Ohne Gerechtigkeit ist kein Frieden möglich
Dem Aufruf der Plattform „Stoppt das Massaker in Palästina“ anlässlich des ersten Jahrestages der Intifada folgend, versammelten sich gestern am Stephansplatz im Zentrum von Wien einige hundert Menschen verschiedenster Provenienz.
Die Quintessenz der Plattform, die vom gesamten Spektrum der Unterstützer geteilt wurde, war, dass es ohne die Erfüllung des elementaren demokratischen Rechtes auf Selbstbestimmung für das palästinensische Volk keinen Frieden geben kann und wird. Der erste Schritt dazu ist der bedingungslose Abzug der israelischen Besatzungstruppen. Zudem wurden von allen die unschuldigen Opfer des Anschlags in New York bedauert, jedoch darauf hingewiesen, dass Gewalt und Terror ursächlich von der von den USA angeführten Neuen Weltordnung ausgeht, die in Nahost von Israel repräsentiert wird. Der israelische staatliche Terror gegen die Palästinenser wurde einhellig verurteilt.
Die Liste der gut ein Dutzend Rednerinnen und Redner wurde von Fritz Edlinger, Sekretär der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen, eröffnet. Er wies auf die Tatsache hin, dass der israelische Premierminister ein Kriegsverbrecher sei, der das Massaker von Sabra und Schatila zu verantworten hätte, dass dazu aber der Westen schweige. Ariel Scharon habe die Anschläge in den USA zynisch dazu benutzt, seinerseits den Terror gegen die Palästinenser umgehend zu verschärfen. Die nun wieder angelaufenen israelisch-palästinensischen Gespräche seinen eine Farce, denn Israel habe schlicht nichts anzubieten als die Fortsetzung der Unterdrückung. Bereits bei einer Pressekonferenz am Vormittag hatte Edlinger den Angriff postwendend zurückgewiesen, dass Israel die einzige Demokratie des Nahen Ostens sei, während die Palästinensische Autonomiebehörde (PNA) in Gängelung und Korruption versinke: die Korruption sowie der evidente Mangel an Demokratie läge durchaus im Interesse Israels und sei von diesem gefördert worden.
Susi Jerusalem, Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete der Grünen Wien kritisierte die einseitige Berichterstattung der Medien und forderte ein Ende der gezielten israelischen Mordanschläge auf Zivilisten und insbesondere Kinder. Auch sie wies die Diffamierung des palästinensischen Befreiungskampfes als terroristisch zurück und betonte im Gegenteil seine Legitimität. Mustafa Hadi , Vorsitzender der Gemeinde in Österreich sagte, dass der Westen wohl in jedem Land militärisch intervenieren würde, wenn es völkerrechtswidrig erobertes Territorium besiedelte. „Warum schweigt man bei Israel?“ Tina Salhi von der Gruppe „Frauen in Schwarz“ betonte, dass auch die Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft von der Unterdrückung betroffen seien. Dr. Hannes Hofbauer wies – nach den neokolonialen Aggressionskriegen gegen den Irak und Jugoslawien – auf die Gefahr eines abermaligen Krieges hin, der unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terror geführt würde, tatsächlich aber nur der Aufrechterhaltung der globalen Hegemonie der USA diene.
Die Antiimperialistische Koordination hielt fest, dass Israel ein strategisches Werkzeug der USA und des Westens zur Beherrschung der Region sei und es daher nie Frieden schließen könne. Daher bedürfe es eines demokratischen und säkularen Staates in ganz Palästina für alle dort lebenden Nationalitäten und Religionen – was das Rückkehrrecht mit einschließe.
Die Demonstration, die nun auf rund 600 Teilnehmer angewachsen war, zog in der Folge vor die schwer bewachte US-Botschaft. Die gute Beteiligung ist bemerkenswert, insofern als im Gegensatz zum letzten Jahr die größeren islamischen Vereinigungen nicht zur Demonstration aufgerufen hatten. Im Vorfeld wurde von ihrer Seite sogar erheblicher Druck auf die Plattform ausgeübt, die Demonstration gänzlich abzusagen. Vor der zentralen Moschee in 21. Wiener Gemeindebezirk wurden Flugblattverteiler der Antiimperialistischen Koordination bedroht und ihnen tätlich die Flugblätter entrissen. Dass dies nicht nur mit der im arabisch-islamischen Milieu weit verbreiteten Angst angesichts der rassistischen Hysterie zu tun hat, die wohl auch den Einsatz der Palästinensischen Gemeinde für die Mobilisierung erheblich dämpfte, ist offensichtlich. Obwohl für alle, auch religiöse Gruppen offen, war die Demonstration nicht nur von den Organisatoren, sondern auch hinsichtlich der meist jugendlichen Teilnehmern prägend antiimperialistisch und säkular ausgerichtet.