Gemeinsame Erklärung der AIK, BSB, RKL
Werte Genossinnen und Genossen,
Bei der Lektüre des Argument Nr. 5/2002 (Beilage zur Volksstimme Nr. 20/2002) mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass den Organisationen RKL, BsB und AIK fehlende Sensibilität gegenüber antisemitischen Tendenzen vorgeworfen wird. Wir weisen diese Behauptung von Seiten des KPÖ-Bundesvorstandes entschieden zurück und fordern die verantwortlichen Redakteure hiemit auf, unsere Entgegnung an entsprechender Stelle zu veröffentlichen.
Oben genannte Organisationen haben sich immer gegen jedwede Diskriminierung auf Grundlage von Nationalität, Religionszugehörigkeit oder Geschlecht eingesetzt. Ihre traditionelle und ständige Beteiligung an antirassistischen und antifaschistischen Aktivitäten sind in der Wiener Linken hinreichend bekannt und sollten somit auch der KPÖ kein Geheimnis sein. Namhafte antifaschistische Widerstandskämpfer wie Margarete Gal oder Johann Anthofer haben wiederholt für uns Partei ergriffen und sich öffentlich gegen unsere Diffamierung im Zusammenhang mit Antisemitismus-Vorwürfen ausgesprochen. Auch dies dürfte an der KPÖ nicht vorüber gegangen sein.
Die vom KPÖ-Bundesvorstand veröffentlichte Behauptung wurde durch nichts belegt und entbehrt somit jeder Grundlage. Sie ist vielmehr im Kontext der seit einiger Zeit entbrannten innerlinken Diskussion zur Palästina-Frage zu verstehen. Tatsächlich zeichnen sich unsere Organisationen in dieser Hinsicht als eine der wenigen innerhalb der Wiener Linken aus, die seit Beginn der neuen Intifada im September 2000 unermüdlich mit wöchentlichen Infotischen, regelmäßigen Demonstrationen und Kundgebungen, bimestrale Publikationen, Solidaritätsdelegationen und beständigen Einladungen zu gemeinsamen Aktivitäten an alle Organisationen der Wiener Linken ihre Solidarität mit dem legitimen Aufstand des palästinensischen Volkes gegen die israelische Besatzung öffentlich zum Ausdruck gebracht haben. Hingegen war es die KPÖ, die sich mit ihrem Engagement für die Palästinenserinnen und Palästinenser überaus lange Zeit gelassen hat. Trotz wiederholter Aufforderungen beteiligte sie sich kaum an Solidaritätsaktivitäten breiter Plattformen, bisweilen blieb sie diesen sogar trotz gegenteiliger Vereinbarungen und ohne Vorankündigung fern (z.B. der Kundgebung „Stoppt das Massaker – Freiheit für Palästina“ zum ersten Jahrestag der Intifada am 28. September 2001). Erst angesichts der brutalen Militäroffensive Israels im April dieses Jahres fühlte sich die KPÖ bemüßigt ihr beharrliches Schweigen zu brechen. Konkret tat sie dies in Form ihrer Beteiligung am Bündnis „Stoppt den Krieg“ und der Entsendung eines Redners zur Kundgebung eben dieses Bündnisses am 19. April 2001. Sehr bald jedoch entschied sich die KPÖ dafür, aus diesem wieder auszuscheiden, unter Berufung auf Unvereinbarkeit mit einigen Teilnehmern und deren politischen Positionen.
Das ist wohl der politisch springende Punkt der Angelegenheit. Im Gegensatz zu ihren traditionellen Positionen, die dem palästinensischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung und seinem wie auch immer gearteten Kampf politische Legitimität zubilligen, drückte sich die KPÖ seit Beginn der Intifada um eine klare politische Stellungnahme herum. Statt dessen zog sie es vor, ihre Zeitung Volksstimme pro-isrealischen und deklariert zionistischen Positionen, so zum Beispiel jene von Thomas Schmidinger oder Karl Pfeiffer, zu öffnen. Signifikant war in diesem Zusammenhang das im Februar 2002 laufende VS-Diskussionsforum zu Israel/Palästina, das sich durch das vollkommene Fehlen palästinensischer bzw. arabischer Beiträge sowie die Dominanz „linker“ israelischer Stimmen auszeichnete. Der Beitrag der AIK etwa wurde nicht veröffentlicht. Erst unter dem Eindruck der israelischen Militäroffensive gab die KPÖ eine Resolution heraus, in der sie sich zur Unterstützung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes bekennt.
Das lange Zögern der KPÖ sowie die Halbherzigkeit, mit der sie die palästinensische Sache unterstützt, macht den politischen roten Faden der KPÖ-Linie deutlich. Es ist offensichtlich, dass die KPÖ unter dem Druck der linksliberalen Öffentlichkeit eine Abkehr von ihrer traditionellen pro-palästinensischen Position vollzogen hat und es nun vorzieht statt von Befreiungskampf und antiimperialistischem Aufstand von „gerechter Lösung“, „Ausgleich“ oder „friedenspolitischem Mittelweg“ zwischen Israel und Palästina zu sprechen. Der Weg hierzu soll die „Stärkung der friedliebenden Kräfte, insbesondere der israelischen Linken“ sein, ohne in Rechnung zu stellen, dass ein Großteil jener Organisationen, denen die KPÖ huldigt (Gush Shalom etc.), „Lösungen“ des Konflikts propagieren, die weder Israels Rolle als Speerspitze des US-Imperialismus im Nahen Osten, noch seinen Charakter als Apartheidstaat mit struktureller Diskriminierung der arabischen Minderheit in Frage stellen.
Wer nun, wie die vom KPÖ-Bundesvorstand diffamierten Organisationen, sagt was Sache ist, nämlich dass es sich hier letztendlich um pro-zionistische Positionen handelt, der wird umgehend des Antisemitismus geziehen.
Diese Tatsache allein wäre durchaus nichts Neues, hat uns doch unsere Aktivität ständig Diffamierungen von Seiten der besonders in Deutschland starken antinationalen und linksliberalen Strömungen eingebracht. Wo diese politisch zumeist stehen, sollte spätestens seit dem 11. September kein Geheimnis mehr sein: im Zweifelsfall auf der Seite des Imperialismus, insbesondere wenn dieser gegen den „rückständigen und völkischen“ Islam kämpft. Qualitativ neu ist, dass nun auch die KPÖ dem Druck dieser Kräfte nachgegeben hat. Damit liefert der KPÖ-Bundesvorstand eine weitere Bestätigung für seinen opportunistischen Kurs, mit dem er hoffnungsfroh auf die als strategisch eingestuften linksliberalen Kräfte (sprich: Zivilgesellschaft) zusteuert, seiner baldigen Akzeptanz in ihrer Mitte scheinbar gewiss. Einen ersten traurigen Höhepunkt fand dieser Kurs bereits in der Abkehr von der Linie einer radikalen EU-Opposition und EU-Austrittsforderung. Wohin er letztlich führt, hat kürzlich das Wahldebakel der ob ihrer vorbildlichen Orientierung auf die sogenannte „transformatorische Linke“ vielgepriesenen KPF deutlich gezeigt.
Wenn es der KPÖ-Bundesvorstand so eilig hat, sich politisch von uns abzugrenzen, dann vielleicht deshalb, weil er sich von der Gesellschaft seiner linksliberalen Freunde mehr Nutzen für die eigene Transformation erhofft. Denn offensichtlich sieht er sich nicht dazu bemüßigt, sich mit der selben Deutlichkeit von jenen zu distanzieren, die am Stephansplatz Israel-Fahnen schwenkend lautstark Solidarität mit Sharon fordern. Die schreiben weiterhin unwidersprochen in seiner Zeitung.
Margarethe Berger für die Antiimperialistische Koordination (AIK)
Josef Badko für die Bewegung für soziale Befeiung (BsB)
Alfred Klein für die Revolutionär Kommunistische Liga (RKL)