Interview mit Willi Langthaler, Leiter der Solidaritätsdelegation
Sie haben vor kurzem mit einer Wiener Delegation den Irak besucht. Wie kam die Reise in das belagerte Land zustande?
Seit dem Krieg 1991 haben wir in Wien jährlich gegen das Embargo und gegen den permanenten Kriegszustand demonstriert. Und angesichts der aktuellen Drohungen haben wir uns entschlossen, eine Solidaritätsreise durchzuführen. Allerdings kamen nicht nur Österreicher, sondern auch Deutsche, Italiener, Franzosen und Iraner mit.
Gab es im Vorfeld Probleme?
Ja. Beispielsweise wollte ein Mitglied des Bundesvorstandes der Kommunistischen Partei Österreichs mitfahren, was innerhalb der KPÖ zu heftigen Auseinandersetzungen führte. Ihm wurde letzten Endes untersagt, in den Irak zu fahren. Das reflektiert den Druck, der auf der Linken lastet, und hängt natürlich auch mit der Reise von Haider zusammen. Von der haben sich alle distanziert, wobei sie vergaßen, dass das Hauptproblem das Embargo und nicht die Haider-Reise ist. Hingegen ist Wilfried Bader, Chef der Tiroler Bildungswerkstätte der Grünen, trotz des Drucks mitgefahren, was uns sehr gefreut hat.
Kritiker meinen, Solidaritätsbesuche würden weniger der irakischen Bevölkerung als vielmehr Saddam Hussein nützen?
Wir betrachten unsere Delegation als eine demokratische Delegation, die für die demokratischen Rechte des irakischen Volkes eintritt. Für uns bedeutet Demokratie unter den heutigen internationalen Bedingungen vor allem und in allererster Linie das Recht auf Selbstbestimmung. Selbstbestimmung schließt das Recht ein, über die eigenen Ressourcen, insbesondere das Öl, selbst zu entscheiden. Es kann natürlich sein, dass Saddam Hussein zunächst durch ein Zurückdrängen des amerikanischen Drucks gestärkt würde. Längerfristig würden allerdings die demokratischen Tendenzen in der Region gestärkt und alle Regime in Frage gestellt werden. Vor allem diejenigen, die unter der Fuchtel der USA stehen, und die sind genauso undemokratisch. Aber natürlich auch das Regime von Saddam Hussein. Aber die Basis jeder Demokratisierung ist das Ende der amerikanischen Aggression, das Ende des Embargos und der Abzug der amerikanischen Truppen vom Golf und aus der Region.
Was sind die wichtigsten Eindrücke, die Sie im Irak gewonnen haben?
Die Moral der irakischen Bevölkerung ist gut. Man will Widerstand gegen das Embargo und gegen die amerikanische Aggression leisten. Das ist nicht nur billige Propaganda des Regimes, sondern das kann man überall hören. Zum zweiten sagen die Menschen: „Wir brauchen keine Wohltätigkeit, wir sind ein reiches Land, wir können uns selbst ernähren. Wir brauchen politische Solidarität.“ Des weiteren fällt auf, dass trotz der Notlage das Überleben des Landes und der Menschen möglich ist, auch weil es für jeden Basislebensmittelrationen gibt. Es gibt Mangelernährung und das Elend der Kinder, aber keine Hungersnot.
Rüdiger Göbel, junge Welt, 15. April 2002