebron die Gelegenheit war, sich mitten in eine arabische Stadt einzupflanzen. Um das Gebiet zu kontrollieren und ständig neue Zwischenfälle zu schaffen“. Aber dieses Projekt sei eine Falle auch für die eigenen Soldaten geworden. Niemand will sein Leben für eine Handvoll faschistischer Siedler hergeben, die uns alle mit sich in den Abgrund ziehen wollen, so Ury Avnery. (1)

Das sogenannte Jospehsgrab wurde außerdem weder von israelischen Gläubigen noch auch Touristen besucht, es hielten sich dort nur die „Siedler“ auf. (2)

In den Tagen vor der wütenden Aktion gegen das zionistische Provokationsprojekt, bei der es zum Teil zerstört wurde, waren in Nablus bereits 10 Palästinenser ermordet worden – und ein israelischer Besatzungssoldat verlor sein Leben.

Eine Kette von Morden an Palästinensern war der Anlaß für eine politische Aktion gegen ein militärisches Ziel. Das ist die Wahrheit hinter der sogenannten Schändung des Grabs des Propheten Joseph – von dem früher in Österreich noch nie jemand etwas gehört hat. Siedlerstrategie in Verbindung mit weltweiter Desinformation und dadurch bewerkstelligte Reizung des Gegners bis zum Äußersten, sodaß dessen Reaktionen den Charakter von wilden Verwüstungen annehmen können oder müssen (kriegspsycholgisch hat die Produktion solcher Redundanzen zentrale Bedeutung!), die in der Folge von der Weltpresse entsprechend ausgewertet werden. Diese Strategie ist die eherne Grundlage und Voraussetzung für ein weiteres, systematisches Vorgehen des Militärstaates gegen eine kasernierte und gedemütigte Bevölkerung.
Joseph scheint dort doch, und zwar endgültig, gestorben zu sein

AuO
(1) Stefano Chiarini: Una mistificazione dei coloni, Ury Avnery: la tomba di Giuseppe non ਠnà© ebraica, nà© santa („Ein Konstrukt der Siedlerkolonisten. Ury Avnery: Das Josephsgrab ist weder heilig noch jüdisch“), manifesto, 8. 10. 2000
(2) Giorgio Michele: Intifada oltre la Palestina („Intifada über Palästina hinaus“), manifesto, 8. 10. 2000
(3) Stefano Chiarini: Un grido prima che sia troppo tardi („Ein Alarmschrei, bevor es zu spät ist“, in manifesto, 10. 10. 2000 Interview mit Adam Keller von Gush Shalom.

 

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