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Der Hunderttageplan Sharons oder die Unfähigkeit zu lernen

15. Mai 2001

Der Hunderttageplan Sharons oder die Unfähigkeit zu lernen


Editorial

 

Wenn die Entscheidung der israelischen Gesellschaft, Scharon zum Ministerpräsidenten zu machen, auf die Unfähigkeit dieser Menschen, aus der Geschichte (nicht einmal der eigenen) zu lernen, hinweist, dann ist das Versprechen des Metzgers, die Intifada in hundert Tagen zu beenden, auch ein Beweis für die Unfähigkeit des alten Generals, aus der eigenen Erfahrung und jener seiner Vorgänger Lehren zu ziehen. Denn die Idee, durch Repression und Vergeltungen den Kampf der Palästinenser zu beenden, prägt die zionistische Denkweise seit der Gründung des Staates und hat – wenn sie auch kurzfristig und mit maximalem Gewaltaufwand Ruhe gebracht hatte – bisher einfach nicht funktioniert.
Sharon hat persönlich ganze fünf Jahre gebraucht (1967 bis 1972), um die ersten militanten Widerstandszellen im Gaza-Streifen zu vernichten. Dazu veranlasste er Massenhinrichtungen, Sprengungen ganzer Viertel, Massendeportationen auf die damals besetzte Sinai-Halbinsel und die Verhaftung tausender Menschen. Er konnte damals seinen „Sieg“ nicht lange feiern, denn der Widerstand nahm schnell andere Formen an und entwickelte sich weiter vom Kampf einzelner bewaffneter Zellen zu einer Kombination dieser mit einer Massenbewegung, die über die Höhepunkte von 1976 (Tag des Bodens, erste Intifada) und 1982 (Protestbewegung gegen die Aggression gegen den Libanon) bis zur großen Intifada von 1987 gewachsen ist. Die zionistische Repression hat nur den Widerstandswillen der Palästinenser gestärkt.

Sein Vorgänger Rabin, der absurderweise den Nobelpreis für Frieden erhielt, versprach beim Beginn der Intifada am 9. Dezember 1987, diese innerhalb von zwei Wochen zu beenden: „Brecht ihnen die Knochen“, befahl er seinen Soldaten, die den Befehl wortwörtlich ausführten und den Minderjährigen die Arme und Beine brachen. Die Ermordung von mehr als 1.500 Palästinensern (meist Minderjährige), die Verbannung der politischen Elite, das Einsperren von zehntausend Menschen in Konzentrationslagern in der Wüste und alle weiteren Repressionsmaßnahmen, zu denen eine Militärverwaltung fähig sein kann, konnten die Intifada nicht beenden und der Zionistenstaat musste nach sechs Jahren mit Arafat und Co. ein Abkommen schließen, um die Intifada zu Ende zu bringen.

Sharon hat scheinbar nichts daraus gelernt und verkündete arrogant, er würde diese Intifada in 100 Tagen beenden! Die Frage ist nur, was bleibt noch übrig, das der Zionistenstaat noch nicht probiert hat? Will er wieder in die „autonomen“ Gebiete einmarschieren und zum Status vor 1994 zurückkehren? Oder ein größeres Massaker verüben und eine neue Vertreibungswelle initiieren? Will er die Gebiete in echte Gettos hinter Mauern und Stacheldrähte verwandeln? Oder fügt er einfach den Wüstenlagern Gaskammer hinzu? Das wäre eine Frage an das sogenannte Weltgewissen….

Während der Intifada von 1987 – 1993 schrieb der palästinensische Dichter Samih El Qassem ein Gedicht mit dem Titel: „Ein Brief an Eroberer, die nicht lesen“. Die Ansprache ist signifikant: Israel ist ein Militärstaat, der von einem Haufen Generäle regiert wird, die nicht „lesen“, weil sie mächtig genug sind, aus der Geschichte nichts lernen zu müssen – aber wie lange?

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