Erster Lagebericht der Internationalen Solidaritätsdelegation aus dem belagerten Irak
Schon nach wenigen Tagen im Irak ist klar: Unabhängig davon, ob wir mit Menschen aus dem einfachen Volk in Bagdad, in Basra und in den heiligen schiitischen Stätten von Kufa, Najaf oder Kerbala oder mit offiziellen Vertretern sprechen, überall bekommen wir die gleiche Antwort auf die amerikanischen Kriegsdrohungen: „Sollen sie uns doch bombardieren. Wir können sie daran nicht hindern, aber in die Knie werden sie uns nicht zwingen können.“
Für das Land an den zwei Strömen hat sich das nun über ein Jahrzehnt andauernde Embargo katastrophal ausgewirkt. Insbesondere in den Spitälern des Landes, insbesondere im Süden in der Region von Basra mussten wir erschütternde Szenen erleben. Die Rate an Krebserkrankungen und genetischen Missbildungen hat sich nach dem amerikanischen Einsatz von Uran-Munition vervielfacht, während das Sanktionsregime die für die Behandlung notwendigen Medikamente mit allen möglichen Mitteln verzögert und sogar mit dem lächerlichen Hinweis auf eine mögliche militärische Nutzung deren Lieferung verhindert. So wurde kürzlich die Einfuhr des Polio-Impfstoffs verweigert, wie uns der Direktor des bagdader Kinderspitals berichtete. Viele der Erkrankten, auch jene, deren Leiden heilbar wären, haben daher kaum Überlebenschancen – ein Umstand, der den meisten Müttern auch klar ist und der sie auf die westlichen Kindermörder einen besonderen Hass entwickeln lässt.
Trotz der angespannten Lage ist es indes keineswegs so, dass der Irak völlig am Boden liegen würde. Wirtschaftliche Aktivitäten insbesondere hinsichtlich der Infrastruktur sind überall sichtbar, auch wenn der Vorkriegsstand nicht erreicht werden konnte. Überall gibt es öffentliche und private Bauaktivitäten. Das wesentliche Problem ist aber, dass lebenswichtige Importgüter wie beispielsweise zur Trinkwasseraufbereitung von der UNO systematisch verweigert werden.
Trotz der Not ist jedoch das Überleben möglich. Und da jedem der enorme potentielle Reichtum des Landes klar ist, gibt es eine allgemeine antiwestliche und vor allem antiamerikanische Stimmung, die antiimperialistische Züge trägt.
Darum wurde uns überall, selbst in den Krankenhäusern gesagt: „Wir brauchen keine Wohltätigkeit, wir können uns selber helfen, wenn ihr uns nur lasst! Was wir brauchen, ist politische Solidarität. Verhindert eine neuerliche militärische Aggression gegen unser geschundenes Land und zwingt sie zur Aufhebung des Embargos!“
Bagdad, 27. März 2002