Ein detaillierter Bericht
Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Aug und Ohr, Gegeninformationsinitiative
Verlagsort: Wien
1070 Wien, Stiftgasse 8
Druck: Eigenvervielfältigung
Ein Anschlag auf die Zivilbevölkerung!
Der Schulweg führte an einer der unzähligen illegalen israelischen Siedlungen, Ganei Tal, vorbei. Die von der UNO betriebene Volksschule „Al-Amal“ befindet sich in Al-Satar Al-Gharbi, am Stadtrand von Khan Yunis, einem der größten Flüchtlingslager (1). Die Kinder bemerkten in einem Tomatenfeld einen metallischen Gegenstand am Boden liegen, eines der Kinder hob ihn auf, ließ ihn dann wieder fallen und stieß ihn mit dem Fuß an (2). Die Stelle war – darauf hat das Palästinensische Menschenrechtszentrum aufmerksam gemacht – bloß 150 Meter vom nächsten Militärposten entfernt (1). Was nun geschah, ist unfaßbar. Es erfolgte eine Detonation, die die Kinder mit einer derartigen Kraft in die Höhe schleuderte und in Stücke riß, daß sie daraufhin nicht mehr zu erkennen waren (1).
„Ich ging zurück und wollte nachschauen, was da los war. Ich sah Teile eines Fusses durch die Luft fliegen. Dann rannte ich weg“ berichtete der 15-jährige Sufian Abu Jamea (3).
„Wir drehten uns um und sahen, wie die Kinder wegliefen. Ich sah zerstückelte Körper. Da lag ein halber Körper, die Hände befanden sich einige Meter davon entfernt, die andere Hälfte eines Körpers befand sich an einem anderen Platz“, berichtete der 15-jährige Fateh Al-Astel, der auch denselben Weg gegangen war (4).
„Mir war, als ob die Erde unter mir auseinandergeriet. Ich hatte solche Angst, daß ich nicht mehr weitergehen konnte. Ich sah, wie meine Kleider voller Blut waren. Im Krankenhaus bin ich wieder aufgewacht.“ berichtete ein 22-jähriger Gartenarbeiter, durch die Explosion ebenfalls verletzt wurde (5).
Sultan Al-Astal berichtete über seinen 11-jährigen Sohn Mohammed: „Sie konnten seinen Leichnam nicht finden. Auf dem ganzen Platz waren Körperteile verstreut.“ Al-Astal ist einer der zahlreichen Arbeiter – er arbeitet am Bau – die aufgrund der Militärblockade von ihrer Arbeit ausgesperrt sind (6).
Der Fuß eines Kindes wurde auf einem in der Nähe gelegenen Dach gefunden, der Kopf eines anderen Kindes konnte erst fünf Stunden nach der Explosion aufgefunden werden. (2)
Die Ärzte vom Nasser-Krankenhaus in Khan Yunis teilten mit, daß eine Identifizierung unmöglich sei, und daß die ursprünglich von ihnen genannte Zahl von 5 Toten nicht bestätigt werden konnte, da sie Schwierigkeiten hatten bei der Zählung der vielen einzelnen Körperteile (7). Nur mehr anhand der Namen, die in den Heften und auf den Hausaufgaben standen, war später eine Identifizierung möglich (2)
Fünf Kinder, im Alter von 6 bis 14 Jahren, alle zur selben Großfamilie gehörig, wurden bei diesem heimtückischen Mordanschlag getötet (1).
Anfangs suchte das israelische Heer, mit den absurdesten Verdrehungen eine jegliche Verantwortung von sich zu schieben. Sie hätten damit nichts zu tun (1), dann meinte Arieh Mekel, ein Sprecher des Außenministeriums: „Es könnte sich ja auch um palästinensische Sprengkörper oder Sprengsätze verschiedenster Art handeln.“ (4).
„Ich möchte unsere Trauer über diesen Vorfall ausdrücken. Wann immer auch Kinder verletzt werden, teilen wir den Kummer der Familien, und ich möchte hiermit mein Beileid aussprechen. Was nun die Details der Ereignisses betrifft, so wurde von israelischer Seite an jenem Tag nicht geschossen. Es ist auch bekannt, daß sich in Khan Younis keine Soldaten befinden. Wir haben daher keine Ahnung, was die Ursache für diese Explosion war. Es kann eine ganze Reihe von Erklärungen dafür geben. Es könnte auch ein palästinensischer Sprengsatz gewesen sein“ erklärte Mekel (8).
Und es sei sehr wohl möglich, daß die Palästinenser die Toten „für Propagandazwecke“ ausnutzen, meinte er (9).
Al-Satar Al-Gharbi sei doch unbewohntes Gebiet, meinte Verteidigungsminister Benyamin Ben Eliezer getreu einer alten zionistischen These, und gab ebenfalls bekannt, er bedauere den Tod Unschuldiger (10).
Der Gegner ermordet sich selbst, das ist ein weitverbreitetes Syndrom. Dann sprachen sie von Panzermunition, die am Weg liegengeblieben und nicht explodiert war. Von einem Blindgänger (11). Auch diese „Erklärung“ konnte nicht lange aufrechterhalten werden, und auch die Palästinenser, die anfangs in diese Richtung tippten, rückten wieder davon ab.
Bereits am Donnerstag, den 22. November hatten Augenzeugen und palästinensische Polizisten Zweifel daran laut werden lassen, daß es sich um Panzergeschoße handle (10). Schon bald stellt Khaled Abu Al-Ula, der palästinensische Kommandant der militärischen Verbindungseinheit im südlichen Gaza, sowohl die Panzerfeuer- als auch die Minenthese zur Disposition: „Wir glauben, daß eines der Opfer auf einen Sprengsatz getreten ist, entweder auf ein Geschoß, das von einem Panzer abgefeuert wurde oder auf eine Mine, und daß dadurch die Detonation ausgelöst wurde“ (12). Die Metallreste hatten keine Ähnlichkeit mit einer Munition, wie sie von Panzern verschossen wird (10). Eine Lüge, die sich nicht lang halten konnte.
Ein anonymer Sprecher des israelischen Heeres brachte die Sache schließlich der Wahrheit näher: „Statt Terroristen zu treffen, war diese Mine die Ursache für den Tod unschuldiger Kinder“ erklärte er der Tel-Aviver Tageszeitung Ma´ariv. Eine Antipersonenmine, die von einer außerordentlichen Sprengkraft war, sei eine Woche zuvor von einer israelischen Spezialeinheit gelegt worden. Mit dieser Maßnahme habe man gegen die Leute vorgehen wollen, die ständig die beiden „Siedlungen“ Nezer Hatzani und Ganei Tal beschossen (10).
Die Sprengfalle – die uns hier in Österreich an die mörderische Roma-Sprengfalle im Burgenland erinnert – war von Generalstabschef Shaul Mofaz persönlich genehmigt worden (10). Eine illegale Kriegshandlung gegen die Zivilbevölkerung, deren oberster Verantwortlicher feststeht und deren Ausführende noch eruiert werden müssen.
In den Kriegszeitungen Israels, so der Jerusalem Post, war nur gemeiner Zynismus zu lesen: „Die palästinensischen Politiker waren schnell mit einer Beschuldigung Israels zur Stelle“ und „Der Chefunterhändler Saeb Erekat sagte, die palästinensische Behörde habe ein dringendes Schreiben an die Vereinigten Staaten und Europa über dieses „Verbrechen“ gerichtet.“, so heißt es am 23. November in der Jerusalem Post (12). Man beachte die Anführungszeichen im zweiten Satz.
„Glauben Sie mir, wenn ich jetzt ein Maschinengewehr hätte, dann würde ich hingehen und auf die Israelis schießen, um den Mord an meinen Kindern zu rächen“, sagte die 35-jährige Zaina Astal, die ihren jüngsten Sohn, den 6-jährigen Akram und ihren ältesten, den 14-jährigen Mohammed bei der Explosion verloren hatte (13).
Einige Tage vor dem Zwischenfall hatte noch die Unicef Israel aufgefordert, nicht auf palästinensische Kinder zu schießen (1). Der Mord an palästinensischen Kindern scheint nur mehr von den „Vertretern“ der Bahamas geleugnet zu werden.
Gegenüber dem manifesto erklärte Mustafa Barguthi, der Vorsitzende der „Palästinensischen Komitees für medizinische Hilfsmaßnahmen“, es seien seit dem Beginn der Besetzung vor 34 Jahren dutzende Kinder und Erwachsene durch Explosionen von liegengebliebenen Sprengkörpern des israelischen Heeres getötet oder verwundet worden, meist nach Manövern, die im Westjordanland stattfanden (1). Das scheint bloß Vorgeschichte gewesen zu sein, es dürfte jetzt die Etappe eines (schleichenden) Minenkriegs begonnen.
Beim Begräbnis der fünf Kinder, an dem Tausende Menschen teilnahmen, entlud sich der Haß gegen einen israelischen Militärposten. Jugendliche bewarfen ihn mit Steinen. Darauf schossen die Soldaten einfach in die Menge, wie immer.
Und wieder ein Toter!
Der 15-jährige Wael Radwan starb an seinen Schußverletzungen, zwei weitere Personen wurden verletzt (10).
Den Besatzern waren fünf tote Kinder noch nicht genug.
Schikanen der Militärbehörden gegen Kinderärzte.
Der maßlose Rassenhaß der israelischen Zionisten findet darüber hinaus in weiteren Maßnahmen seinen Ausdruck, deren Zynismus kaum zu überbieten ist. So ist vor einigen Monaten eine Frau, die, wie viele, auf Grund der unzähligen Straßensperren, nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gelangte, von den kaltschnäuzigen israelischen Soldaten gezwungen worden, mit ihrem eben geborenen Kind, mit dem sie noch durch die Nabelschnur verbunden war, aus dem Auto zu steigen …
Zu den vielfältigen Anschlägen auf die Gesundheit und das Leben palästinensischer Kinder gehören von den israelischen Behörden praktizierte Arbeitsverbote für palästinensische Kinderärzte. So wird aus sogenannten „Sicherheitsgründen“ dem Kinderarzt Dr. Fayez Shakalia aus Gaza seit drei Monaten verwehrt, an seinem Spital in Nablus zu arbeiten. Shakalia ist der einzige palästinensische Arzt, der eine Herzkatheterbehandlung durchführt, mit der mögliche Schäden bei Säuglingen und Kleinkindern rechtzeitig festgestellt werden können. Seine kleinen Patienten müssen jetzt leiden, weil er ihnen nicht helfen kann.
Bis zum 20. August dieses Jahres war er noch im Besitz der Reiseerlaubnis von Gaza nach Nablus. Dabei hatte er auch die Unterstützung einiger israelischer Kollegen vom Wolfson-Krankenhaus gefunden, die den Militärbehörden den Stellenwert seiner Arbeit klarmachten. Am 20. August wurde ihm die Reiseerlaubnis verweigert.
Derzeit sind fünf seiner Patienten lebensgefährlich erkrankt und brauchen dringend Hilfe. Daß sie ein rechtzeitiges Eingreifen sterben könnten, interessiert die Militärbehörden nicht.
Shakalia ist nicht der einzige Mediziner, der im Visier der Behörden steht. Am 22. November wurde bekannt, daß der Ostjerusalemer Arzt Ahmed Maslamani, als politischer Aktivist den Behörden seit jeher ein Dorn im Auge, von der israelischen Polizei verhaftet wurde. Die Gründe für seine Verhaftung erfuhren seine Verwandten auf ihre Anfrage nicht (1).
(1) Michele Giorgio: Cinque bambini dilaniati (Fünf Kinder wurden in Stücke gerissen), manifesto, 23. 11. 2001
(2) Peter Hermann : Blast kills 5 boys in Gaza, Ganei Tal. The Baltimore Sun, 23. 11. 2001
(3) Ibrahim Barzak: Palestinian: Israel Tank Shell Kills 4, 22. 11. 2001
(4) Nidal al-Mughrabi/Reuters: Blast kills five Palestinians in Gaza, 22. 11. 2001
(5) Nidal al-Mughrabi, Reuters: Blast Kills Five Palestinian Boys in Gaza, 22. 11. 2001
(6) Sandro Contenta: Gaza blast kills 5 schoolboys, The Toronto Star, 23. 11. 2001
(7) Israel Kills at Least 4 Boys in Gaza, Reuters, 22. 1. 2001
(8) 5 Palestinian boys die in Gaza, CNN, 22. 11. 2001
(9) Palestinian: Israel Tank Shell Kills 4, AP, o. D.
(10) Michele Giorgio: Israele ammette: „Era una mina“ („Israel gibt es zu: es war eine Mine“), manifesto, 24. 11. 2001
(11)Five Palestinian children killed by dud tank shell, Jerusalem Post 22. 11. 2001, (unter Mitarbeit Arieh O`Sullivan von der Jerusalem Post und AP)
(12) Margot Dudkevitch, Lamia Lahoud: Five Gaza schoolboys killed in blast, Jerusalem Post, 23. 11. 2001
(13) Lee Hockstader: Source of Blast that killed four Palestinian boys unknown, Washington Post, 22. 11. 2001
Blast kills 5 Palestinian children.
Kommentar und Überlegungen.
von Aug und Ohr
Wenn die Kraft der Detonation dieser Mine die Kraft des unbesiegbaren und unbezwingbaren Zionismus darstellen soll, oder wenn die zionistischen Killer meinen, ihrem poveren Gesellschaftskonzept auf solche Weise vor der Weltöffentlichkeit Plausibilität verschaffen zu können, dann kann man nur sagen: es sind nichts als Banditen, das sind schmutzige Söldner des Imperialismus, das sind Outlaws, das sind Schlächter, das sind zu Richtende, diesen Menschen gehören die Bürgerrechte entzogen.
Eine schöne Auffassung von Kindheit haben sie: sie meinen wohl, daß Kindheit nicht sein soll. Es soll das Liebe und Kleine, das Pulsierende, die Hoffnung der Eltern ausgelöscht werden, nicht bloß weil der Feind ausgelöscht werden soll und als Instrument dafür auch die Zerrüttung des Volkes durch Verzweiflung oder Apathie dienen soll, nein nein: Wer sich derart an der Kindheit vergreift, er will wohl, daß das Leben selbst nicht sein soll, der will die Herrschaft des absoluten Nichts.
In den Massenmorden von Auschwitz und Wilna ist es vorexerziert worden, aber es ist falsch zu sagen, wie man häufig hört, daß die ehemaligen Opfer jetzt zu Tätern geworden sind. Das ist von einer gefährlichen Unschärfe. Diese neuen Henker haben nichts zu tun mit den ehemaligen Opfern: sie sind sozialpolitisch ein völlig anderer Typus. Sie sind drogenabhängige und konsumistische Rassisten und Kleinbürger, deren Ziel ein Leben in Diskotheken ist und die Karriere, im Heer oder im Staat. Der Denkfehler eines „schrecklichen Rollenwechsels“ besteht darin, daß man die beiden disparaten Phänomene ethnisch-rassisch auffaßt, statt nach sozial-politischen Kategorien.
Die anderen waren Widerstandskämpfer und Opfer. Beide Kategorien haben nichts Jüdisches gemeinsam – wenn man mit jüdisch die größten Werke des Judentums assoziiert. Das Jüdische, das gerettet werden muß, aber nunmehr in einem weiteren Sinn: vor dem Zionismus – ist kein Epithet der Heereskiller mehr. Sie sind US-amerikanische Söldner.
Die rassistischen Schlächter möchten auch das Judentum auslöschen: nämlich die Poesie Jitzchak Katzenelsons oder Sutzkewers, die Liebe Katzenelsons zu den Kindern, die Erkenntnisfähigkeit Sutzkewers, der den Schrecken des Genozids in Poesie, Komik und Sarkasmus umwandelte.
Kann man sich Lejb Perez oder Rosenzweig als Minenleger vorstellen?
Die Killer des Tsahal sind so antijüdisch wie die zionistische Bande, die in Palästina einen antizionistischen Juden umgelegt hat.
Denn es kommt die Zeit, wo der Tsahal sich gegen das eigenen Volk richten wird. Verhetzt und vergiftet ist es ja schon.
Kein Rechter und kein Antisemit ist berechtigt, Israels Regierung und Bevölkerung zu verurteilen. Das ist das Recht ausschließlich von Kosmopoliten und Internationalisten und derer, die, in kritischer Distanz zur Politik, die mit dem Judentum in Israel gemacht wird, Wertschätzer der echten Werte des Judentums sind, und dies durch Anstrengung und Aufmerksamkeit beweisen.