Schlussfolgerungen der antiimperialistischen Solidaritätsdelegation für Palästina
Aufruf für eine neuerliche Antiimperialistische Delegation
Vom 30. Dezember 2001 bis 6. Januar 2002 bereiste eine Delegation, deren Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern kamen, und die von internationalen Solidaritätsbewegungen aus Mexiko und Russland unterstützt wurde, das besetzte Palästina.
Das Ziel der Delegation war ein doppeltes: Einerseits sollte sie den Teilnehmer die Möglichkeit geben sich vor Ort ein eigenes Bild von der Lage der Menschen und der Widerstandsbewegung zu machen und somit die Abhängigkeit von den gleichgeschalteten westlichen Medien abzuschütteln. Andererseits sollte sie unsere volle Unterstützung für den legitimen Kampf des palästinensischen Volkes gegen die zionistische Besatzung zum Ausdruck bringen. Beide Ziele wurden erreicht. Es war uns möglich die wichtigsten Brennpunkte des Konflikts, vor allem al Chalil (Hebron) und den Gasastreifen, zu besuchen, und die systematischen zionistischen Kolonisationsprojekte in Gasa, dem Westjordanland und Großjerusalem aus der Nähe zu sehen. Wir sind über zerstörtes Ackerland gefahren und haben Tausende von ausgerissenen Bäumen gesehen. Wir hörten Berichte über die Wasserknappheit, während die Israelis in großem Ausmaß Wasser aus dem Boden pumpen und konsumieren. Wir erlebten die strengen Bewegungseinschränkungen, denen Personen und Güter unterliegen, und die durch israelische Checkpoints, und Straßen, die nur von Militär und Siedlern befahren werden dürfen, gekennzeichnet sind. Kurz gesagt: Wir fühlten die tägliche Realität der Besatzung, die sich nur unter dem Begriff der Apartheid subsumieren lässt.
Durch die Teilnahme an einer Demonstration und Gesprächen, sowohl mit einfachen Leuten, als auch mit Vertretern von Widerstandsorganisationen verschiedener politischer Richtungen, konnten wir uns des weiteren davon überzeugen, dass die Intifada, die Widerstandsbewegung des Volkes, nach wie vor lebendig ist und weitergeht. Im Gespräch mit den Organisationen und bei unserer Pressekonferenz im Palestine Media Center in Ramallah, über die in den palästinensischen Medien ausführlich berichtet wurde, hatten wir die Möglichkeit unserer Unterstützung für die palästinensische Sache Ausdruck zu verleihen.
Scharons langfristiger Plan
Eine Woche die palästinensische Realität zu erleben (siehe die Berichte über Westjordanland und Gasa) war ausreichend um sich eindeutig davon zu überzeugen, dass es Israel niemals um Frieden, sondern stets um die vollständige Kolonialisierung der 1967 besetzten Gebiete gegangen ist.
Der Plan wurde bereits kurz nach der Besatzung entworfen und seine Erfüllung wurde seitdem, egal welche Regierung gerade an der Macht war, weiter vorangetrieben. Dieser Plan beinhaltet einen geradezu wissenschaftlich und äußerst sorgfältig ausgearbeiteten Entwurf der Kontrolle des palästinensischen Territoriums mittels der Siedlungen. Tatsächlich wurde deren Errichtung nach den Friedensverhandlungen von Oslo weder gestoppt noch verlangsamt, wie man es eigentlich erwarten würde, sondern ganz im Gegenteil enorm beschleunigt, so dass die meisten der heute bestehenden Siedlungen erst nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages errichtet wurden. Während die direkte militärische Kontrolle der besetzten Gebiete für Israel langfristig zu teuer geworden wäre, wurde stattdessen beschlossen alle militärisch wichtigen Punkte mit israelischen Siedlungen zu besetzen, womit auch der Zugang zu allen natürlichen Ressourcen, vor allem dem Wasser, gesichert ist. Ein Netz aus Straßen, die dem Militär und den Siedlern vorbehalten sind, wurde errichtet, wodurch das palästinensische Territorium in kleine Stücke zerteilt und jede Bewegung auf selbigem blockiert wird. Während der Aufbau von autonomen Gebieten als großes Zugeständnis an die Palästinenser verkauft wurde, war es tatsächlich viel mehr die Notwendigkeit die Palästinenser los zu werden, die Israel zu diesem Schritt bewogen hat, da die Vertreibung oder die Abschlachtung des gesamten palästinensischen Volkes aus politischen Gründen nicht möglich gewesen wäre. Zu diesem Zweck wurden viele Palästinenser von ihrem Land vertrieben, und in extrem dicht bevölkerten, immer kleiner werdenden Zonen konzentriert, die in den extremsten Fällen kaum noch von Internierungslagern zu unterscheiden sind, und in denen die Palästinenser ihrer elementarsten Rechte beraubt werden – ähnlich den Bantustans während der Apartheid in Südafrika.
Die Frage, an der sich die rechten und linken Parteien der israelischen „Demokratie“ spalten, nämlich ob man diese Bantustans nun „palästinensischen Staat“ nennt oder nicht, wird vor diesem Hintergrund plötzlich ziemlich bedeutungslos. Während das palästinensische Volk seine Bereitschaft auf seine elementaren Rechte, wie sie in mehreren UN-Resolutionen (zum Beispiel der sofortige Rückzug der Besatzungstruppen) festgelegt wurde, zu verzichten um Frieden und einen souveränen Staat zu erreichen, war es nicht bereit die von den Zionisten angebotene Bantustan-Lösung zu akzeptieren und antwortete auf diesen „Vorschlag“ schließlich mit dem Ausbruch der zweiten Intifada.
Israel reagiert auf den Volksaufstand mit einer Welle der kollektiven Bestrafung und lässt die Situation somit in ungeahntem Ausmaß eskalieren. Unter dem Deckmantel des „Krieges gegen den Terror“, verübt Israel Verbrechen gegen die Menschlichkeit, in dem es Tausende Menschen tötet und Zehntausende verletzt, viele davon Kinder.
Internationale Solidaritätsbewegung
Der palästinensische Widerstand ähnelt dem Kampf Davids gegen Goliath. Während Israel die volle Unterstützung des Imperialismus hat, wird es den Palästinensern nur möglich sein ihre elementaren demokratischen Rechte zurück zu erobern, wenn sie sich die Unterstützung der proletarischen und Volksmassen sichern können, die weltweit gegen die Tyrannei des Westens kämpfen.
Zur Zeit sind viele Friedens- und Beobachtermissionen, oder Delegationen, die das Mittel des zivilen Ungehorsams gegen die israelische Besatzung einsetzen, in Palästina um gegen das anhaltende israelische Massaker zu protestieren. Das ist zwar im Vergleich zum Schweigen der vergangenen Jahre ein Schritt vorwärts, aber die Quintessenz all dieser Delegationen ist die Wiederaufnahme des „Osloer Friedensprozesses“, von dem die Geschichte gezeigt hat, dass er niemals ernst gemeint war, da bei ihm die wichtigsten Voraussetzungen für einen souveränen Staat, nämlich das Ende der Besatzung, das Recht der Vertriebenen auf Rückkehr und der Abriss der Siedlungen, nicht einmal diskutiert wurden. Indem es versucht neutral zwischen den beiden Seiten zu vermitteln setzt das „Friedenslager“ die Voraussetzungen der beiden Konfliktparteien für einen dauerhaften Frieden gleich. Dieser Logik folgend versuchen die pazifistischen Gruppen, die gemäßigten Kräfte auf beiden Seiten zu stärken und die „Radikalen“ zu zügeln. Doch es ist offensichtlich, dass Israel eine kolonialistische Besatzungsmacht ist, während die Palästinenser ein besetztes Volk sind, das um seine elementarsten demokratischen Rechte gebracht wird.
Friede kann nur durch Gerechtigkeit erreicht werden – das war die wichtigste Losung einer Demonstration, an der die antiimperialistische Delegation teilnahm. Dieser Losung wirklich gerecht zu werden bedeutet auch sich bedingungslos auf die Seite der Unterdrückten gegen den Unterdrücker zu stellen, ganz egal welche Mittel diese in ihrem legitimen Widerstand einsetzen um die Besatzung zu beenden (umso mehr, als es den Palästinensern ohnehin unmöglich ist sich mit schweren Waffen gegen die Angriffe einer der hochgerüstetsten Armeen der Welt zu verteidigen).
Die Tatsache, dass die offizielle, von Arafat angeführte Vertretung der Palästinenser das schmutzige Spiel von Oslo akzeptiert und damit sogar sämtliche diesbezügliche UN-Resolutionen für nichtig erklärt hat, nur um für die in der sogenannten Palästinensischen Nationalbehörde (PNA) organisierte Bourgeoisie im Gegenzug einige Privilegien heraus zu schlagen, ändert rein gar nichts am Recht gegen die Besatzungsmacht Widerstand zu leisten, ein Recht, das sogar durch internationales Recht bestätigt wird. In dem Maß, in dem die PNA mit Israel kollaboriert, wie beispielsweise durch die kürzliche Festnahme von Ahmed Sa…‘adat, dem Führer der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), sowie durch die Inhaftierung zahlreicher Führer und Kämpfer, inklusive der islamischen, der Volksbewegung (deren sofortige Freilassung wir fordern), verliert sie die Unterstützung des Volkes, das sich in der Intifada erhoben hat.
Die Geschichte hat gezeigt, dass Israel nicht bereit ist den Palästinensern irgendwelche bedeutenden Rechte zu garantieren, unabhängig von den Zugeständnissen, die den Zionisten gemacht werden – nur ein langwieriger Befreiungskampf wird schlussendlich zu Erfolgen führen.
Für das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung
Deswegen muss die internationale Solidaritätsbewegung auf den elementaren demokratischen Forderungen des palästinensischen Volkes aufbauen:
Sofortiger Rückzug der Besatzungstruppen
Abriss der israelischen Siedlungen
Recht auf Rückkehr für alle Vertriebenen
Für einen souveränen Staat im Westjordanland und Gasa mit Jerusalem als Hauptstadt
Trotzdem ist uns klar, dass dauerhafter Friede und Sicherheit für die Bevölkerung in der Region letztlich nur durch einen demokratischen, säkularen Staat in ganz Palästina für beide Nationen erreicht werden kann, in dem die kolonialistische und imperialistische zionistische Bewegung besiegt und der ausschließlich „jüdische“ Staat Israel zerstört wird.
Wir rufen alle demokratischen und antiimperialistischen Kräfte dazu auf sich an einer neuen antiimperialistischen Solidaritätsdelegation zu beteiligen, dieim Laufe dieses Jahres erneut nach Palästina aufbrechen wird.
Januar 2002