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Aufruf zur Teilnahme an Beobachterdelegation zum Prozess

4. Mai 2002

wegen des Massakers am 5. November 2001 in Kücükarmutlu am 13. Mai 2002

Der Staatsanwalt Turan Colakkadi vom 6. Istanbuler DGM (Staatssicherheitsgericht) hat das Ermittlungsverfahren wegen dem Massaker in Kücükarmutlu am 5. November 2001 abgeschlossen.
In seiner Anklageschrift weist er daraufhin, dass die vier getöteten Menschen „sich selbst verbrannt hätten“, und hält es nicht für nötig die Verantwortlichen des Massakers anzuklagen, obwohl die Öffentlichkeit des Geschehene durch Medien sowie direkt vor Ort mitverfolgt hatte. Stattdessen werden die am 5. und 13. November festgenommenen Hungerstreikende Ex- Gefangene, Betreuer sowie Angehörige auf die Anklagebank gesetzt. Die Anklage läuft unter dem Deckmantel „Mitgliedschaft und Unterstützung einer Organisation“.
Mit dieser Anklage beabsichtigt der Staatsanwalt der DGM, die Mörder von Arzu Güler (Todesfastende am 152. Tag), Sultan Yildiz (TAYAD-Mitglied), Bülent Durgac (Ex-Gefangene) und Baris Kas (Besucher) zu beschützen.

DOCH WAS WAR AM 5. UND 13. NOVEMBER GESCHEHEN?

Kücükarmutlu ist ein Armenviertel in Istanbul, wo seit Beginn des letzten Jahres die Anwohner, TAYAD- Mitglieder sowie entlassene Todesfastende ihren Hungerstreik bzw. Todesfasten gegen die Isolationshaft fortgeführt hatten. Seit Juni 2001 war das Stadtteil von der Polizei und Militär von der Außenwelt abgeschirmt und isoliert, sie stand unter militärischer Belagerung. Das Ziel der Regierung war die Proteste gegen die neuen Isolationsgefängnisse, sogenannten F-Typen zu beenden. Nach zahlreichen Übergriffen, bei denen Hunderte verletzt und festgenommen wurden, gab der Polizeipräsident Istanbuls Hasan Özdemir bekannt, dass es dort bald „paradiesische Zustände geben werde….

Am Morgen des 5. November stand in den Tageszeitungen groß diktiert „hier ist kein Palästina“, „Nest des Terrorismus“, somit hatte die Regierung auch die Medien hinter sich, um bevorstehenden Morde zu legitimieren.
An diesem Tag stürmten 3000 Spezialkräfte mit Panzern, schweren Waffen und Gasbomben das Stadtteil. Das Haus der Hungerstreikenden wurde in Brand gesteckt und vier Menschen erschossen, erstickt und verbrannt. Das Geschehen wurde von den Medien übertragen. Gleich nach dem Massaker an dem selben Tag, bevor gerichtsmedizinische Gutachten erstellt wurden, gab der Operationsleiter Hasan Özdemir an: „Wir haben nicht die Häuser geräumt in denen die Aktion fortgeführt wurde. Wir wollten nur die Barrikaden räumen. Die Todesfastenden wollten sich selbst verbrennen. Und wir haben versucht einzugreifen, wollten sie daran hindern. Wir haben auf keinen Fall geschossen.

12 der Aktivisten/innen sind verletzt. Diese sind die, die sich selbst verbrennen wollten.“ (6. November aus der Presse). Es stimmt, dass einer der Todesfastenden, Haydar Bozkurt versucht hat sich selbst zu verbrennen, um die Operation aufzuhalten. Das Feuer ging von alleine aus, jedoch haben die Polizisten ihn mit Benzin überschüttet und neu angezündet. Außer ihm hat sich niemand selbstverbrannt, sie waren auch nicht körperlich in der Lage. Bei der zweiten Erstürmung am 13. November wurden alle Hungerstreikenden festgenommen.

Die Autopsieberichte der ermordeten Menschen durch die Gerichtsmedizin bringen die Wahrheit ans Tageslicht, „dass sie sich mit irgendeinem brennbaren Mittel übergossen haben, ist nicht feststellbar“, heißt es dort.
Der Staatsanwalt Turan Colakkadi hat einfach aus der Erklärungen des Polizeipräsidenten die Anklageschrift gefertigt und beabsichtigt auch nur, die Wahrheit über das Massaker zu verschleiern, den Mord zu vertuschen und somit die Verantwortlichen zu entlasten. „Wir haben Plastikgeschosse benutzt, nur einer unserer Freunde (Polizist) hat die Befehle nicht befolgt“, erklärte der Polizeipräsident. Dieser Polizist taucht in der Anklage nicht auf, wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet? Natürlich nicht. Auf der Anklagebank müssten die Verantwortlichen von allen Massakern sitzen, nicht die Opfer.

Diese typische Vorgehensweise ist uns aus anderen Prozessen bekannt, so wurden z.B. die Gefangenen wegen dem Massaker in Ankara/Ulucanlar Gefängnis in 1999, wegen dem Massaker vom 19-20 Dezember 2000 in Bayrampasa und in den Gefängnissen in Canakkkale und Ümraniye angeklagt, ihre Freunde getötet zu haben.

Am 13. Mai wird ein weiterer von solchen Prozessen stattfinden, den der türkische Staat gegen die Überlebende des genau geplant, offen angekündigt und durchgeführten Massakers durchziehen will. Zynischerweise werden 13 Überlebende des Massakers in Kücükarmutlu vor den Richtern stehen und für die Morde des Staates Rechenschaft abgeben. Der türkische Staat ist es, der die Menschen ermordet, foltert und bei lebendigem Leibe verbrannt. Der ist es doch, der alle Anwohner eines Stadtteils attackiert und terrorisiert, der einen Krieg gegen die Bevölkerung führt.

UNSER AUFRUF RICHTET SICH AN ALLE MENSCHENRECHTSORGANISATIONEN, ANWÄLTE/ INNEN, ÄRZTE/INNEN, JOURNALISTEN/INNEN, ANTIFASCHISTEN/INNEN, DEMOKRATEN/INNEN!

Die Türkei ist für ihre Gräueltaten bekannt, doch es reicht nicht, dass wir die Wahrheit kennen. Die Menschen dort, die Überlebende brauchen unsere Unterstützung aus Europa. Eine internationale Delegation zur Prozessbeobachtung ist ein Ausdruck der internationalen Solidarität.
Lasst uns zeigen, dass der türkische Staat auch aus Europa beobachtet wird, dass wir nicht tatenlos zusehen. Für den 13. Mai 2002 haben wir eine Prozessbeobachterdelegation nach Istanbul geplant. Wir bitten alle Interessierten bis zum 1. Mai sich bei uns zu melden, damit wir das weitere planen können. Voraussichtlich werden die Delegationsteilnehmer bei den TAYAD -Familien unterkommen und versorgt werden. Für die, die Flugkosten nicht zahlen können, werden wir versuchen durch Spenden die Mittel dafür zu finanzieren.

Weitere nähere Informationen zum Massaker,
Delegationsberichte, Zeitungsartikel usw. können Sie bei uns
beziehen.
Tayad

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