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amnesty international und der Nahostkonflikt

23. Mai 2002


Es ist ziemlich befremdlich, dass aiNFO (Zeitung von amnesty international in Österreich) noch nie Protestbriefe gegen die israelischen Besatzungspolitiker, die jedes Völker- und Menschenrecht mit Füßen treten, initiiert hat. Man hat den Eindruck, dass der Nahost-Konflikt in genannter Zeitschrift ausgespart wird.
Nun scheint sich aiNFO in seiner Ausgabe vom Februar 2002 aber dem Nahost-Konflikt auf künstlerische Weise zu nähern, in Form eines Interviews mit Timna Brauer.
Schillernd hingegossen auf ein Sofa erinnert sich Timna Brauer des 6-Tage-Krieges, den sie als Kind in einer Höhle zubringen musste. Mit keinem Wort erwähnt sie, dass seit diesem Krieg im Juni 1967 drei Millionen PalästinenserInnen unter israelischer Besatzung leben. Der Nahost-Konflikt sei ein „wahnsinnig heikles Thema“, meint Frau Brauer, dem man sich „sehr differenziert“ nähern müsse. Leider hat sie diesen ihren Ratschlag in ihrem Interview nicht beherzigt und kann sich von der eigenen Nabelschau nicht lösen. Es ginge nach wie vor um die Existenz, meint sie, und man könnte ihr zustimmen, würde sie das Existenzrecht des palästinensischen Volkes meinen. Dem Kontext nach dürfte sie aber eher eine Existenzbedrohung des Staates Israel orten, des Juniorpartners der Weltmacht USA, der größten Militärmacht in der Region inklusive nuklearem Waffenpotential.
In einer Zeit, in der Israel seit Monaten seine gesamte Kriegsmaschinerie gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung einsetzt und mit Mitteln, die außerhalb jeder Rechtsnorm stehen, gegen die Anführer des legitimen palästinensischen Widerstandes gegen die brutale Besatzungsmacht vorgeht, scheint sich Frau Brauer immer noch zu wundern, dass Israel als Besatzungsmacht gesehen wird. Ihrer Kenntnisnahme dürfte entgangen sein, dass die internationale Staatengemeinschaft in ihrer, im November 1967 verabschiedeten UN-SR-Resolution 242 Israel aufgefordert hat, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen. Und dass Israel mit tatkräftiger Unterstützung der USA Weltmeister im Ignorieren jedweder UN-Resolutionen ist.
Ebenso wenig scheint Frau Brauer zur Kenntnis genommen zu haben, dass die PLO das Existenzrecht Israels bereits im Jahre 1988 auf 78% (!) des historischen Palästina (im UN-Teilungsplan waren Israel 56% zugestanden worden) anerkennt und sich auf die Minimalforderung zurückgezogen hat, auf den verbleibenden (besetzten) 22% des Landes einen palästinensischen Staat zu gründen. In Unkenntnis dieser Entwicklungen wie auch der existierenden Friedensverträge mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994) muss Frau Brauer eine „arabische Intelligenzija“ bemühen, die verstanden habe, dass es Israel auch weiter geben werde.
Um dem Wesentlichen des Nahost-Konfliktes nicht zu nahe zu kommen – dem kolonialistischen zionistischen Projekt der Landnahme (das zwangsläufig die Entrechtung und Vertreibung der indigenen Bevölkerung bedeutet) – verlagert Frau Brauer den Konflikt auf eine kulturelle und religiöse Ebene: Wahrscheinlich fühlen sich die Palästinenser durch die beispielhafte Demokratie Israels und durch die Miniröcke der Israelinnen provoziert, meint sie, und diese Aussage grenzt nun wirklich schon an Menschenverachtung, würde der Artikel nicht darauf hinweisen, dass sich Frau Brauer mit dem Nahost-Konflikt so überhaupt nicht auseinandergesetzt hat.
Ein weiteres Hauptproblem sieht sie darin, dass es schwierig sei, „mit Menschen zu verhandeln, die mit einem gar nicht verhandeln wollen und die einen nicht respektieren“ und „dass Arafat als Verhandlungspartner unglaubwürdig geworden ist.“ Auch da dürfte ihr entgangen sein, dass Israel die, ohnedies von ihm und den USA diktierten Osloer Verträge nicht eingehalten hat, dass Israel die palästinensische Seite nie als gleichberechtigten Partner betrachtet hat und dass Israel während des sogenannten Friedensprozesses weiter palästinensisches Land beschlagnahmt hat, um in einer zuvor nie dagewesenen Geschwindigkeit völkerrechtswidrig den Siedlungsbau und die Errichtung einer israelischen Infrastruktur voranzutreiben und darüber hinaus durch seine kollektiven Strafmaßnahmen die Lebensgrundlagen des unter seiner Besatzung lebenden palästinensischen Volkes zu zerstören. In einem Interview in der israelischen Tageszeitung Ha´aretz rühmt sich der ehemalige Premier Ehud Barak im Februar 2001, „keinen Millimeter Land zurückgegeben zu haben.“ Wessen Glaubwürdigkeit hier in Frage steht, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden.
Auf weitere Aussagen von Frau Brauer einzugehen, ist wirklich strapaziös. Dass „die Palästinenser in der Keimzelle nicht für den Frieden arbeiten“, bringt sie in gefährliche Nähe zur rassistischen Aussage des Vizedirektors für Presse und Information im israelischen Außenministerium, dem zufolge der palästinensische Terror „genetisch bedingt“ sei. Immerhin meint Frau Brauer aber, dass „die Israelis versuchen müssen, so wenig Zivilisten wie möglich zu treffen“ und dass „der Kampf nur den Terroristen gelten dürfe.“ Sie befindet sich in wunderbarer Harmonie mit Bushs „Krieg gegen den Terrorismus“. Ist das das Fundament ihres Projektes „Kunst gegen Gewalt“, ihres Gala-Konzertes „Voices for Peace“, das von Amnesty International unterstützt wird?
Quasi als Gegenstimme sei ein Aufruf der ehemaligen israelischen Erziehungsministerin Shulamit Aloni wiedergegeben: „Wir müssen den Europäern sagen, dass der Widerstand gegen die Besatzung kein Antisemitismus ist. Es ist kein Antisemitismus, gegen die Zerstörung von Häusern und Feldern und Obstplantagen zu protestieren und die Stimme gegen die Abriegelung zu erheben, die jedes palästinensische Dorf und jede palästinensische Stadt in ein Gefangenenlager verwandelt. Wir müssen die Dinge beim Namen nennen. Wir müssen laut aussprechen, dass unsere Regierung Kriegsverbrechen begeht, wir müssen das deutlich und ausdrücklich sagen und es stets und ständig wiederholen. Es ist Zeit, Dossiers über die Kriegsverbrechen anzulegen!“
Zu hoffen bleibt auch, dass aiNFO (die Zeitung für Menschenrechte!) sich seiner eigentlichen Aufgabe und Verantwortung besinnt und gerade auch bei dem „wahnsinnig heiklen Thema“ des Nahost-Konfliktes nicht noch einmal auf so ein „Tritsch-tratsch-Niveau“ absinkt. Auf eine ernsthafte Auseinandersetzung nach diesem, gelinde gesagt, unglücklichen Beitrag hofft die

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