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Eine sachlich unrichtige Behauptung Muzicants

10. Juli 2001

Kommentar von „Aug und Ohr“

Herrn Muzicant kommt zweifellos das Verdienst zu, das erste Mal in einem österreichischen Publikationsorgan des Mainstreams die Zahl der 1948 vertriebenen Palästinenser angetippt zu haben. Seriöse Forscher bestätigen Muzicants wertvolles – von ihm im gleichen Atemzug wieder zurückgenommenes – Zitat, so Benny Morris in seinem bereits 1987 erschienenen Werk „The birth of the Palestinian refugee problem“, auf deutsch: „Die Entstehung des palästinensischen Flüchtlingsproblems“, erschienen bei Cambridge University Press. Und andere Autoren, die einem jeden Kenner der Materie geläufig sind.
Diese Forscher führen Daten an, die mehr oder minder konvergieren. Und so begann´s: Von Dezember 1947 bis März 1948 setzten sich zuerst wohlsituierte, „flexible“ Bürgerfamilien mit Beziehungen und Geschäften, oder Patrizier, aus dem unsicher werdenden Territorium in die Nachbarstaaten ab. Das waren etwa 75.000.
Von April bis Juni 1948 flohen voll panischen Schreckens, und um ihr nacktes Leben zu retten, an die 300.000 Palästinenser aus allen Bevölkerungsschichten – ein Massenexodus. Haifa wurde beinahe entvölkert (mag man es ethnic cleansing nennen oder nicht): von seinen 71.300 Einwohnern blieben ganze 2.900. Ähnlich war es in Jaffa: von 70.000 blieben 3.600 übrig.
Es sprechen die Zahlen. Im Juli 1948 flohen weitere 100.000. Ein Beispiel dafür, wie´s zuging: Unter dem Kommando eines Herrn Rabin wurden die beiden bei Tel-Aviv gelegenen Städte Lydda und Ramla radikal gesäubert: da blieben von 34.920 Einwohnern ganze 2.000.
Schließlich folgte noch eine vierte Vertreibungswelle in zwei Teilen des Landes: Im Süden wurden die Palästinenser in den Gazastreifen gejagt, im Norden in den Libanon. Dieser letzte Teilexodus betraf an die 150.000 Menschen.
Anlaß der Fluchtbewegungen waren: unmittelbare Überfälle (verbunden mit Mordaktionen) auf palästinensische Wohnorte, Städte, Dörfer und darauffolgende Ausweisungsbefehle; die exemplarische Ausrottung ganzer Ortschaften vor 1948 durch diejenigen Terrorbanden, aus denen sich kurz darauf das israelische Heer zusammensetzen sollte (nach 1948 wurde diese Politik durch heeresoffizielle Killerbrigaden, wie die dem derzeitigen Ministerpräsidenten Sharon unterstehende Einheit 101, fortgesetzt); und schließlich – als wohlkalkulierter Effekt der psychologischen Kriegsführung – die Angst und der Schrecken, die allein durch die Nachrichten über sei´s Besetzungen und Übergriffe plus Massenausweisungen, sei´s Massentötungsaktionen, oder bereits stattfindende Fluchtbewegungen bei den noch Verbleibenden bewirkt wurde.
Es ist rührend, wie Herr Muzicant dies alles rückgängig zu machen versucht.

Weiterführende Literatur: John Bunzl – Israel und die Palästinenser. Die Entwicklung eines Gegensatzes, Wien 1982; Helga Baumgarten – Palästina: Befreiung in den Staat, Ffm 1991

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