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Freiluftgefängnis Gaza

16. März 2002

Bericht der antiimperialistischen Solidaritätsdelegation aus Gasa

Am 4. und 5. Januar besuchte die antiimperialistische Solidaritätsdelegation den Gasastreifen. Gasa ist im Grunde ein großes Internierungslager, das systematisch immer weiter zugeschnürt wird. Es ist das dichtest besiedelte nichtstädtische Gebiet der Welt.
3.000 Siedler haben seit 1967 rund 40% des besetzten Landstreifens den Palästinensern mit unsäglicher Gewalt weggenommen. 1,2 Millionen müssen mit 60% des Landes ihr Auslangen finden. Der Prozess des Landraubes wurde mit Oslo weder rückgängig gemacht, noch verlangsamt, sondern im Gegenteil rasant beschleunigt.
Wir selbst konnten im Flüchtlingslager Rafah ganz im Süden des Gasastreifens und bei Chan Junis beim sogenannten „Checkpoint des Todes“ die systematischen Häuserzerstörungen betrachten. Mit Luftangriffen, Raketen und Panzergeschossen macht die Armee palästinensische Häuser unbewohnbar. In einige Häuser wurden durch Agenten auch Bomben gelegt. In der Folge kommt schweres Abbruchgerät der Besatzer zum Einsatz um die Ruinen dem Erdboden gleichzumachen. Hinter dieser Frontlinie befindet sich eine ganze Zone von Häusern, deren Bewohner durch den Beschuss von Scharfschützen bedroht sind. Viele der betroffenen Palästinenser müssen ihr Leben in Zelten fristen, einige kommen bei Verwandten in völlig überbelegten Unterkünften unter.
Unter dem Vorwand die Sicherheitszonen zu vergrößern, werden nicht nur Häuser, sondern auch landwirtschaftliche Flächen zerstört. Den Palästinensern wird der Zugang verweigert, bis schließlich das ethnisch gesäuberte Stück Land der Siedlung einverleibt werden kann.
In der jüdischen Siedlung bei Chan Junis wurden rund 4.500 Palästinenser eingeschlossen. Sie sind wie in al-Chalil (Hebron) dem offenen Terror der vom rassistischen Hass angetriebenen Siedler ausgesetzt. Ihre noch verbliebenen Häuser wurden mehrfach abgebrannt, wobei es auch einige Todesopfer gab. Ihre Felder dürfen sie nicht bestellen. Bei der Lebensmittelversorgung sind sie ausschließlich auf die Hilfe der UN angewiesen. Das Siedlungsterritorium können sie nur mit einer Spezialgenehmigung verlassen – wenn sie wieder zurückkehren wollen. Mit allen nur erdenklichen Willkürmaßnahmen versuchen Armee und Siedler selbst die mit Genehmigungen ausgestatteten Palästinenser an der Rückkehr zu hindern. Um die intendierte Vertreibung zu verhindern, haben zahlreiche Insassen des „Lagers“ dieses seit Jahren nicht verlassen.
Der Großteil der Siedlungen ist direkt am Meer gelegen, so dass den Palästinensern der Zugang zu diesem nur mehr in der Gegend von Gasa-Stadt bleibt.
Eine ausschließlich Siedlern vorbehaltene Verbindungstraße nach Israel, für die großräumig palästinensisches Land enteignet wurde, wird gerade errichtet und komplettiert das Bild der Apartheid.
Palästinenser sollen vertrocknen und versalzen
Wie überall in der Region ist auch in Gasa Wasser mehr als knapp. Doch es kommt ein spezifisches Problem hinzu. Israel pumpt aus den Siedlungen gewaltige Mengen von Trinkwasser nach Israel. Die Siedlungen wurden in den Gebieten mit den besten Wasserreserven angelegt. Durch das Defizit im Wasserhaushalt, verursacht durch die beständige, die Neubildung übersteigende Entnahme, wird Meerwasser in das Grundwasser gedrückt und dadurch unbrauchbar gemacht. Viele Kulturen wie beispielsweise Zitrusfrüchte sind dadurch abgestorben. Der Prozess der Versalzung gewinnt an Geschwindigkeit.
Zynischerweise verkauft Israel an die Palästinenser um teures Geld Trinkwasser, das aus dem Grundwasser von Gasa gewonnen wurde.
Zerstörung der Landwirtschaft
Israel versucht mit allen Mitteln die Landwirtschaft der Palästinenser im Gasastreifen zu zerstören und seine Bevölkerung auch im agrarischen Bereich zu einem Absatzmarkt von israelischen Produkten zu machen. Dabei ist die Versalzung des Wassers und der Böden nur ein Aspekt. Mit eigenen Augen konnten wir bei Beit Lahia im Norden von Gasa hektarweise zerstörtes Land und vernichtete Bewässerungssysteme besichtigen. Bäume aller Art werden abgeschnitten und entwurzelt. Der Versuch der Bevölkerung abermals Kulturen anzulegen wird mit neuerlicher Verwüstung beantwortet.
Auch ist den Palästinensern der direkte Export ihrer Agrarprodukte de facto untersagt. Die israelischen Behörden verzögern die Lieferungen systematisch, so dass die Ware bei Ankunft verrottet ist. Daher müssen die Verträge über israelische Zwischenhändler geschlossen werden, die die Profite abschöpfen.
Ein eigener Hafen ist den Palästinensern bisher verweigert worden, der internationale Flughafen bei Rafah wurde durch Israel zerstört.

Antiimperialistische Koordination
Wien, 10. Januar 2002

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